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News: Naseweise Eichhörnchen

Längst nicht alle Tiere fristen ihr Dasein als Einzelkämpfer, einige lieben es eher gesellig und verbringen den größten Teil ihres Lebens im Familienkreis - so auch manche Hörnchen. Mitunter setzen sie gar Leib und Leben aufs Spiel - jedoch nur, wenn enge genetische Bande dies rechtfertigen. Um den Verwandtschaftsgrad zu bestimmen, gehen sie immer ihrer Nase nach: In Sekundenbruchteilen entscheiden sie offenbar anhand verräterischer Duftnoten ihres Gegenübers, ob sie es mit einem nahen oder entfernten Angehörigen zu tun haben.
Jungtier mit Duftwürfel
Dank eines sozialen Netzes genießen die im Westen der USA heimischen Hörnchen der Art Spermophilus beldingi vielerlei Vorteile, nicht zuletzt in Gefahrensituationen: Um ihre Nester und den noch hilflosen Nachwuchs vor hungrigen Räubern zu schützen, halten sie im Kampf gegen herannahende Feinde eng zusammen und verteidigen gemeinsam ihr Territorium. Doch nicht selten riskiert ein hilfsbereites Tier Verletzungen oder gar sein Leben, wenn es seine Artgenossen lautstark alarmiert und gleichzeitig zur Zielscheibe des Angreifers wird.

Da ein derartiges Manöver äußerst gewagt ist, gilt es für ein Individuum, sorgsam zwischen Kosten und Nutzen abzuwägen. Auch aus evolutionärer Sicht ist es keineswegs sinnvoll, sein Leben für weit entfernte Verwandte der Familie oder völlig Fremde zu opfern. Denn im Tierreich hat es oberste Priorität, das eigene oder zumindest sehr ähnliches Erbgut zu bewahren und an die Nachkommen weiter zu vererben. Aber wie stellen die Hörnchen fest, welche Artgenossen annähernd identische Gene wie sie selbst besitzen und ob sich daher die Hilfe lohnt? Um den Verwandtschaftsgrad zu erforschen, müssten sie über ein präzises Messgerät verfügen, das den chemischen Code zweifelsfrei zu entschlüsseln vermag.

Und tatsächlich sind die Hörnchen in der Lage, den genetischen Fingerabdruck zu lesen – und zwar mithilfe ihrer Nase, wie Jill Mateo von der Cornell University entdeckte. Ohne ihren Versuchstieren zu schaden, sammelte sie aus deren Gesichtsdrüsen eine große Bandbreite von Duftproben und platzierte diese in gekennzeichneten Plastikwürfeln vor den Eingängen der Wohnhöhlen. Dabei achtete die Forscherin darauf, dass die dargebotenen Gerüche ihren Probanden unbekannt waren.

Anschließend wartete sie auf neugierige Tiere, die sich aus den Bauten wagten, um den fremden Duftmarken auf den Grund zu gehen. Wie sich zeigte, schnupperten die Versuchstiere jedoch unterschiedlich lange an den Geruchsproben: Verbrachten sie eine ganze Weile mit dem Schnüffeln, handelte es sich jeweils um die Duftmischung eines weit entfernten oder gar völlig fremden Artgenossen. Hingegen reichte ein kurzes Naserümpfen aus, um den Geruch eines sehr nahen Verwandten zu erkennen. Je weniger eng die Familienbande und demnach größer die Unterschiede in der Erbsubstanz waren, desto mehr Zeit benötigten die Hörnchen, um den Duftcocktail auszuwerten.

"Die Empfindlichkeit und differenzierte Wahrnehmung ihres Geruchsapparates ist verbüffend", betont Mateo. Ähnlich einem Gaschromatographen vermag dieser die Duftmarken zu analysieren und ermöglicht den Tieren, ihr Gegenüber in den Familienstammbaum einzuordnen. Und diese Informationen sind wahrscheinlich in zweierlei Hinsicht bedeutsam: So erkennen die Tiere in Gefahrensituationen innerhalb kürzester Zeit nahe Angehörige, denen sie hilfreich zur Seite stehen sollten. Und vielleicht können sie darüber hinaus bei der Partnerwahl Inzucht und die damit verbundene höhere Wahrscheinlichkeit von Erbkrankheiten vermeiden.

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