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News: Signal zum Aufbruch

Gewöhnlich gelten Zellen als ortstreu und halten mit ihren unmittelbaren Nachbarn eng zusammen. Nicht so einige entartete Vertreter, die sich mitunter auf Wanderschaft begeben und als bösartige Tumoren in entfernten Körperteilen wuchern. Aber wer erteilt den Zellen das Signal zum Aufbruch? Offenbar reicht bei der Taufliege ein einziges Protein aus, um die normalerweise stationären Gebilde zu mobilisieren.
Zellen vermögen sich zwar zu bewegen, um sich zu verschiedenen Geweben zusammenzuschließen, doch normalerweise sind sie eher sesshaft und eng mit ihren Nachbarn in Kontakt. Krebszellen hingegen sind manchmal ruhelos. Oftmals spalten sich einzelne entartete Zellen ab und dringen losgelöst aus dem Verband entweder in das umliegende Gewebe ein oder besiedeln über die körpereigenen "Verkehrswege" – den Blut- oder Lymphkreislauf – andere Organe.

Allerdings treten sie ihre Reise erst dann an, wenn sie bestimmte Signale von ihrer Umgebung empfangen. Doch worin bestehen diese? Denise Montell und Debra Silver von der Johns Hopkins School of Medicine wählten die Taufliege (Drosophila melanogaster) als Modellorganismus. Der Eierstock der Tiere setzt sich aus über hundert Eikammern aus je 16 Zellen zusammen – 15 "Ammenzellen" und einer Oozyte, die zum Ei heranreift. Jede Kammer ist von einer Schicht aus einigen Hundert Epithelzellen umgeben.

Zu einem bestimmten Entwicklungsstand des Eies löst sich eine kleine Traube aus dem umhüllenden Verband heraus. Den Kern jenes abgespaltenen Haufens bilden die zwei so genannten Polzellen, die von weiteren vier bis acht Zellen eingefasst werden. Diese Zellansammlung bewegt sich auf die Mitte der Eikammer zu, schiebt sich dort angelangt zwischen die Ammenzellen und kommt am Rand der Oozyte zum Stillstand. Wie bereits frühere Forschungen ergaben, sind die beiden Polzellen jedoch alleine nicht mobil, sie sind vielmehr auf die Hilfe der sie umschließenden Zellen angewiesen. Offenbar nutzen sie diese als Reisevehikel, doch rätselhaft blieb bislang, wie sie jenes zelluläre Transportmittel anwerben.

Vermutlich senden die Polzellen ein biochemisches Kurzstreckensignal aus, mit dessen Hilfe sie benachbarte Zellen einfangen, spekulierten die Wissenschaftler. Um diesem Molekül auf die Spur zu kommen, kreierten sie so genannte Mosaik-Fliegen, deren überwiegende Zellen über die gewöhnliche Erbsubstanz verfügten, während einigen Epithelzellen das in Frage kommende Gen fehlte. Diese Manipulation erreichten die Forscher, indem sie gezielt in deren Teilungsprozess eingriffen. Das Gen einfach insgesamt auszuschalten, hätte vermutlich die frühe Embryonalentwicklung gestört und die Tiere getötet. Fehlt die Information hingegen nur in einigen Zellen, ist der Organismus nicht gefährdet.

Als die Wissenschaftler dann Tausende mutierter Taufliegen untersuchten, stießen sie immer wieder auf das Protein Unpaired als Signalgeber, das auch regulierend in die Teilung und das Überleben von Zellen eingreift – sowohl bei Taufliegen als auch beim Menschen. Setzen die Polzellen diesen Eiweißstoff frei, so dockt er an den entsprechenden Rezeptor von benachbarten Epithelzellen an, wodurch das Protein JAK angeschaltet wird. Dieses stellt nun seinerseits einen "Angriffspunkt" für ein weiteres Protein namens STAT dar, welches daraufhin in den Zellkern eindringt und dort bestimmte Gene aktiviert.

Und nicht nur die Polzellen stellen das besagte Protein her und sind dadurch beweglich, sondern jede Epithelzelle, die Unpaired produziert, wird von ihren Nachbarn quer durch die Eikammer gezerrt. Die Freisetzung dieses Moleküles und der in den umgebenden Zellen angeschaltete JAK/STAT-Weg reicht offenbar aus, um die Zellen auf Reisen zu schicken. Im Brennpunkt weiterer Untersuchungen soll nun von Krebs befallenes Eierstockgewebe des Menschen stehen. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob möglicherweise derselbe Mechanismus auch entartete Zellen zu mobilisieren vermag.

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