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Lebensbedingungen: Klimawandel setzt Hummeln zu

In Europa und Nordamerika gibt es immer weniger Hummeln. Ein Grund: intensive Landwirtschaft. Doch auch häufiger auftretende Extremtemperaturen bedrohen das Überleben der Insekten.
Hummel in Nahaufnahme

Als wären Hummeln nicht schon geplagt genug: Eine intensive Landwirtschaft und schwindende Wiesen und Wälder gefährden die Insekten seit Jahren. Hummeln – und Bestäuber im Allgemeinen – sind deutlich seltener geworden, daran besteht kein Zweifel. Doch auch der Klimawandel ist relevant für das Aussterben der Tiere.

Weil dieser häufiger zu extremen Temperaturen und veränderten Niederschlägen führt, gebe es in manchen Regionen merklich weniger Hummeln als sonst. Das soll eine aktuelle Studie des Biologen Peter Soroye und seines Teams belegen, die nun im Fachmagazin »Science« erschienen ist.

Die Wissenschaftler um Soroye von der University of Ottawa haben die Verbreitung von 66 Hummelarten untersucht. Ihren Berechnungen zufolge ist die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass eine Region in den Jahren zwischen 2000 und 2014 von Hummeln besiedelt ist, im Vergleich zum Zeitraum von 1901 bis 1974 in Nordamerika um 46 Prozent und in Europa um 17 Prozent zurückgegangen.

»Wir wissen seit einiger Zeit, dass der Klimawandel das Risiko für einige Tiere erhöht, auszusterben«, sagt Soroye in einer Pressemitteilung. Die Studie biete eine Antwort auf kritische Fragen, wie und warum. Im Fall der Hummeln seien immer häufiger auftretende Extremtemperaturen der Grund für das Sterben, weniger der allgemeine Anstieg der Durchschnittstemperatur, schreiben die Autoren. Dabei geht in südlichen, warmen Regionen mehr Lebensraum verloren, als in kühleren, nördlicheren Breiten in bisher nicht besiedelten Gebieten dazukommt.

Solide Daten aus zuverlässiger Quelle

Das könnte an der intensiven Landwirtschaft in sehr großen Regionen der USA liegen – etwa im so genannten »corn belt«. In Europa seien hingegen häufiger noch kleine Ersatzhabitate in der Umgebung landwirtschaftlicher Flächen zu finden, erklärte Axel Hochkirch von der Universität Trier gegenüber dem Science Media Center (SMC).

Es gebe schon zahlreiche Untersuchungen, die Verbreitungsänderungen von Insekten auf Grund des veränderten Klimas belegen, sagte Hochkirch weiter. Doch »während die Ausbreitung von Arten im Norden recht gut verstanden ist, sind klimabedingte Arealverluste im Süden bislang nicht gut dokumentiert«.

Manch Biologe nennt die Studie gar »beeindruckend«. So hätten die Autoren eine große Menge an Daten aus Europa und Nordamerika zusammengetragen und mit geeigneten und robusten statistischen Methoden gezeigt, wie der Klimawandel die Hummeln beeinflusst, sagt etwa Roel van Klink vom Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig. »Museumsdaten, wie sie für diese Studie verwendet werden, sind eine zuverlässige Quelle für Daten über die biologische Vielfalt der Vergangenheit.«

Hummeln sorgen für Obst und Gemüse

Laut Soroyes Team lässt sich mit der von ihm entwickelten Methode nicht nur das Ableben diverser Hummeln beobachten. Sie erlaube es auch, das Aussterben anderer Bestäuber sowie sogar anderer Spezies wie Reptilien, Vögel und Säugetiere zu verfolgen und vorherzusagen. Und das wiederum erlaube es, schreibt das Autorenteam, jene Gebiete zu identifizieren, in denen sich Naturschutzmaßnahmen sicher lohnen.

Das wäre schön – ist jedoch umstritten. Aus Sicht mancher Forscher lassen sich aus Ergebnissen der Studie durchaus Rückschlüsse auf andere Bestäuberinsekten ziehen. »Da das Vorkommen von Insekten sehr stark über das Klima gesteuert wird, ist davon auszugehen, dass ein klimabedingter Rückgang auch bei anderen Arten vorkommt«, sagte beispielsweise Hochkirch dem SMC. Andere, wie van Klink, sind skeptischer: »Wenn wir wissen wollen, wie andere Bestäuber auf den Klimawandel reagieren, sollten wir eine ähnliche Analyse für Solitärbienen und Schwebfliegen durchführen. Das ist möglich, es ist nur eine Menge Arbeit.«

Hummeln gehören zu den Wildbienen. Sie sind soziale Tiere, haben Lieblingsblumen und sind schon bei niedrigen Temperaturen aktiv. Auch deshalb gelten sie als äußerst effiziente und damit bedeutende Bestäuber, nicht nur in freier Natur, sondern auch in der Landwirtschaft für Obst und Gemüse und in Gärtnereien. Und anders als der Mythos besagt, sind die Insekten übrigens nicht zu dick, um zu fliegen. Im Gegenteil: Sie fliegen sehr weit. Man kann gar Königinnen über die Nordsee fliegen sehen.

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