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News: Spin-Spielereien

Bislang nutzt man in der Elektronik fast ausschließlich die Ladung des Elektrons, sein Spin fristet hingegen eher ein Schattendasein. Dabei versprechen sich Wissenschaftler viel von Bauelementen, die sich dieser Eigenschaft des Ladungsträgers bedienen. Doch bedarf es besserer Methoden, den Spin in gewünschter Weise zu manipulieren. Einen möglichen Weg führten Wissenschaftler nun vor, indem sie ein elektrisches Feld über einer geschickt gewählten Materialkombination anlegten.
Seit weit über hundert Jahren nutzen Menschen Elektrizität, um Licht zu erzeugen, Maschinen anzutreiben und Informationen zu übertragen. Doch ist es in aller Regel allein die Ladung des Elektrons, derer man sich hier bedient. Dabei besitzt das Teilchen auch eine andere Eigenschaft, den Spin, der aufgrund seiner beiden möglichen Werte hervorragend zur digitalen Informationsverarbeitung taugen würde.

Anschaulich beschreibt er die Eigendrehung des Elektrons im, beziehungsweise gegen den Uhrzeigersinn, oder wie Physiker sagen: "Spin rauf" oder "Spin runter". Doch die Achse dieser Drehbewegung muss nicht fest sein. Im Gegenteil: Liegt ein äußeres Magnetfeld an, so beschreibt sie eine Kreisbahn – sie präzediert, ähnlichem einem Kreisel, der eiert. Dabei ist die Frequenz dieser Präzessionsbewegung im Allgemeinen durch das Material festgelegt, in dem sich die Elektronen befinden.

Gian Salis und seinen Kollegen von der University of Santa Barbara gelang es nun, die Spin-Bewegung gezielt zu beeinflussen, ja sogar ganz zu stoppen oder umzudrehen. Um dies zu erreichen, sperrten die Physiker zunächst einige Elektronen ein. Typischerweise nutzt man in der Physik dazu einen so genannten Quantentopf. Das kann eine Struktur aus einem Isolator und einem elektrischen Leiter sein, einem einzelnen Metallpunkt, eingeschlossen in einer isolierenden Matrix beispielsweise. Die Elektronen können dann nicht entfliehen und nehmen je nach Abmessungen ihres Gefängnisses feste Energiewerte ein.

Die Zelle in Santa Barbara hatte aber eine etwas andere Architektur. Denn während der abrupte Übergang von Leiter zu Isolator zu einem kastenförmigen Potenzial für die Elektronen führt – also gleichsam senkrechten Wänden –, so lässt sich durch das Konzentrationsgefälle zweier unterschiedlich leitfähiger Materialien ein beliebiges anderes Potenzial schaffen. Salis und seine Mitstreiter stellten auf diese Weise ein parabelförmiges Potenzial für die Elektronen her.

Im Grunde verhalten sich die Elektronen dort wie Äpfel in einer Hängematte: Sie häufen sich in der Mitte, wo ihre potenzielle Energie am geringsten ist, die Hängematte also am stärksten durchhängt. Indem die Wissenschaftler nun ein elektrisches Feld anlegten, hoben sie quasi das eine Ende der Hängematte hoch, während sie das andere herunter ließen. Die Parabelform blieb erhalten, doch rutschte das Minimum in Richtung des tiefer hängenden Endes.

Für die Elektronen hieß das aber auch, dass sie sich nun in einem Gebiet befanden, das aus einer etwas anderen Materialzusammensetzung bestand. Deshalb änderte sich die Präzessionsfrequenz des Spins. Je nach angelegter Spannung konnten die Wissenschaftler den Spin auf diese Weise sogar still stehen lassen oder die Präzessionsbewegung umdrehen. Wie sie feststellten, funktionierte das Verfahren selbst bei Raumtemperatur hervorragend, was wichtig für potenzielle Anwendungen ist.

Doch wie stellten die Physiker überhaupt die Spin-Präzession fest? Dazu verwendeten sie das Verfahren der so genannten zeitaufgelösten Kerr-Rotation: Sie richteten einen 100 Femtosekunden kurzen Laserblitz zirkular polarisierten Lichts auf den Quantentrog, um darin Elektronen-Loch-Paare zu erzeugen. Einige Pikosekunden später traf dann ein zweiter Laserblitz, dieses Mal jedoch linear polarisiert, auf das Material. Die Schwingungsebene des reflektierten Lichts war dabei um einen charakteristischen Winkel, den so genannten Kerr-Winkel, verdreht. So ließ sich also direkt von der Polarisation des reflektierten Laserlichts auf die Ausrichtung der Elektronenspins schließen. Indem die Forscher die Zeit zwischen den beiden Laserpulsen variierten, konnten sie die Präzession der Spins "beobachten".

Diese Kontrolle über den Spin könnte man nun für ganz neue elektronische Bauelemente nutzen. Vielleicht bringt die Methode auch den Quantencomputer ein Stückchen näher. Denn hier ist eine Idee, den Spin als Informationsträger zu nutzen. Seine beiden Einstellmöglichkeiten bieten sich geradezu an, die digitalen Werte "1" und "0" zu repräsentieren. Anders als ein herkömmliches Bit, kann ein solches Qubit jedoch auch ein Kombination aus beiden Zuständen darstellen, so könnte man mathematische Aufgaben gleichzeitig lösen. Doch das bleibt wohl vorerst noch Zukunftsmusik. David Awschalom aus dem Forscherteam in Santa Barbara geht davon aus, dass zunächst "normale" logische Bauelemente denkbar wären, die verschiedene Aufgaben kombinieren und wesentlich schneller schalten als herkömmliche Elektronik.

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