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News: Im Kern geht's kräftig rund

Im Inneren unseres Planeten ist einiges in Bewegung. Doch wie schnell drehen sich Erdmantel und Kern eigentlich? Sind sie aneinander gekoppelt oder überholt der innere Kern den Mantel, wie Wissenschaftler schon seit längerem diskutieren? Die Beweise dafür waren bisher recht dünn, doch Aufzeichnungen von seismischen Wellen nach zwei Nukleartests aus den siebziger Jahren scheinen diese Vermutung nun ebenfalls zu bestätigen. Ihnen zufolge ist der feste Eisenkern tatsächlich alle 2400 Jahre eine Umdrehung voraus.
Zu gern würden Geophysiker einmal wie Professor Lidenbrock zum Mittelpunkt der Erde reisen. Denn der Kern unseres Planeten bereitet ihnen doch einiges Kopfzerbrechen. Da sie ihn nicht direkt anbohren können, müssen sie versuchen, sich unter anderem mit Hilfe von Erdbebenwellen oder anderen seismischen Wellen, zum Beispiel durch unterirdische Atombombenversuche, ein Bild von ihm zu machen. Den Ergebnissen zufolge befindet sich im Zentrum ein fester Eisenkern mit etwa 2400 Kilometern Durchmesser, der von einer 2300 Kilometer dicken Schicht flüssigen Eisens umhüllt ist. Konvektionsströmungen in diesem äußeren Kern verursachen das Magnetfeld der Erde.

Frühere Messungen haben ergeben, dass sich bestimmte Wirbelstrukturen an der Oberfläche dieses flüssigen Eisenozeans mit etwa 0,1 Grad pro Jahr fortbewegen. Schon seit längerer Zeit fragen sich Wissenschaftler nun, ob der innere Kern genauso schnell rotiert wie der Erdmantel, oder ob er sogar schneller ist.

Doch wie soll man diese Unterschiede feststellen? Eine Möglichkeit ist, Aufzeichnungen von seismischen Wellen zu vergleichen, die zeitversetzt von derselben Stelle ausgingen und an einer bestimmten Station empfangen wurden. Bewegt sich der Kern schneller als der Erdmantel, müssten sich auch bestimmte Signale, die durch Heterogenitäten im inneren Kern hervorgerufen werden, entweder früher oder später bei den Empfangsstationen ankommen – je nachdem, ob sie durch die Bewegung nun näher dran oder weiter entfernt sind als zum Vergleichszeitpunkt.

John E. Vidale von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen werteten Daten des Large Aperture Seismic Array (LASA) in Montana daraufhin aus. Als Grundlage für die seismischen Wellen wählten sie zwei Nukleartests in Sibirien aus den Jahren 1971 und 1974. Die Explosionen lagen nur etwa einen Kilometer auseinander und waren auch in etwa gleich stark. Die Wissenschaftler betrachteten die im inneren Kern gestreuten Wellen und nicht, wie frühere Studien, die am inneren Kern reflektierten Wellen oder solche, die den Kern einfach durchdringen. Damit konnten sie die Auflösung um nahezu zwei Größenordnungen verbessern.

Den Ergebnissen zufolge bewegt sich der Erdkern tatsächlich schneller als der Mantel, und zwar mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 0,15 Grad pro Jahr in Richtung Osten (Nature vom 25. Mai 2000). Bei diesem Tempo würde der Kern dem Mantel alle 2400 Jahre eine Extra-Umdrehung voraus haben. Außerdem bestätigen die Forscher damit die Werte von 0,2 Grad pro Jahr einer 1996 durchgeführten Analyse, bei der Wissenschaftler die Aufzeichnungen von Erdbebenwellen aus den Jahren 1968 und 1996 verglichen, deren Epizentren bei den Südlichen Sandwich-Inseln lagen und die in Alaska registriert wurden. 1989 konnten Geophysiker dagegen keine Unterschiede feststellen, als sie seismische Wellen untersuchten, die nach französischen Atombombentests in Polynesien von der Oberfläche des inneren Kerns reflektiert und in Australien aufgezeichnet wurden.

Doch damit ist die Frage noch nicht endgültig erklärt. Wie Henri-Claude Nataf von der Université Joseph Fourier in Grenoble erläutert, bleiben noch einige Kritikpunkte offen. So muss zum Beispiel noch genau überprüft werden, ob die Ausgangspunkte der Wellen tatsächlich exakt bestimmt wurden und ob nahe der Quelle Unregelmäßigkeiten auftreten, die sich auf die Ausbreitung der Wellen ausgewirkt haben könnten. Aber wenigstens haben die Geophysiker nun eine neue und recht genaue Schätzung zur Verfügung, mit der sie weiterarbeiten können.

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