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News: Neue Empfehlungen für die Brustkrebsdiagnostik

Die Entnahme einer Gewebeprobe mit Hilfe einer Hohlnadel könnte Tausenden von Frauen im Rahmen der Brustkrebsdiagnostik einen operativen Eingriff ersparen. Auf dem 80. Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden (12. bis 15. Mai 1999) präsentieren Experten ihre Erfahrungen mit den schonenden minimal-invasiven Methoden der Gewebeentnahme. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß es entscheidend vom Qualitätsmanagement der vorangegangenen Mammographie abhängt, ob sich eine Frau einer Gewebeentnahme unterziehen muß. Den Einsatz der sogenannten Mammaszintigraphie zur Diagnostik hält die Deutsche Röntgengesellschaft jedoch für nicht sinnvoll.
Entdecken Ärzte bei einer Mammographie, einer Ultraschallaufnahme oder einem Magnetresonanz-Tomogramm der weiblichen Brust verdächtige Strukturen, müssen diese genauer diagnostiziert werden. Erst die Untersuchung einer Gewebeprobe (Biopsie) gibt Klarheit, ob es sich um eine gutartige Veränderung oder um einen bösartigen Tumor handelt.

Derzeit werden solche Gewebeproben zumeist operativ gewonnen. Erforderlich sind eine Vollnarkose und ein mehrtägiger Krankenhausaufenthalt. Nach Aussage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ist der Eingriff nicht selten viel zu radikal, das Resultat kosmetisch fragwürdig. Schätzungsweise 300 000 Frauen müssen sich pro Jahr in Deutschland dieser Prozedur unterziehen.

Seit einigen Jahren gibt es eine Alternative zur Operation: Die sogenannte Stanzbiopsie. Bei diesem Verfahren wird eine Hohlnadel unter Röntgenkontrolle in digitaler Sofortbildtechnik zur verdächtigen Stelle geschoben und eine Gewebeprobe quasi ausgestanzt. Eine örtliche Betäubung genügt.

Inzwischen liegen erste Erfahrungen mit einer Weiterentwicklung der "Nadeltechnik" vor, der sogenannten Vakuumbiopsie. Bei diesem Verfahren wird das zu untersuchende Brustdrüsengewebe – ebenfalls unter Röntgenkontrolle – durch eine seitliche Nadelöffnung im Uhrzeigersinn erst angesaugt und dann abgeschnitten. Das Verfahren ist vor allem bei kleinen Veränderungen (unter einem Zentimeter Durchmesser) und bei Mikroverkalkungen sinnvoll, in einem Bereich, in dem die anderen Techniken eine geringere Treffsicherheit haben.

Der Grund für die größere Genauigkeit: Die Ärzte können mit dieser Technik im Vergleich zur Stanzbiopsie bei einem einzigen Eingriff mehr und vor allem zusammenhängendes Gewebe gewinnen. Die kleinen Veränderungen können sogar vollständig entfernt werden. Stellt sich bei der nachfolgenden Laboruntersuchung heraus, daß in der Probe keine bösartigen Zellen enthalten sind, ist diese Diagnose sehr verläßlich, da das Gewebe vollständig entfernt und untersucht wurde. Das diagnostische Verfahren wird dann gleichzeitig zur Therapie. Werden bösartige Zellen entdeckt, ist eine Nachoperation erforderlich.

Das Team um Professor Sylvia Heywang-Köbrunner von der Klinik für Diagnostische Radiologie der Universität Halle hat die Vakuumbiopsie seit 1996 bei mehr als 600 Patientinnen eingesetzt. Bisherige Nachuntersuchungen belegen, daß den Ärzten dabei keine bösartige Veränderung entgangen ist. Bei 94 Prozent der Frauen gab es bei dem Mini-Eingriff keinerlei Komplikationen, bei sieben Prozent traten kleine Blutergüsse auf. Die Hälfte der Frauen gab an, daß sie keinerlei Schmerzen empfunden habe, die andere Hälfte bezeichnete den Eingriff als "gut tolerabel". Insgesamt 95 Prozent der Frauen würden sich dem Eingriff nochmals unterziehen.

Ob sich eine Frau einer Gewebeentnahme unterziehen muß, hängt entscheidend vom Qualitätsmanagement der vorausgegangenen Mammographie ab. Je besser dieses ist, also je besser die Ärzte aufgrund des Röntgenbildes eine Veränderung beurteilen können, desto weniger Frauen müssen sich einer Gewebeentnahme unterziehen. Daß in den USA bei zehn Frauen eine Gewebeentnahme erforderlich ist, damit ein einziger bösartiger Tumor gefunden wird, hält Sylvia Heywang-Köbrunner für nicht akzeptabel: "Dies kann kein Maßstab für Deutschland sein."

Bei der Früherkennung und Diagnostik von Brustkrebs setzen Ärzte neben der Mammographie auch Ultraschall und Kernspintomographie ein. Denn diese Verfahren können in bestimmten Fällen wichtige zusätzliche Bildinformationen liefern. In der Trias ist jedoch die Mammographie die einzige Methode, deren Einsatz im Rahmen der Früherkennung machbar ist und die Brustkrebssterblichkeit nachweislich senken kann.

