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Ernährung: Milch-Gen verbreitete sich rasend schnell

Noch vor 3200 Jahren konnte kaum jemand in Nordeuropa Milch verdauen. Heute haben nahezu alle Menschen in Europa die nötige Genvariante. Das deutet auf einen extremen Selektionsdruck.
Milch wird aus einem Krug in ein Glas gegossen. Im Hintergrund Kühe.

Milch zu trinken, muss einst einen enormen evolutionären Vorteil verschafft haben. Das schließt eine Arbeitsgruppe um Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz aus der hohen Geschwindigkeit, mit der sich die dafür nötige Erbanlage verbreitete. Binnen nur weniger tausend Jahre setzte sich in Mitteleuropa jene Genvariante durch, dank der auch Erwachsene Milch verdauen können, berichtet das Team in »Current Biology«. Damit sei diese als Laktasepersistenz bezeichnete Eigenschaft der am stärksten selektierte Teil des Genoms.

Das Team analysierte die Überreste von 14 Kriegerinnen und Kriegern, die vor etwa 3200 Jahren im heutigen Mecklenburg-Vorpommern in der Schlacht an der Tollense gefallen waren, sowie 18 Personen aus einer knapp 4000 Jahre alten Fundstätte in Serbien. Dabei tauchte die Genvariante lediglich bei zwei der Tollense-Funde und einmal in Serbien auf. Dagegen tragen heute mehr als 90 Prozent der Menschen in Mitteleuropa das nötige Allel; bereits im Mittelalter waren es zwischen 60 und 70 Prozent.

Um eine andere mögliche Erklärung für den Unterschied auszuschließen, untersuchte das Team zusätzlich 37 menschliche Überreste aus Zentralasien, die mit 4000 bis 6000 Jahren älter als die anderen Funde sind. Viele Fachleute vermuten nämlich, dass die Laktasepersistenz sich nicht in Europa entwickelte, sondern von einwandernden Völkern aus der Region zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer mitgebracht wurde.

Gleich zwei Befunde der Mainzer Arbeitsgruppe sprechen nun jedoch gegen diese Vermutung. Zum einen zeigen Genanalysen der Tollense-Funde, dass die dort gestorbenen Menschen der heutigen Bevölkerng der Region sehr ähnlich sind. Zum anderen fand das Team um Burger bei den Personen aus der Steppe die Genvariante für Laktasepersistenz nicht ein einziges Mal. Daraus schließt das Team, dass dieses Merkmal sich tatsächlich in nur 3000 Jahren durchsetzte; es errechnet, dass in jeder Generation auf je 100 Kinder ohne die Variante 106 mit Laktasepersistenz kamen – ein extrem hoher Wert. Unklar ist, warum die Variante plötzlich so stark begünstigt wurde, in den Jahrtausenden der Viehzucht zuvor aber nicht.

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