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News: Kleine Ladung gegen Glatteis

Die frostige Eisschicht auf Tragflächen von Flugzeugen, Stromkabeln, Windschutzscheiben von Autos und Schiffen auf hoher See verursacht ernste Probleme und hohe Kosten. Ein Physiker hat festgestellt, daß eine kleine elektrische Spannung an der Grenzfläche von Eis und Metall die Bindung zwischen den beiden Materialien lockern kann.
Victor Petrenko von der Thayer School of Engineering hat seine Ergebnisse bereits auf dem Treffen der American Chemical Society im März 1998 vorgestellt und ist jetzt eifrig dabei, sie auf eine Enteisungsanlage für Flugzeuge anzuwenden. "Es ist vielleicht möglich, das Vereisen der Tragflächen mit einer Batterie, die nicht größer als jene in Ihrem Auto ist, zu verhindern oder zumindest zu reduzieren", glaubt er.

Petrenko begann, sich für die physikalischen Eigenschaften von Eis zu interessieren, als er in Rußland mit Halbleitern arbeitete. Wie der Name es schon andeutet, verhalten sich Halbleiter halb wie ein echtes Metall und halb wie ein Isolator. Sie bilden die Grundlage der modernen Technologie. Vor einigen Jahren wurde Petrenko von den Ähnlichkeiten in den Eigenschaften von Halbleitern und Eis fasziniert. Technisch gesehen, so erklärt er, ist Eis ein Halbleiter, in dem Protonen statt Elektronen die Ladung transportieren. Dieser Unterschied ist wichtig, denn im Wasser oder Eis richten sich die Moleküle nach ihren teilgeladenen Enden aus. An der Oberfläche tendieren sie aber dazu, sich alle in der gleichen Richtung zu orientieren. Dabei zeigen die Protonen entweder vornehmlich nach außen oder nach innen. Der Grund für dieses Verhalten ist noch unbekannt. Das Resultat ist jedenfalls eine hohe Dichte elektrischer Oberflächenladung, die positiv oder negativ sein kann.

Wenn eine elektrisch geladene Oberfläche mit einer anderen Oberfläche in Kontakt kommt, induziert sie in der anderen Oberfläche eine entgegengesetzte Ladung. Und da Gegensätze sich anziehen, haften die beiden Stoffe aneinander. "Diese einfache Anziehung ist zum größten Teil verantwortlich für die Bindung des Eises", sagt Petrenko.

Seiner Vorstellung nach könnte die Anziehung zwischen Metall und Eis einfach dadurch aufgehoben werden, daß die Oberflächenladung neutralisiert wird. In einer Kühlkammer hat er seine Theorie experimentell überprüft: Auf eine Eisplatte gab er einen Tropfen Quecksilber, das auch bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt von Wasser flüssig bleibt. Als er eine kleine Batterie mit einem Pol an das Eis und mit dem anderen Pol an das Quecksilber anschloß, zog sich das Metall auf dem Eis zusammen, um die Auflagefläche zu minimieren. Auch bei Versuchen mit anderen Metallen verringerte sich die Adhäsionskraft bei Anlegen der Spannung.

Der Effekt ließ sich auch umkehren, wenn die Polarität geändert wurde. Doch wozu sollte jemand eine größere Haftung des Eises wünschen? "Denken Sie nur an Ihr Auto", antwortet darauf Petrenko. "Sie könnten es an einem frostigen Tag durchaus sinnvoll finden, wenn Ihre Reifen mehr Reibung haben." Und natürlich hat er auch dieses Projekt schon in Arbeit.

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