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News: Warum Diabetiker häufiger an Grippe erkranken

Im Laborversuch zeigen diabetische Mäuse eine höhere Anfälligkeit, an Grippe zu erkranken, als ihre gesunden Artgenossen. Dies führen Wissenschaftler auf den erhöhten Glucosespiegel im Blut zurück, der bestimmte Abwehrmechanismen der Tiere behindert.

Beim Diabetes liegt ein Insulinmangel vor, der zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Wird die Zuckerkrankheit unzureichend behandelt, können zahlreiche Komplikationen auftreten. So erkranken Patienten nicht nur häufiger, sondern meist auch schwerer an Grippe. Es treten unter anderem vermehrt Stoffwechselentgleisungen und bakterielle Lungenentzündungen auf, was letztendlich in einer höheren Sterberate resultiert. Warum dies so ist, versuchten Wissenschaftler von der University of Melbourne, vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research und von der Washington University zu klären. Ihre Ergebnisse haben sie im Journal of Virology vom August 1998 (Abstract) veröffentlicht.

Die Forscher verabreichten gesunden und diabetischen Mäusen Grippeviren und verglichen deren Wachstumsrate in den Lungen der Tiere. Dabei stellten sie fest, daß die Vermehrung der Erreger direkt mit den Blutglucosewerten korreliert: Je höher der Glucosespiegel, desto besser konnten sich die Viren in der Lunge vermehren und umso heftiger verlief folglich auch die Erkrankung. Wurden die diabetischen Mäuse mit Insulin behandelt und ihre Blutzuckerwerte so in den Normbereich gesenkt, vermehrten sich die Grippeerreger dagegen nicht anders als bei den gesunden Mäusen. Ein möglicher antiviraler Effekt des Insulins selbst konnte dabei ausgeschlossen werden.

In weiteren Untersuchungen zeigten die Wissenschaftler, daß ein erhöhter Blutglucosespiegel, wie er auch bei unzureichend behandelten Diabetikern auftritt, die Collectin-vermittelte Erregerabwehr des Immunsystems behindert. Collectine sind Proteine, die an körperfremde Kohlenhydrate – zum Beispiel solche von Krankheitserregern – binden und helfen, diese unschädlich zu machen. Eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Grippeviren spielt das in der Lunge vorkommende Collectin, das lung surfactant protein D (SP-D). Wurden den Tieren Grippeviren gegeben, die gegen SP-D resistent sind, zeigte sich bei beiden Mäusegruppen kein Unterschied in der Vermehrung der Erreger.

Die Forscher vermuteten, daß Glucose das lung surfactant protein blockiert, und weitere Experimente im Reagenzglas bestätigten diese Annahme: Werden Grippeviren mit SP-D und Glucose inkubiert, so sind die Viren etwa 2000mal infektiöser als bei einer Zucht ohne Glucose. Wie stark der Zucker die Vernichtung der Viren hemmt, ist abhängig von seiner Konzentration. Bei einem Glucosegehalt von 20 – 25 mM, wie er etwa bei Diabetikern im Blut gefunden werden kann, ist die Virusneutralisation im wesentlichen aufgehoben, während sie im Normbereich von 5 – 10 mM stattfindet.

Geht man davon aus, daß die Glucosekonzentration im Blut identisch ist mit jener im Surfactant der Lunge – dem Stoff, der die Lungenbläschen auskleidet und verhindert, daß sie beim Ausatmen zusammenfallen –, sprechen diese Ergebnisse dafür, daß bei Diabetikern die Collectin-vermittelte Erregerabwehr behindert wird und deshalb häufiger Grippeerkrankungen auftreten.

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