Direkt zum Inhalt

News: Kohlenmonoxid auf die Spitze getrieben

Chemische Bindungen halten Leib und Seele zusammen. Nun gut, die Seele vielleicht nicht, den Leib aber ganz bestimmt - und auch sonst fast alles. So bedeutungsvoll sie für unser Leben auch sein mögen, sehen kann man sie nicht. Doch wenn Wissenschaftler Chemikalien miteinander mischen, möchten sie nicht nur wissen, ob sich eine Verbindung bildet, sondern auch wie sie aussieht. Nun ist es Forschern gelungen, ganz gezielt aus einem Kohlenmonoxid-Molekül und einem Eisenatom Eisencarbonyl herzustellen und dieses sichtbar zu machen. Dazu verwendeten sie ein spezielles Rastertunnelmikroskop, mit dem sie ein einzelnes Kohlenmonoxid-Molekül 'anfassen' und dem Eisenatom als Bindungspartner 'anbieten' konnten.
Für Wissenschaftler ist es sehr wichtig zu wissen, unter welchen Bedingungen sich chemische Verbindungen bilden und wie deren Moleküle aussehen. Daraus lassen sich unter anderem die Wechselwirkungen der einzelnen Bindungspartner untereinander ableiten. Solches Verständnis kann zu einer besseren Kontrolle chemischer Reaktionen führen, aber auch zu neuen Möglichkeiten, komplexe Moleküle mit Hilfe ungewöhnlicher Methoden herzustellen.

Wilson Ho und Hyojune Lee von der Cornell University haben nun mit einem speziellen Rastertunnel-Mikroskop (RTM), ein Molekül Eisencarbonyl aus einem Kohlenmonoxid-Molekül und einem Eisenatomen hergestellt. Das RTM war von Hos Gruppe weiterentwickelt und gebaut worden. Herzstück des Mikroskops ist eine Metallspitze, die sich in einem Abstand von einem Nanometer (ein millionstel Millimeter) über die jeweilige Oberfläche bewegt. Zwischen Oberfläche und Spitze fließt ein sehr geringer Strom, der sogenannte "Tunnelstrom". Während die Spitze die Oberfläche abtastet, hebt und senkt sie sich, so daß der Tunnelstrom immer konstant bleibt. Die Auf- und Abbewegung zeichnet ein Computer auf und setzt sie in eine hochaufgelöste Relief-Karte, die sogar einzelne Atome zeigt. Ho und seine Gruppe haben das Gerät so entwickelt, daß sie mit dem Stift einzelne Atome und Moleküle von einer Oberfläche oder aus einer Verbindung lösen können. Zusätzlich messen sie den Strom, der durch den Stift und ein einzelnes Molekül fließt, und erhalten dadurch charakteristische Aussagen über die chemischen Bindungen.

In ihren letzten Experimenten arbeiteten die Forscher mit einer Probe im Vakuum, bei 13 Kelvin (-260 Grad Celsius) und verwendeten das RTM, um eine Silberoberfläche abzutasten, auf der Eisenatome und Kohlenmonoxid-Moleküle adsorbiert waren. Mit Hilfe der Spitze orteten sie das Kohlenmonoxid, senkten die Spitze ab und erhöhten die Spannung, so daß der Strom von der Spitze zum Kohlenmonoxid floß und das Molekül angehoben wurde. Anschließend bewegten sie die Spitze in Richtung Eisen und kehrten den Strom dort um. Das Kohlenmonoxid löste sich von der Spitze und ging mit den Eisen eine Verbindung ein, es entstand Eisencarbonyl (Fe(CO)). Diesen Vorgang wiederholten sie ein zweites Mal, so daß ein Eisendicarbonyl (Fe(CO)2) entstand. Nachdem sich eine Verbindung gebildet hatte, nahmen die Forscher jedesmal ein Bild von der Oberfläche auf.

Dabei stellten sie fest, daß das Eisencarbonyl eine kleine Ausbuchtung auf der einen Seite hatte. Das Molekül ist also nicht ganz gerade nach oben ausgerichtet, sondern das Kohlenmonoxid kippt ein wenig zu einer Seite. Im Fe(CO)2 stellten die Forscher zwei Ausbuchtungen fest, die beiden Moleküle Kohlenmonoxid kippen wie zwei "Hasenohren" je zu einer anderen Seite weg. Allerdings können die Forscher noch keine genaue Aussage darüber machen, in welchem Winkel die CO-Moleküle zueinander stehen.

Zusätzlich haben die Wissenschaftler ein Schwingungsspektrum aufgenommen. Dazu haben sie den Stift in einem konstanten Abstand über das Molekül gebracht und die Spannung erhöht. Bei ganz bestimmten Spannungen nehmen die Moleküle die Energie auf. Um die Bindung zwischen Eisen und Kohlenmonoxid nachzuweisen, verglichen die Wissenschaftler das Schwingungsspektrum des neuen Moleküls mit dem, das sie vorher von Kohlenmonoxid erhalten hatten. Eher zufällig entdeckten die Forscher, daß immer dann, wenn das CO-Molekül an dem Stift gebunden ist, die Auflösung des Gerätes zunahm, so daß sie das Gitter von Silberatomen sehen konnten, welches als Unterlage diente. Damit kann man die Bindungsstellen der verschiedenen chemischen Spezies auf der Oberfläche erkennen, meinen die Forscher.

Mit ihrer Arbeit wollten die Wissenschaftler vor allem zeigen, daß es eine Technik gibt, mit der man einzelne Moleküle formen und etwas über ihre Bindungseigenschaften erfahren kann. Doch die Technologie kann vielleicht einmal in der Nanofabrikation eingesetzt werden, wenn man zum Beispiel Materialien auf atomarer oder molekularer Ebene herstellen möchte, meint Lee. "Da wir kleine Moleküle aus Atomen Schritt für Schritt aufbauen können, sind wir in der Zukunft vielleicht auch in der Lage, größere Moleküle aus einzelnen Bestandteilen aufzubauen", sagt er.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.