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News: Milankovic in der Antarktis

Zahlreiche Sedimentkerne zeugen davon, wie die regelmäßigen Schwankungen der Erdbahnparameter unser Klima beeinflussen. Allein in der Antarktis hat man solche Überlieferungen aus der geologischen Vergangenheit bislang nicht gefunden. Jetzt lässt ein 400 000 Jahre "langer" Kern aus dem Ross-Meer wohl auch die letzten Zweifler an der Milankovic-Theorie verstummen.
Wie ein eiernder Kreisel zieht die Erde ihre Bahn um die Sonne. Die Erdachse schwankt alle 41 000 Jahre um ein paar Grad hin und her - und kreiselt in 21 000 Jahren um eine imaginäre Achse. Selbst die Bahn der Erde um die Sonne ist in 100 000 Jahren mal mehr und mal weniger elliptisch.

Die Folge dieser Unstetigkeit ist, dass sich die Intensität der Sonnenstrahlung auf der Erde und damit das irdische Klimageschehen regelmäßig verändert - ein Zusammenhang, den der österreichisch-ungarische Bauingenieur und Geophysiker Milutin Milankovic (1879-1958) bereits vor mehr als 80 Jahren entdeckte. Die so genannten Milankovic-Zyklen, die periodischen Veränderungen der Erdachsen- und Erdbahnparameter, sollten sich bei der Rekonstruktion erdgeschichtlicher Klimazonen bald als überaus nützlich erweisen.

Die Zeugen dieser Klimaschwankungen sind beispielsweise in den Sedimenten der Tiefsee überliefert. So fanden sich bereits in zahlreichen Kernen aus den tropischen und gemäßigten Breiten Hinweise, dass sich die polaren Eisschilde im Einklang mit den Milankovic-Zyklen ausbreiteten oder zurückzogen. Allein in Kernen aus den Schelfgebieten der Antarktis selbst hat sich dieser Zusammenhang bislang nicht nachweisen lassen.

Im Rahmen des internationalen Cape Roberts Project holten Forscher nun Kerne vom Grund des Ross-Meers zutage, in denen fast 50 Sedimentzyklen vom rhythmischen Vor und Zurück antarktischer Eisschilde zeugen. Genau datierbar waren die Sedimente nicht nur, weil sich in ihnen vulkanische Aschen bekannter Eruptionen und zeitlich exakt einzuordnende Mikrofossilien fanden, sondern auch, weil die Polumkehrungen des Erdmangnetfelds über die Jahrmillionen in bestimmten Mineralen erhielten blieben.

Tim Naish vom neuseeländischen Institute of Geological and Nuclear Sciences hatte den Kern mit zahlreichen Kollegen aus aller Welt bearbeitet, der in der Zeit vor 24,1 bis 23,7 Millionen Jahren entstand - gut zehn Millionen Jahre, nachdem sich in der Antarktis die ersten Gletscher bildeten.

In dem 400 000 Jahre "langen" Kern zeigte sich in charakteristischer Weise, wie sich die antarktischen Eismassen in einem Rhythmus von 41 000 beziehungsweise 100 000 Jahren ausdehnten und zurückzogen - ganz ähnlich wie die mächtigen Eispanzer es während der vergangenen Eiszeiten auf der Nordhalbkugel taten.

Was die Sedimentzyklen besonders eindrucksvoll zeigen, ist die Geschwindigkeit, mit der sich die globalen Klimawandel vollzogen. Temperaturschwankungen von gerade einmal drei bis vier Grad ließen innerhalb von nur 100 Jahren großräumige Vergletscherungen verschwinden. Erst kürzlich hatte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vorhergesagt, dass es in den kommenden 100 Jahren um mehr als fünf Grad wärmer werden könnte. Die Folgen - das zeigen die Sedimentkerne aus der Antarktis - wären dramatisch und träfen nicht erst unsere Enkel.

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