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News: Proteine prägen Proteine

Prionen sind körpereigene Proteine, deren eigentliche Funktion bislang unklar ist. Fest steht, daß sie bei tödlichen Hirnkrankheiten wie dem Rinderwahnsinn (BSE) oder der Creuzfeldt-Jacob-Erkrankung (CJD) eine zentrale Rolle spielen. Denn nach einer Infektion mit einem pathogenen Prion verändern sie ihre Form und bilden Proteinklumpen im Gehirn aus. Das krankmachende, exogene Prion verursacht diese Formwandlung - es funktioniert wie eine Schablone. Schweizer Forscher formen die verklumpenden Proteine wieder einfach zurück - mit einer weiteren Schablone.
Prionen-Krankheiten gelten als besonders heimtückisch und waren bis vor kurzem praktisch gar nicht zu diagnostizieren – jedenfalls nicht vor Ableben des erkrankten Individuums. Selbst der Infektionsweg ist bei einigen dieser Erkrankungen noch weitestgehend unklar. Zumindest weiß man heute, daß eine Infektion über die Nahrungskette zwischen verschiedenen Spezies weitergegeben werden kann. Auch eine Heilung steht bislang nicht in Aussicht, denn die Wechselwirkungen der fremden Proteine mit den körpereigenen ist sehr kompliziert.

Im Tierversuch konnten der Neurobiologe Claudio Soto mit seinen Kollegen vom Serono Pharmaceutical Research Institute in Genf demonstrieren, daß die krankmachende Verformung der körpereigenen Prionen reversibel ist. Bei Hirnerkrankungen wie dem Rinderwahnsinn, Scrapie bei Schafen oder CJD beim Menschen formen fremde Prionen die körpereigenen in "klebrige" Strukturen um. Diese heften sich im Krankheitsverlauf aneinander und bilden regelrechte Klumpen aus, was die Hirnfunktionen so massiv beinträchtigt , daß die Infektion schlußendlich zum Tod führt.

Pathogene Prionen infizieren noch gesunde Proteine, indem sie sich anlagern und die helicalen Bereiche gewissermaßen auseinanderziehen. Aus der vorher schraubigen Anordnung wird dadurch das eher ebene beta-Faltblatt, das an einen Papierfächer erinnert. Nach dieser Wandlung haben beide Proteine dieselbe Struktur, was bedeutet, daß sich die Infektion immer weiter – und vor allem schneller – ausbreitet.

Soto und seine Kollegen entwickelten jetzt ein Peptid, daß diesen Vorgang umkehren kann (The Lancet vom 15. Januar 2000). Diesen "beta-breaker" testeten sie an infektiösen Prionen, die sie aus Scrapie-infizierten Mäusen und aus Verstorbenen, die einer Creutzfeldt-Jacob-Infektion erlagen, isoliert hatten. Die Ergebnisse sprachen für sich: Je mehr sie von dem künstlichen Peptid zugaben, um so mehr beta-Faltblätter verwandelten sich zurück in die natürliche Helix-Form. Die Forscher vermuten, daß ihr Peptid das Zusammenkleben verhindert. In einer Studie mit infizierten Mäusen konnten sie mit dem künstlichen Protein den Ausbruch der Krankheit zwar nicht verhindern, jedoch das Auftreten von Symptomen von 5,5 auf 7,5 Monate herauszögern. Nach Sotos Worten bedeutet dies eine anfängliche Reduktion der infektiösen Prionen um 90 Prozent. Die Forscher hoffen nun, daß das Peptid sogar vor einer Infektion schützt, indem es jedes berührte Prion in seiner natürlichen Struktur stabilisiert.

So mancher Wissenschaftler sieht in dieser Strategie sogar ein wirksames Prinzip gegen die Alzheimer-Krankheit oder vergleichbare Erkrankungen. In diesen Fällen klumpen ebenfalls körpereigene Proteine zusammen, der Effekt beruht hier allerdings nicht auf einer Prioneninfektion. Durch paßgenaue synthetische Peptide ließe sich vielleicht in ferner Zukunft der Ausbruch einer Alzheimer-Erkrankung unterdrücken. Einige Stimmen warnen jedoch vor allzu großer Hoffnung: Peptide sind keine guten Therapeutika, da sie in der Regel sehr instabil sind und außerdem Abwehrreaktionen des Körpers provozieren.

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