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News: Magnetisches Kondensat

Rund 70 Jahre hat es gedauert, Einsteins Idee von Atomen zu verwirklichen, die ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich wie ein einziges Superatom verhalten. Nun ließ sich etwa 80 Jahre nach dem Geistesblitz des Physikers offenbar erstmals eine solche wundersame Gemeinschaft an einem magnetischen System beobachten.
Thallium-Kupfer-Trichlorid
Schon Mitte der zwanziger Jahren postulierten Albert Einstein und der indische Physiker Satyendra Nath Bose, dass bei tiefen Temperaturen markante Unterschiede in den Eigenschaften der Materie zu erwarten sind. So sollten Atome und Elektronen ihre Individualität verlieren können und sich zu einem einheitlichen, größeren Komplex mit neuen Eigenschaften vereinen – einem Bose-Einstein-Kondensat.

Die Bedeutung der Bose-Einstein-Kondensation wurde in Fachkreisen lange nicht erkannt und eher als theoretische Übung eingestuft. Erst als Wissenschaftler Ende der dreißiger Jahre den supraflüssigen Zustand von Helium-4 entdeckten – also das viskositätsfreie Verhalten des flüssigen Edelgases –, besannen sie sich auf das seltsame Phänomen. Es sollte jedoch bis 1995 dauern, bis sich einzelne Atome auf tiefste Temperaturen abkühlen ließen und sich so tatsächlich eine Art Superatom bildete.

Nun gelang es Forschern des Paul Scherrer Instituts im schweizerischen Villigen zusammen mit Kollegen der ETH Zürich und der Universität Bern erstmals, ein Bose-Einstein-Kondensat für ein magnetisches System nachzuweisen. So sind bei der Verbindung Thallium-Kupfer-Trichlorid die magnetisch aktiven Kupferatome paarweise angeordnet und untereinander mit antiparalleler Ausrichtung der magnetischen Momente gekoppelt. Diese Kopplung führt allerdings dazu, dass die Verbindung nach außen nicht magnetisch erscheint, erst beim Anlegen eines äußeren Magnetfeldes setzt eine ungewöhnliche Art magnetischer Ordnung ein. Mit der konventionellen Magnetismustheorie ließ sich dieses Phänomen nicht erklären, wohl aber mit einem theoretischen Ansatz basierend auf dem Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation.

Um die magnetische Natur der Verbindung und damit das Bose-Einstein-Kondensat nachzuweisen, bedienten sich die Forscher um Christian Rüegg der Neutronenstreuung. Denn bombardiert man eine Probe mit diesen Teilchen, dann lässt sich anhand ihrer Ablenkung nicht nur etwas über die Struktur der Materie, sondern auch über ihre Dynamik sowie ihren Magnetismus in Erfahrung bringen. Wie sich zeigte, war unterhalb einer Feldstärke von ungefähr sechs Tesla – was immerhin mehr als das Hunderttausendfache des Erdmagnetfeldes ist – alles normal. War die Feldstärke jedoch größer, dann ergaben sich deutliche Hinweise dafür, dass sich zumindest ein Teil der magnetischen Momente in jenem quantenmechanischen Zustand befand, den Einstein und Bose einst beschrieben. Seltsam war jedoch, dass es auch angeregte Zustände gab, die davon unberührt schienen.

Eine derartige Koexistenz von magnetischen Anregungen mit unterschiedlichem Charakter ist außergewöhnlich – eine partielle Bose-Einstein-Kondensation, die zu einem bisher nicht bekannten magnetischen Zustand der Materie führt. Immerhin lassen sich damit die ungewöhnlichen magnetischen Eigenschaften der Verbindung Thallium-Kupfer-Trichlorid erklären.

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