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News: Reif für die Signalweitergabe

Bei der Informationsübertragung im Gehirn spielen kleine Bläschen, die Botenstoffe enthalten, eine ganz große Rolle. Diese Vesikel verschmelzen bei angeregten Zellen mit der Zellmembran und schütten so ihren Inhalt in den Spalt zwischen zwei Nervenzellen. Wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben, müssen diese Bläschen jedoch einen Reifungsprozeß durchlaufen, bevor sie ihre Aufgabe erfüllen können.
Nervenzellen bestehen aus dem Zellkörper und einem langen Fortsatz, dem Axon, das an einer sogenannten Synapse auf eine nachgeschaltete Nervenzelle stößt. Wenn ein Neuron erregt wird, generiert es ein elektrisches Signal – das Aktionspotential – , das über das Axon zur Synapse geleitet wird. Dort löst das ankommende Signal die Ausschüttung von Neurotransmittern aus, die über den synaptischen Spalt zur Empfängerzelle diffundieren und deren physiologischen Zustand ändern.

Die synaptischen Vesikel, kleine Transportbehältnisse für die Neurotransmitter, sind die Schlüsselorganellen bei der Reizübertragung. Sie werden von Endosomen abgeschnürt und mit den Botenstoffen gefüllt. Dann wandern sie in die aktive Zone und reifen dort heran. Das ist ein essentieller Schritt, denn nur ausgereifte Vesikel können mit der Zellmembran fusionieren. So bestimmt die Zahl dieser Bläschen die Funktionalität der Synapse.

An diesem Vorgang sind eine ganze Reihe von Proteinen beteiligt, welche die Anzahl der Vesikel regulieren. Wenn eine Zelle erregt wurde, verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran und entlassen die Botenstoffe in den synaptischen Spalt. Die Nervenzellen können die Ausschüttung sofort einleiten, da sie auch unter Ruhebedingungen eine gewisse Zahl an Vesikeln bereithalten, die bei Anregung zur unmittelbaren Verfügung stehen. Anschließend werden die vesikulären Proteine und Lipide durch Endocytose wieder aufgenommen und in den Endosomen für einen erneuten Gebrauch aufbereitet.

Das Heranreifen der Vesikel wurde aus zahlreichen Experimenten gefolgert, konnte bisher aber nicht direkt nachgewiesen werden. Iris Augustin vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen züchtete einen Mäusestamm, dem das synaptische Protein Munc13-1 fehlt. Dieses Protein spielt im Reifungsprozeß der Vesikel eine Rolle. In enger Zusammenarbeit mit Christian Rosenmund vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und Thomas C. Sudhof vom University of Texas Medical Center in Dallas entdeckte sie, daß die Mäuse, denen dieses Protein fehlte, direkt nach der Geburt starben, weil die Nervenzellen keine nutzbaren Vesikel enthielten, die Neurotransmitter ausschütten konnten (Nature vom 29. Juli 1999). Mit elektrophysiologischen Methoden und Strukturanalysen konnten die Wissenschaftler nachweisen, daß in Synapsen, denen Munc13-1 fehlt, kein Reifungsprozeß ablief und damit keine Signalweiterleitung von einer Nervenzelle zur nächsten möglich war. Das zeigte sich jedoch nur bei Zellen, die den anregenden Botenstoff Glutamat ausschütten, während Zellen mit anderen Neurotransmittern trotz fehlendem Munc13-1 ungehindert funktionierten. Die Wissenschaftler sehen darin einen Hinweis darauf, daß es je nach Neurotransmitter verschiedene Reifungsprozesse gibt.

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