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News: Jugendliche Rebellion

Für manche X-Chromosomen ist das Leben sehr geruhsam. Denn in den Zellen weiblicher Säugetiere wird jedes zweite X-Chromosom 'stillgelegt', damit die Gene nicht doppelt abgelesen werden. Das hat man zumindest bisher angenommen. Wie Wissenschaftler nun aber nachweisen konnten, denkt ein großer Teil der Gene gar nicht daran, still zu halten. Und das Nest für dieses rebellische Verhalten konnten die Forscher auch ausfindig machen: Es ist der kurze Arm des X-Chromosoms, der im Laufe der Evolution erst später entstand.
Frauen tragen in nahezu allen Zellen zwei X-Chromosomen, während Männer ein X- und ein Y-Chromosom besitzen. Damit nicht zuviele Proteine hergestellt werden, wird ein Chromosom in ein Bündel zusammengeschnürt und so fast vollständig abgeschaltet. Offensichtlich sind einige Gene auf dem "verpackten" Chromosom aber doch noch aktiv.

Mit einer ganzen Liste von X-chromosomalen Genen, die im Rahmen des Humangenomprojekt erst kürzlich beschrieben wurden, begaben sich Huntington Willard von der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, auf die Suche nach den rebellischen Genen. Sie extrahierten aktive und inaktivierte X-Chromosomen aus menschlichen Zellen und pflanzten sie jeweils einzeln in Zellen von Mäusen ein. In den Hybriden aus Mensch und Maus untersuchten sie dann, welche Gene in beiden Zellen zugleich angeschaltet waren. Außerdem testeten sie Zellinien von Frauen, die ein beschädigtes X-Chromosom tragen. Von diesem Chromosom hatten Wissenschaftler bisher angenommen, daß es immer inaktiviert ist. Doch wie Huntingtons Team jetzt nachweisen konnte, waren doch auch manche Gene des fehlerhaften Chromosoms angeschaltet.

Von den in den Experimenten untersuchten 224 bekannten X-chromosomalen Genen verweigerten 34 die Pensionierung (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 7. Dezember 1999, Abstract). Bis auf drei liegen diese Gene auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms, der im Laufe der Evolution erst später entstand. "Wir bekommen eine gute Vorstellung davon, daß der lange Arm überwiegend inaktiviert wird", meint Christine Disteche von der University of Washington in Seattle. Sie nimmt daher an, daß bei dem kurzen Arm mit seinem jugendlichen Alter von nur einigen zehn Millionen Jahren die Stillegung noch nicht so ganz perfektioniert ist.

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