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News: Seltsamen Sternen auf den Fersen

Ein neuer seltsamer Stern lauert vielleicht in unserer Galaxie - und ein Astrophysiker vom Weizmann Institute ist ihm dicht auf der Spur. Prof. Vladimir Usov vom Weizmann Institute in Rehovot, Israel, beschreibt in den Physical Review Letters (Ausgabe vom 12. Januar 1998) das dritte und letzte jener Merkmale, durch die Astronomen vielleicht endlich jene seltsamen Sterne identifizieren können, deren Existenz vor ca. 15 Jahren vorhergesagt wurde. Die ersten beiden Merkmale beschrieb Usov in den Astrophysical Journal Letters (Ausgabe vom 1. Juni 1997).
„Von den in unserer Galaxis beobachteten Himmelskörpern sind wahrscheinlich nur eine Handvoll seltsame Sterne. Doch wären diese eine völlig neue Klasse von Himmelsobjekten mit außergewöhnlichen Eigenschaften“, sagt Usov. Durch die von Usovs definierten drei Eigenschaften würden sich seltsame Sterne von den äußerlich sehr ähnlichen Neutronensternen unterscheiden.

Es gibt in unserer Galaxis ca. 1000 beobachtete Objekte, die als Neutronensterne klassifiziert wurden. Usov zufolge könnten jedoch nicht weniger als ein Prozent davon in Wahrheit seltsame Sterne sein. Also vielleicht auch einige der ca. zwanzig rätselhaften Gebilde, die die Astronomen bisher für Schwarze Löcher halten.

Ein Meister der Dichte und Stabilität

Eine positive Identifizierung dieser schattenhaften Himmelsbewohner würde eine wichtige Frage der Teilchenphysik lösen. Sie betrifft das Vorhandensein von Materie, die aus Quarks besteht – der stabilsten Materie im Universum. Die Existenz dieser seltsamen Materie postulierte 1984 Prof. Edward Witten vom Institute for Advanced Study in Princeton. Ihre wichtigste Komponente ist das strange-Quark – einer, von sechs Arten von Quarks, den winzigsten Baublöcken der Materie.

Quarks kommen gewöhnlich nicht als separate Einheiten vor, und einen flüchtigen Blick auf ihre Existenz kann man nur mit Hilfe eines Hochenergie-Teilchenbeschleunigers erhaschen. Daher sind die seltsamen Sterne – sie heißen so, weil sie fast vollständig aus strange-Quarks bestehen sollen – für die Wissenschaftler die einzige Chance, eine größenmäßig bestimmbare und stabile Ansammlung von Quarkmaterie zu beobachten.

„Die Entdeckung eines seltsamen Sternes würde beweisen, daß Quarkmaterie wirklich existiert“, sagt Usov. Bevor Witten seine Theorie zur Quarkmaterie veröffentlichte, nahm man an, daß bei dem extrem hohen Druck in manchen astronomischen Objekten Neutronenmaterie ohne elektrische Ladung am stabilsten sei. Sterne aus Neutronen von etwa 20 km Durchmesser seien – so nahmen die Wissenschaftler an – aufgrund ihrer hohen Stabilität die letzte Stufe in der Entwicklung eines massereichen Sternes (dessen Masse mindestens 1,4mal größer als die der Sonne ist). Neutronensterne entstehen, wenn massereiche Sterne kollabieren; und da sie außergewöhnlich stabil sind, ist es sehr unwahrscheinlich, daß sie noch weiter in sich zusammenstürzen können.

Die hypothetischen seltsamen Sterne wären dann aber ein neues Stadium in der Entwicklung von Sternen. Usov zufolge kann Neutronenmaterie zu Quarkmaterie werden, wenn der Kern eines Neutronensterns ausreichend dicht ist. Neutronensterne sind wie seltsame Sterne nicht nur außergewöhnlich stabil, sondern auch unglaublich dicht: Ein Kubikmeter seltsamer Quarkmaterie würde etwa eine Milliarde Tonnen wiegen.

Die drei Kriterien

Neutronensterne und seltsame Sterne sind etwa gleich groß und dicht. Usov stellte daher theoretische Berechnungen auf, um aufzuspüren, wie sich ein Quarkstern, verglichen mit einem Neutronenstern, anders verhalten würde.

Er verwandte folgende drei Kriterien:

1. Ein seltsamer Stern strahlt ca. 10 bis 100mal mehr Röntgenstrahlen aus als ein Neutronenstern.

2. Ein seltsamer Stern emittiert seine ausgestrahlten Röntgenstrahlen in Pulsen von jeweils etwa einer Millisekunde.

3. Ein seltsamer Stern besteht zwar fast vollständig aus Quarks, enthält aber auch eine geringe Menge Elektronen. Da die negativ geladenen Elektronen dem Stern entfliehen wollen, wird über seiner Oberfläche ein äußerst starkes elektrisches Feld erzeugt. Dadurch entstehen spontan Paare von Elektronen und deren positiven Antiteilchen, den Positronen. Die Elektronen und Positronen vernichten sich, wenn sie aufeinander treffen, wodurch wiederum energiereiche Gammastrahlung frei wird. Diese „Paarvernichtungsstrahlung“ kann der Astronom dann aufspüren.

„Entspricht ein kompaktes Objekt diesen drei Kriterien, ist das gefundene Objekt höchstwahrscheinlich ein seltsamer Stern“, schlußfolgert Usov.

Ein Kandidat Nr. 1

Nach Usovs Aussage haben Astronomen bereits einen wahrscheinlichen Kandidaten für einen seltsamen Stern entdeckt. Es ist eine geheimnisvolle starke Quelle von Röntgenstrahlung, die unweit des galaktischen Zentrums liegt. Wissenschaftler bezeichnen sie als 1E1740.7-2942. Zur Zeit hält man das Objekt für ein Schwarzes Loch, doch Usov glaubt an einen seltsamen Stern, da alle drei Kriterien zutreffen.

Siehe auch Spektrum der Wissenschaft 3/94, Seite 38: „Die Suche nach seltsamer Materie“

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