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Elektrochemie: Röhrenzauber

Bizarre Formen und Strukturen lassen sich in Tropfsteinhöhlen bewundern. Über Jahrtausende hatte die Natur Zeit, fantastische unterirdische Welten in Karstgebieten zu formen. Im Labor geht es mitunter schneller.
Oxidröhrchen
Ein typischer Schülerversuch: Schlüssel, Münzen und Schrauben – metallene Gegenstände aller Art – werden mit einer dünnen Schicht aus Chrom, Kupfer oder Nickel überzogen. Das aufzutragende Metall oder die Legierung liegt bei einer solchen Galvanisation in wässriger Lösung in Ionenform vor, wobei das Werkstück in dieser Lösung baumelt und die Kathode bildet. Das elektrische Gegenstück, die Anode, besteht meist selbst aus dem abzuscheidenden Metall, und liefert so weiterhin Ionen, die sich während des elektrochemischen Prozesses an der Kathode ablagern.

Röhrchen mit Bläschen | Kleine Bläschen erzeugen die Röhrenstruktur.
Genau so ein Experiment hat auch David Stone in seiner Garage durchgeführt, wobei der Versuch offenbar misslang. Jedenfalls überlegte Stone schon, sein Versuchsobjekt auf den Müll zu werfen, als ihm kleine Röhrchen auffielen, mit denen das Metallstück bedeckt war. Die Gebilde ähnelten frappierend den Strukturen, die in Tropfsteinhöhlen zu beobachten oder auf Bildern von Hydrothermalquellen zu sehen sind. Fasziniert wandte sich Stone an Raymond Goldstein, seines Zeichens Physiker an der Universität von Arizona.

Gemeinsam untersuchten Goldstein und Stone, unter welchen Voraussetzungen sich die Röhrchen bilden. Dazu füllten sie einen rechteckigen Glaskasten mit einer wässrigen Lösung aus Ammoniak, Eisen und Sulfaten und ließen Strom zwischen der Eisenanode an der Decke des Kastens sowie der Kathode am Boden fließen. Mit einer Mikroskopkamera beobachteten die Forscher das Wachstum der Röhrchen.

Oxidröhrchen | Sieht aus wie eine Hydrothermalquelle ist jedoch das Resultat einer missglückten Galvanisation.
Wie sich zeigte, scheinen kleine Gasbläschen das Röhrenwachstum zu begünstigen. Das Wasserstoffgas wird dabei durch den elektrischen Strom in einem elektrolytischen Prozess, der Wasser in seine Bestandteile aufspaltet, an der Kathode freigesetzt. Bis zu drei Millimeter Größe erreichen die winzigen Bläschen, bis sie sich von der Kathode ablösen und sich in der umgebenden Flüssigkeit lösen. Dabei sind die Bläschen von einem dünnen Film aus Eisenoxid umgeben, das sich bildet, wenn Spuren von Ammoniakgas mit dem Eisen in der Flüssigkeit reagieren.

Immer dann, wenn sich so ein Bläschen von der Kathode ablöst, bleibt dort ein Ring aus Eisenoxid zurück. Der Ring wiederum dient als Führung für neu entstehende Bläschen. Ein geschlossener Kreislauf also, der das Röhrchen Ring um Ring in die Höhe wachsen lässt. Und das geht vergleichsweise schnell. Wachsen Stalagmiten und Stalaktiten über hunderte und tausende von Jahren, so lassen sich im Labor binnen weniger Tage ansehnliche Strukturen züchten. So können die Wissenschaftler genau erkunden, welchen Bedingungen das Wachstum auf welche Weise beeinflussen – vieleicht ein Versuch, der sich auch in der Schule gut durchführen lässt.

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