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News: Quecksilber in der Nahrungskette

Als Bestandteil von Amalgam ist das silberglänzende Flüssigmetall in nahezu aller Munde. Ob es sich dort auf unsere Gesundheit auswirkt, ist umstritten. Aber beim Verbrennen fossiler Energiequellen in die Atmosphäre abgegebenen Dämpfe des Elementes sind eindeutig schädlich. Denn diese gewöhnlich trägen Dünste verbünden sich bei starker Sonneneinstrahlung mit Substanzen im Meerwasser und gelangen auf diesem Wege letztlich auch in die Nahrungskette.
Als einziges Metall ist Quecksilber bei Raumtemperatur flüssig und geht unter diesen Bedingungen aufgrund seines hohen Dampfdruckes bereits in den gasförmigen Zustand über. In kleinen Mengen ist das extrem giftige Element mit dem silberweißen Glanz praktisch überall auf der Erde verteilt, so auch im Meerwasser und in Vulkangasen. Doch auch der Mensch trägt nicht unwesentlich dazu bei, dass das Metall in immer größeren Konzentrationen in die Umwelt gelangt: Allein das Verbrennen von fossilen Energieträgern setzt jährlich über 4000 Tonnen Quecksilber frei, die größtenteils als Dämpfe in die Atmosphäre gelangen.

Gewöhnlich ist das gasförmig vorliegende Element reaktionsträge und tritt nicht allzu leicht von der Atmosphäre in Ökosysteme über. Dies ist erst möglich, wenn sich Reaktionspartner finden, welche die Quecksilberdämpfe oxidieren. Doch einmal in Quecksilberoxid überführt, kann es sich wiederum in Methylquecksilber verwandeln. Dies reichert sich mit der Zeit immer stärker in der Nahrungskette an und bedroht schließlich auch den Menschen als eines der letzten Kettenglieder im Nahrungsnetz: In großen Mengen aufgenommenes Quecksilber kann unter anderem Demenzerkrankungen und Geburtsschäden hervorrufen.

Ungewöhnlich hohe Konzentrationen des Flüssigmetalls finden sich in arktischen Fischen und Säugetieren und gefährden insbesondere die Inuit Nordamerikas. Schon vor einigen Jahren entdeckten Wissenschaftler, dass nach dem langen Polarwinter hohe Quecksilbermengen in die arktischen Ökosysteme freigesetzt werden – und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem sich die arktische Flora und Fauna entfaltet und somit am empfindlichsten ist. Diese regelrechten Schübe führten die Forscher auf den Schnee zurück, der infolge der Sonneneinstrahlung verstärkt zu schmelzen beginnt.

Lange Zeit konnten sie sich jedoch nicht erklären, welche Vorgänge die Quecksilberwerte ansteigen lassen. Doch nun deckten Julia Lu und ihren Kollegen vom Meteorological Service of Canada and Toronto den Mechanismus auf, der hinter diesem rätselhaften Phänomen steckt. Im Rahmen ihrer Untersuchungen maßen sie sowohl die Werte der Quecksilberablagerungen als auch die bodennahen Ozonwerte an der Forschungsstation in Alert – hoch in der kanadischen Arktis.

Beim Vergleich der Quecksilberhöchstwerte mit dem Ausmaß des Ozonabbaus, zeigte sich eine erstaunliche Übereinstimmung: Die Spitzenwerte des oxidierten Metalls traten im Frühjahr genau zu dem Zeitpunkt auf, wenn die im Meereswasser angereicherten Brom- und Chloroxide das oberflächennahe Ozon verstärkt abbauten. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass jene Substanzen nicht nur das Ozon in der Troposphäre ausdünnen, sondern ebenfalls das Quecksilber oxidieren. "So bald die Sonne herauskommt, setzt sie diese photochemische Reaktion in Gang", erläutert Lu.

Wie Ralf Ebinghaus vom Institute for Coastal Research in Geesthacht betont, hätte niemand eine derartige atmosphärische Reaktion erwartet. Doch auch er hält Brom- und Chloroxide für wahrscheinliche Kandidaten, denn ein ähnlicher Prozess ist in der Antarktis zu beobachten. Laborstudien sollen nun den genauen Reaktionsmechanismus enthüllen. Und anhand weiterer Untersuchungen wollen Forscher klären, ob sich die erhöhten Quecksilberwerte im Frühjahr auch in Tieren und Menschen widerspiegeln.

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