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Klimawandel in der Antarktis: Zerfallendes Eisschelf beschleunigt wichtigen Gletscher

Das Pine-Island-Schelfeis fungierte lange als Bremse für den Gletscher an Land. Doch es zerfällt. Und dadurch könnte die mächtige Eiszunge rascher zerfallen.
Pine-Island-Schelfeis

Der Pine-Island-Gletscher gehört zu den größten Eiszungen der Westantarktis. Gleichzeitig strömt er auch schneller als die meisten anderen Gletscher zum Meer. Gebremst wurde er dabei lange Zeit vom Pine-Island-Schelfeis, das wie eine Barriere im Ozean schwimmt. Daten von Ian Joughin von der University of Washington und seinem Team zeigen jedoch, dass dieses Schelfeis zwischen 2017 und 2020 beschleunigt zerfiel und der dahinterliegende Gletscher bedeutend an Fahrt aufnahm. Ihre Beobachtungen veröffentlichten Joughin und Co im Journal »Science Advances«.

Rund 180 Billionen Tonnen Eis sind in dem Gletscher gebunden. Würde er komplett schmelzen, stiege der Meeresspiegel allein dadurch um einen halben Meter. Zusammen mit dem benachbarten Thwaites-Gletscher – auch bekannt als gefährlichster Gletscher der Welt – liefert er einen großen Teil der antarktischen Wasserzufuhr in die Weltmeere, welcher bereits heute die Pegel durchschnittlich erhöht. Noch verhindert das Pine-Island-Schelfeis, dass diese Menge zunimmt. Doch seine Bremswirkung schwindet: Von 1990 bis 2009 beschleunigte der Gletscher von 2,5 Kilometern pro Jahr auf 4 Kilometer pro Jahr, bevor er sich auf dem erhöhten Tempo wieder ein Jahrzehnt stabilisierte.

Das könnte sich bald erneut ändern. Denn allein zwischen 2017 und 2020 verlor das Schelfeis ein Fünftel seiner Fläche. Große Eisberge brachen vom Schelfeis ab und trieben auf das Meer. Schuld war daran jedoch nicht Schmelze durch erwärmte Ozeane, sondern das beschleunigte Gletschertempo. Er drückt von der Landseite gegen das Schelfeis und setzt es unter mechanischen Stress. Im Übergangsbereich, wo der Gletscher noch auf dem Meeresboden aufsitzt, bevor er als Schelfeis aufschwimmt, entstehen Risse und Brüche und damit Schwachstellen, an denen das Eis auseinanderreißen kann.

Diese Verluste scheinen bereits zu bewirken, dass der Gletscher weiter Fahrt aufnimmt: Zwei Messstellen auf dem Eis bewegten sich seit 2017 um zwölf Prozent schneller als zuvor. Modelle bestätigten die neuerliche Erhöhung der Fließgeschwindigkeit. »Noch ist die Beschleunigung nicht katastrophal. Aber wenn der Rest vom Schelfeis auseinanderbricht und sich auflöst, könnte der Gletscher deutlich schneller werden«, sagt Joughin.

Ob dies tatsächlich passieren werde, ist bislang unklar. Das hänge zudem auch von anderen Faktoren wie beispielsweise der Landoberfläche unter dem Gletscher ab. Doch die Zeichen deuten an, dass ein Zerfall wahrscheinlicher wird und in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten stattfinden könne, sagt der an der Studie beteiligte Glaziologe Pierre Dutrieux vom British Antarctic Survey. Sedimentproben weisen darauf hin, dass die Region über Jahrtausende relativ stabil war, sich nun aber in den letzten Jahrzehnten durch den Klimawandel stark verändert.

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