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News: Treibhauseffekt einmal richtig

Bisher dachten Forscher, dass sich die anfangs wasserreiche Venus infolge des Treibhauseffekts schon kurz nach ihrer Entstehung auf Blei schmelzenden 480 Grad Celsius erhitzte. Doch es könnte sein, dass unser Nachbar ganze zwei Milliarden Jahre lang ein Blauer Planet war.
Treibhauseffekt einmal richtig
Wenn es um die Folgen des Treibhauseffekts geht, ist die Erde eigentlich ein denkbar schlechtes Beispiel. Da zeigt die Venus, wie es wirklich gehen könnte. Einst, da sind sich die Forscher ziemlich einig, war auch unser nächster Nachbar von Meeren bedeckt und verfügte wohl auch über ein erdähnliches Klima.

Doch dann liefen auf dem sonnennäheren Planeten die Dinge aus dem Ruder. Infolge eines Treibhauseffekts erwärmte sich der Planet innerhalb relativ kurzer Zeit derart, dass sämtliches Wasser ins All verdunstete und seither permanent dicke Wolken über der Venus hängen, aus denen es Schwefelsäure regnet. Jahrein, jahraus und tagein und tagaus steht das Thermometer dort ziemlich gleichmäßig bei Blei schmelzenden 480 Grad Celsius.

Zum Vergleich: Auf dem Merkur mit seiner extrem dünnen Atmosphäre schwanken die Temperaturen zwischen minus 180 und plus 430 Grad Celsius - obschon der kleine Planet nur halb so weit von der Sonne entfernt ist wie die Venus.

All das geschah angeblich, als die Venus noch jung, nämlich erst 600 Millionen Jahre alt war - so hat es jedenfalls Jeffrey Kargel von US Geological Survey vor 15 Jahren ausgerechnet.

Doch Kargel lag falsch, behauptet jetzt David Grinspoon vom Southwest Research Institute in Texas. Warum? Weil Kargel bei seinen Modellen einen wichtigen Faktor außer Acht gelassen hat. Einen Faktor, der auch im Treibhaus Erde eine wichtige Rolle spielt und der Erwärmung entgegenwirkt: Wolken.

Auf der Erde ist längst nachgewiesen, dass die Erwärmung des Erdklimas durch Wolken gedämpft wird. Denn steigen die Temperaturen, verdunstet insbesondere über den Ozeanen mehr Wasser. Der Dampf kondensiert zu Wolken, die ihrerseits einen zunehmenden Teil der Sonnenenergie ins All zurückwerfen.

Und genau das passierte auch auf der Venus. Die Meere verschwanden nicht kurzerhand im All, sondern wurden nach Ansicht Grinspoons lange Zeit von einer dichten Wolkenschicht geschützt. Nach seinen Berechnungen war die Venus an ihrer Oberfläche unter der Wolkenjalousie um ganze 100 Grad kühler als ohne diesen Schutz. Somit hatten die Ozeane der Venus wohl mindestens zwei Milliarden Jahre lang Bestand gehabt.

Erst dann - auf der Erde produzierten in dieser Zeit die ersten Cyanobakterien den Sauerstoff unserer Atmosphäre - leerten sich die Venusmeere, verschwanden die Wolken und stand der Erhitzung der Venus nichts mehr im Wege. Schließlich kam sogar die Plattentektonik des Planeten zum Stillstand - vermutlich durch Wassermangel, denn trockene Gesteine haben einen viel höheren Schmelzpunkt. Das Abtauchen alter Kontinentalplatten und die Bildung neuer Kruste entlang von Nahtstellen kamen zum Erliegen.

Und das hatte bald dramatische Folgen: Die Hitze aus dem Inneren des Planeten - wie in der Erde auch erzeugt durch den Zerfall radioaktiver Elemente - konnte nicht mehr abgeführt werden, staute sich und entlud sich vor rund 700 Millionen Jahren, als die gesamte Venusoberfläche offenbar geschmolzen wurde.

Dieses letzte geologische Ereignis von globalem Ausmaß hat man bisher niemals richtig erklären können. Denn hätte Kargel Recht, wäre die Plattentektonik schon vor rund vier Milliarden Jahre zum Erliegen gekommen, und die Aufschmelzung der Venusoberfläche infolge Hitzestaus schon viel früher erfolgt. Jetzt, so scheint es, ist sie die unmittelbare Folge des langsamen Wandels von einer Blauen Venus hin zum Schmelzofen.

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