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News: Neutronenwalzer

Teilchenstrahlen sind ein beliebtes, aber recht schwer zu erzeugendes Hilfsmittel für Physiker. Um so schmerzhafter ist es, wenn sie die Hälfte ihrer wertvollen Strahlen wieder herausfiltern müssen, weil sie für ihre Versuche Teilchen benötigen, die alle denselben Spin haben. Doch vielleicht gehört das nun der Vergangenheit an. Mit Hilfe eines permanenten und eines oszillierenden Magnetfeldes ist es Wissenschaftlern gelungen, den Drehimpuls von Neutronen ganz in ihrem Sinne zu beeinflussen und den Strahl mehr oder weniger zu polarisieren.
Neutronen haben einen Spin, aber leider zeigt er nicht bei allen in die gleiche Richtung. Diese Eigenheit mögen Physiker gar nicht, denn für ihre Forschungszwecke benötigen sie normalerweise Teilchen, die sich einheitlich verhalten. Die einzige Methode, einen solchen Strahl zu bekommen, war bisher, die Neutronen mit falschem Spin herauszufiltern. Neutronenstrahlen aber sind etwas ganz Besonderes, schließlich können sie nur in bestimmten Teilchenbeschleunigern oder mit einem Kernreaktor hergestellt werden – und so etwas Wertvolles wirft natürlich niemand gern weg.

Hartmut Abele, Ulrich Schmidt und ihren Kollegen von der Universität Heidelberg könnten da womöglich für Abhilfe sorgen. Sie entwickelten eine Versuchsanordnung, bei der nicht aussortiert wird, sondern alle Neutronen auf eine Richtung eingeschworen werden (Physical Review Letters vom 10. April 2000). Dafür schickten die Forscher einen Strahl niedrigenergetischer Neutronen durch eine lange elektrische Spule, die ein permanentes Magnetfeld in Richtung des Strahls erzeugte. Wenn die Neutronen in die Spule eintraten, wurden diejenigen verlangsamt, deren Spin parallel zu den Feldlinien ausgerichtet war, während die Teilchen mit antiparallelem Spin beschleunigt wurden. Im Inneren des Zylinders erzeugte eine weitere, kleinere Spule ein senkrecht zu dem Strahl stehendes, oszillierendes Magnetfeld, das die Drehimpulse der Neutronen immer wieder umkehrte. Über die Stärke dieses zweiten Magnetfeldes konnten die Forscher die Neutronen mit parallelem Spin dazu bringen, sich einmal mehr zu drehen als ihre sich gegensinnig bewegenden Pendants. Am Ende der Spule sollten dann alle Teilchen dieselbe Spinrichtung aufweisen.

Ganz so erfolgreich waren die Heidelberger Wissenschaftler bei ihren Versuchen allerdings nicht. Das permanente Magnetfeld der großen Spule war nicht ganz einheitlich, wodurch sich der Drehimpuls mancher Neutronen zu oft umkehrte. Die Gesamtausbeute betrug aber immerhin zwei zu eins, und die Forscher sind zuversichtlich, dass sie dieses Ergebnis mit einer besseren Spule noch auf neun zu eins steigern können.

Paul Huffman vom National Institute of Standards and Technology in Gaithersburg sieht eine ganze Reihe von Anwendungen für diese neue Methode, insbesondere dann, wenn sie sich auch bei hochenergetischen Strahlen bewährt, wie sie normalerweise zur Erforschung von Materie eingesetzt werden. "Wenn man [Neutronen] polarisieren kann, ohne dafür die Hälfte des Strahls wegwerfen zu müssen, kann man immer nur gewinnen", meint er.

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