Es sind allen voran mikroskopisch kleine Verkalkungen im Drüsengewebe, die mit der Mammographie entdeckt werden. Hinter solchen Mikroverkalkungen kann, muß sich aber nicht ein Brustkrebs im Frühstadium verbergen: Etwa jede fünfte verdächtige Mikroverkalkung geht mit einem Brustkrebs einher. Aber nicht jeder Tumor hat Kalkeinschlüsse. Solche Tumoren heben sich darum im Röntgenbild nur schwer vom gesunden Gewebe ab. Auch das dichte Brustdrüsengewebe junger Frauen erschwert die Röntgendiagnostik.

"Darum ist der Ultraschall eine nahezu ideale ergänzende Methode zur Mammographie", stellt PD Dr. Markus Müller-Schimpfle von der Abteilung Radiologische Diagnostik der Universität Tübingen fest. Diese Untersuchung spielt daher die erste und wesentliche Rolle in der bildgebenden Ergänzungsdiagnostik: "Bei schätzungsweise einem Drittel der Patientinnen ist ihr Einsatz sinnvoll und erforderlich", so Müller-Schimpfle.

Gleichwohl hat auch der Ultraschall seine Grenzen: Im frühen, nicht tastbaren Stadium eines Brusttumors, ist es schwierig, mit seiner Hilfe ein normales Fettläppchen von einem kleinen Tumor zu unterscheiden. Doch die technologische Weiterentwicklung bleibt nicht stehen: Mit hochmodernen Ultraschallgeräten können inzwischen auch kleinere Knoten erkannt werden. Vor allem bei dem dichten, nicht fettreichen Drüsengewebe jüngerer Frauen ist die Ultraschall-Diagnostik der Mammographie sogar klar überlegen.

Dennoch gilt: So wertvoll die Methode heute in der Brustkrebsdiagnostik auch geworden ist, die Mammographie ersetzen kann der Ultraschall nicht. Vergleichende Untersuchungen belegen: Nur 60 bis bestenfalls 70 von 100 mit der Mammographie entdeckten nicht tastbaren Mammakarzinome werden auch mit dem Ultraschall erkannt.

Nach brusterhaltenden Operationen oder dem plastischen Wiederaufbau der Brust mit einer Prothese bereiten nachfolgende Kontrolluntersuchungen mit Mammographie oder Ultraschall zur Früherkennung erneuten Tumorwachstums erhebliche Probleme: Verdichtungen und Vernarbungen nach Strahlentherapie und Operation machen die Aufnahmen oft schwer beurteilbar.

Anders bei der Magnetresonanz-Tomographie. Mit ihrer Hilfe kann ab dem ersten Jahr nach Bestrahlung zwischen einer narbigen Veränderung und einem Tumor sehr gut unterschieden werden. Darum ist diese Untersuchung bei jenen Frauen sinnvoll, bei denen andere Untersuchungsverfahren keine eindeutigen Befunde liefern.

Als generelle Ergänzungsdiagnostik hat die Magnetresonanz-Tomographie hingegen nur eingeschränkten Wert: Sie zeigt zwar Veränderungen im Brustgewebe mit hoher Präzision an. Doch entsprechend hoch ist auch das Risiko, daß ein gutartiger Befund bösartig erscheint und dadurch weitere diagnostische Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Hinzu kommt, daß die Methode sechs Mal teurer ist als eine Ultraschall-Untersuchung. "Darum wird die Magnetresonanz-Tomographie – nicht nur in der Nachsorge, sondern auch als Zusatzdiagnostik vor brusterhaltenden Eingriffen eingesetzt, um die Ausbreitung von Tumoren sehr genau lokalisieren zu können", stellt Müller-Schimpfle fest.

Eindringlich warnt die Deutsche Röntgengesellschaft hingegen vor einer nuklear-medizinischen Methode, die derzeit von sich reden macht: die sogeannte Mammaszintigraphie. Sie soll, so die Verfechter, bei dichter Brust und unklarem Tastbefund zum Einsatz kommen. Doch angesicht der unzureichenden Treffsicherheit "muß von dieser Methode abgeraten werden" resümmiert Müller-Schimpfle die ablehnende Haltung der Radiologen, der sich auch die Deutsche Gesellschaft für Senologie (Lehre von den Erkrankungen der Brust) angeschlossen hat.

Wenn eine Frau einen Knoten in ihrer Brust tastet, kann sie keinesfalls sicher sein, daß dieser Knoten tatsächlich gutartig ist, wenn die Mammaszintigraphie keine Hinweise auf einen bösartigen Tumor liefert. Ebenso fehlt der Nachweis, daß mit der Mammaszintigraphie bei dichtem Drüsengewebe kleine Tumoren besser erkannt werden können als mit Ultraschall. Dafür ist die Mammaszintigraphie zehn bis zwölf Mal so teuer wie eine Ultraschall-Untersuchung und vier bis fünf Mal so teuer wie eine Mammographie – und geht mit einer Strahlenbelastung einher. "Darum", so die Schlußfolgerung von Müller-Schimpfle, "erhöht dieses Verfahren keineswegs die Sicherheit, sondern nur die Kosten."

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