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News: Kugelmolekül

Schon vor Jahrhunderten rätselten nordamerikanische Ureinwohner über die bläuliche Färbung mancher Quelle auf ihrem Territorium. Obwohl man mittlerweile weiß, dass der Einschlag vom Element Molybdän herrührt, halten die Verbindungen dieses Metalls noch manche Überraschung bereit.
Ringmolekül
Verführerisch mögen sie ja aussehen, die "Blauen Wasser", aber probieren sollte man sie wohl besser nicht. Die Quellen in der Nähe des heutigen Idaho Springs und im "Tal der zehntausend Dämpfe" haben offenbar schon die amerikanischen Ureinwohner fasziniert. Ob jedoch einer von ihnen von dem bläulichen Nass gekostet hat?

Seit rund 200 Jahren weiß man, dass die Färbung des Wassers vom Schwermetall Molybdän herrührt, das zwar essenziell für den Menschen ist, jedoch nur in Spuren. Weitgehend ungewiss war jedoch lange Zeit die Struktur der gelösten Molybdänverbindungen. Erst im letzten Jahrzehnt entdeckte der Bielefelder Chemiker Achim Müller ring- oder reifenförmige Sauerstoff-Verbindungen des Nebengruppenelements: so genannte Polyoxomolybdate. Doch auch diese Verbindungen sind noch für manche Überraschung gut, wie sich nun zeigte.

Zusammen mit amerikanischen Kollegen vom Brookhaven National Laboratory haben die Bielefelder Forscher nämlich die wässrige Lösung dieser Verbindung aufs Korn genommen und dabei zunächst einmal festgestellt, dass es sich um gar keine Lösung im eigentlichen Sinne handelt. Vielmehr bilden die Reifenmoleküle in Wasser eine kolloide Lösung, die sich von einer echten dadurch unterscheidet, dass sie eingestrahltes Licht in alle Richtungen streut. Aber damit nicht genug. Denn eigentlich hätten sich die negativ geladenen Radmoleküle gegenseitig abstoßen sollen, doch elektronenmikroskopische Aufnahmen wiesen auf eine gänzlich andere Struktur hin: Jeweils rund 1000 Moleküle bilden die Oberfläche einer etwa 90 Nanometer großen Hohlkugel.

"Diese Vesikel unterscheiden sich erheblich von den sonst üblichen Exemplaren aus anderen Molekülen, wie etwa Biolipide einer Zellmembran und Tenside in Waschmitteln", erklärt der Physiker Tianbo Liu. Denn anders als bei diesen Beispielen besitzen die radförmigen Moleküle, welche die Oberfläche der Kugeln bilden, keine hydrophilen – Wasser liebenden – und hydrophoben – Wasser abstoßenden Abschnitte. Doch wie wird der Zusammenhalt der Nanokugeln vermittelt?

Wie sich herausstellte, sind die Wasserstoffbindungen des Wassers für dieses Phänomen verantwortlich. "In den Nanometer großen Lücken zwischen den reifenartigen Molekülen kann die Viskosität des Wassers um mehrere Größenordnungen ansteigen", erklärt Liu. Das geschehe aufgrund des geringen Platzangebots, wodurch die Wassermoleküle leichter Bindungen zwischen benachbarten Molekülen ausbilden. "Die Eigenschaften dieses stark Wasserstoff-bindenden Wassers entsprechen eigentlich eher Eis als Wasser. In gewisser Weise wirkt das Wasser zwischen den Molekülen wie ein Klebstoff, der die abstoßenden elektrostatischen Kräfte kompensiert und die Räder an Ort und Stelle 'einfriert'."

Erstaunlich dabei ist, dass sich die Nanokugeln ohne fremdes Zutun aus der Lösung der Radmoleküle bilden und praktisch immer die gleiche Größe besitzen. Die Forscher sprechen schon von einem neuen Lösungszustand anorganischer Ionen. Und dabei können die Polyoxomolybdate gewissermaßen als Modellsystem für drei verschiedenartige Substanzen dienen: Das sind zum einen die Kolloide, zum anderen anorganische Ionen und drittens Polyelektrolyte. Bei letzteren handelt es sich um Makromoleküle, die mehrere dissoziationsfähige Gruppen enthalten, also in wässriger Lösung Gegenionen abspalten können und somit geladene Gruppen zurückbehalten. Wer weiß, welches Geheimnis diese Moleküle noch preisgeben?

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