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News: Sauerstoff wider die Schwerkraft

Der Anblick eines Magneten, der über einem Supraleiter schwebt, ist schon faszinierend genug. Vielleicht fiel gerade deshalb Wissenschaftlern bislang nicht auf, wie sich bei diesem Experiment auf der Oberfläche des Supraleiters Sauerstofftröpfchen bilden, von dieser abheben, in Richtung Magnet fliegen und dort verdampfen.
Meißner-Ochsenfeld-Effekt
Die bekannteste Eigenschaft von Supraleitern ist sicherlich, dass elektrischer Strom durch sie ungehindert – also ohne Widerstand – fließen kann. Doch die Materialien haben noch mehr auf Lager: So sorgt der Meißner-Ochsenfeld-Effekt immer wieder für Staunen. Hierbei schwebt ein Permanentmagnet über einer tiefgekühlten, supraleitenden Scheibe.

Das Phänomen beruht darauf, dass ein Supraleiter stets bestrebt ist, ein äußeres Magnetfeld aus seinem Inneren zu verdrängen. So verhält er sich nicht nur wie ein idealer Leiter, sondern auch wie ein idealer Diamagnet – also ein Material, das einem äußeren Magnetfeld ein umgekehrt gleichgroßes Feld entgegensetzt. Auf diese Weise stößt sich der Magnet von der Scheibe ab und schwebt über dieser. Der Versuch ist dementsprechend denkbar einfach: Man nimmt einen Supraleiter, kühlt ihn unterhalb seine Übergangstemperatur und platziert einen Magneten darüber. Ein Hochtemperatur-Supraleiter eignet sich besonders gut, da sich dieser wegen seiner vergleichsweise hohen Übergangstemperatur mit flüssigem Stickstoff einfach kühlen und zur Supraleitung bringen lässt.

Dabei ist der Effekt allein offenbar schon so faszinierend, dass die Experimentatoren eine Begleiterscheinung bislang glatt übersehen hatten: kleine Sauerstofftröpfchen, die sich auf der supraleitenden Scheibe sammeln und dem Magneten entgegenfliegen. Was anderen entgangen war, beschreiben nun David Wood, Victoria Greener und Damian Hampshire von der University of Durham im Detail. Denn was veranlasst die Tröpfchen zu diesem Sprung? Und woher kommt der Sauerstoff überhaupt?

Nun, die letzte Frage ist schnell geklärt: Da das Experiment in normaler Laborumgebung stattfindet, kondensiert der Luftsauerstoff dessen Siedepunkt mit 92 Kelvin deutlich über dem von Stickstoff mit 77 Kelvin liegt. Weil flüssiger Sauerstoff in Anwesenheit eines Magnetfelds selbst magnetisch wird – es handelt sich um einen Paramagneten –, wird er von dem starken Feld des schwebenden Magneten angezogen. Dort angekommen verdampft er aufgrund der etwas höheren Temperaturen wieder. An der Oberfläche des Supraleiters bildet sich derweil ein neuer Tropfen, sodass sich der Prozess ständig wiederholt. Kondensiert genügend Sauerstoff, so kann er sogar eine Brücke zwischen Supraleiter und Magnet schlagen, wie Wood, Greener und Hampshire zeigten.

Zwar ist das paramagnetische Verhalten von Sauerstoff an sich nichts Neues, doch das Experiment bietet gegenüber anderen Versuchen den entscheidenden Vorteil, dass der benötigte Flüssigsauerstoff allein aus der Luft kommt. Denn mit ihm zu hantieren, ist ansonsten nicht ganz ungefährlich. So hat also der altbekannte Meißner-Ochsenfeld-Effekt für aufmerksame Zeitgenossen eine weitere kleine Attraktion zu bieten, die sich gefahrlos beobachten lässt.

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