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News: Voll daneben

Im Labor, den Ionosphären von Planeten und interstellaren Gaswolken ist es ein recht häufiger Vorgang: Elektronen rekombinieren mit positiv geladenen Ionen, die danach häufig zu anderen Molekülen zerfallen. Dennoch ist dieser Vorgang noch lange nicht gut genug verstanden, denn die theoretisch errechnete Geschwindigkeit der Rekombination von Wasserstoffmolekülen weicht um mehr als den Faktor Zehn von neuen experimentellen Daten ab.
Mit einer neuen Technik haben Physiker des Max-Planck-Instituts für Kernphysik und des Weizmann Institute of Science die Rekombinationsgeschwindigkeit von molekularem Wasserstoffionen mit freien Elektronen in Abhängigkeit vom anfänglichen quantenmechanischen Vibrationszustand gemessen (Science vom 3. Juli 1998). Sie nutzten dazu den Test Storage Ring (TSR) am Max-Planck-Institut, in welchem schnelle Atom- oder Molekülstrahlen für Sekunden bis Minuten gespeichert werden können – eine Möglichkeit, die nur wenige Speicherringe für schwere Ionen bieten. Während die Ionen sich im Ring befinden, können sie mit einem Elektronenstrahl gemischt werden, so daß die Rekombination abläuft.

Die Hauptschwierigkeit beim Studium des Prozesses liegt darin, daß molekulare Ionen aus dem Labor üblicherweise eine große Innere Energie besitzen, die im wesentlichen aus Vibrations- und Rotationsenergie besteht. Molekülionen in der Ionosphäre eines Planeten oder interstellaren Wolken haben dagegen nur sehr wenig Innere Energie. Die dissoziative Rekombination reagiert aber bekannterweise sehr empfindlich auf die Innere Energie. Experimentelle Forschungsansätze hatten darum mit dem Problem zu kämpfen, zunächst einmal große Mengen "kalter" Ionen produzieren zu müssen. Der direkte Vergleich von Versuchsdaten mit theoretischen Vorhersagen war grundsätzlich nicht sinnvoll. Unter Ausnutzung der Kapazität des TSR können die Ionen allerdings so lange gespeichert werden, bis ihre anfängliche Vibrationsanregung vollständig abgeklungen ist.

In ihren neuesten Versuchen haben die Wissenschaftler am TSR den zu Beginn "heißen" Molekülionenstrahl nach unterschiedlich langen Speicherzeiten – und damit verschiedenen Vibrationszuständen – mit einem Elektronenstrahl vermischt. Mit Hilfe der Coulomb Explosion Imaging-Technik haben sie dann "Bilder" der Kernpositionen innerhalb der Moleküle aufgenommen, woraus sie die Wellenfunktion der Kerne und deren interne Bewegungen bestimmen konnten. Gleichzeitig haben die Physiker den Rekombinationsprozeß am selben Teilchenstrahl gemessen.

Das Experiment mit Ionen von Wasserstoffmolekülen aus dem normalen (H) und dem schweren Isotop (Deuterium, D) ergab, daß für manche quantenmechanische Schwingungszustände selbst bei dem einfachen HD+ Abweichungen von mehr als einer Größenordnung zwischen Theorie und Experiment auftraten. Es wartet also noch eine Menge Arbeit auf die Theoretiker, bis ihre Modelle zu den Beobachtungen passen.

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