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News: Wasserstoff "on the rocks"

Schon seit längerem ist bekannt, dass Eis - in Gestalt so genannter Klathrate oder Hydrate - Gase wie Methan speichern kann. Nun ist es Forschern erstmals gelungen, auch Wasserstoffmoleküle in Eiskäfige zu sperren - mit vielleicht kosmischen Auswirkungen.
Einer der alltäglichsten Stoffe ist scheinbar immer für eine Überraschung gut. Die Rede ist von Eis. So machten vor einigen Jahren riesige Lagerstätten brennenden Eises im Meer Schlagzeilen. Es handelte sich dabei um Methanhydrate: eine Käfigverbindung aus Eismolekülen, die unter großem Druck und niedrigen Temperaturen das etwa 160fache ihres Eigenvolumens an überaus energiereichem Methan speichern kann, und die viele als fast unerschöpfliche Energiequelle bezeichneten.

Seitdem ist es still geworden um das "weiße Gold der Meere". Denn es stellte sich heraus, dass die Nutzung des Schatzes schwerwiegende Folgen haben könnte. Methanhydrat ist äußerst instabil und das freiwerdende Sumpfgas ein weitaus schlimmerer Klimakiller als CO2 - ganz abgesehen davon, dass Methan bei seiner Verbrennung ebenfalls CO2 freisetzt und daher nur bedingt als alternative Energiequelle geeignet ist.

Ganz so spektakulär kommt Wasserstoffhydrat nicht daher, obschon seine Herstellung an sich eine kleine Sensation ist und sein Vorkommen astronomische Konsequenzen haben könnte.

Bislang dachten Forscher nämlich, dass Wasserstoffmoleküle viel zu klein sind, um sie in die Eiskäfige eines Klathrats zu sperren. Wendy und Ho-kwang Mao und Kollegen von der Carnegie Institution in Washington bewiesen nun das Gegenteil. Dazu waren allerdings extreme Bedingungen erforderlich.

Sie setzten in einer Diamant-Stempel-Zelle ein Gemisch aus Wasserstoff und Wasser zunächst unter den 2000fachen Atmosphärendruck und kühlten es dann auf minus 24 Grad Celsius ab. Und tatsächlich konnten die Wissenschaftler die Bildung einer festen Substanz beobachten, die sich bei näherer Untersuchung als Wasserstoffhydrat entpuppte.

Und im Gegensatz zu Methanhydrat erwies sich die Wasserstoff-Eis-Verbindung einmal hergestellt, in einem relativ großen Temperatur- und Druckbereich als stabil. So konnten die Geophysiker den Stoff wieder auf bis zu sechs Grad Celsius aufwärmen, ohne dass es zerfiel. In einem anderen Experiment gelang es ihnen Wasserstoffhydrat bei normalen Atmosphärendruck stabil zu halten, allerdings musste dazu die Zelle auf minus 196 Grad Celsius abgekühlt werden. Immerhin lässt sich diese Temperatur relativ leicht durch Kühlung mit flüssigen Stickstoff erreichen.

Wie gelang es aber nun, die winzigen Wasserstoffmoleküle in die vergleichsweise riesigen Eiskäfige zu sperren? Beim Wasserstoffhydrat drängeln sich in einen Käfig nicht - wie sonst bei Klathraten üblich - nur ein einziges Molekül sondern gleich zwei oder vier. Damit ließ sich in einem Mol Eis ungefähr zwei Mol Wasserstoff speichern.

Das wäre eine durchaus interessante Alternative für die Brennstoffzellenindustrie, die schon seit längerem nach einem günstigen und praktischen Wasserstoffspeicher sucht. Allerdings wird man noch an den Betriebsbedingungen feilen müssen.

Aber auch für die Astronomen eröffnet die Entdeckung dieser neuen Hydrate ganz neue Möglichkeiten. Es könnte bedeuten, dass Wasserstoff - das ohnehin am häufigsten vorkommende Element im Universum - noch weiter verbreitet ist, als bisher gedacht. Als Klathrat getarnt könnte es in Kometen und anderen eishaltigen Körpern vorkommen.

Die Forscher halten es sogar für möglich, dass Wasserstoffhydrate in der Erdkruste eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Lebens spielten: "Viele urtümlich erscheinenden Mikroorganismen 'atmen' Wasserstoff ", erklärte Wesley Huntress von der Carnegie Institution. "Die Eigenschaft des Wassers, Wasserstoff zu speichern, könnte für frühes Leben auf der Erde bedeutsam gewesen sein. Möglicherweise wurde so das Gas, als das Leben auf der Erde begann, in die Atmosphäre gespeist."

Bislang ist das allerdings reine Spekulation. Erst der Nachweis stabiler Wasserstoffhydrate im All wird zeigen, ob die Theorien zutreffen. Hier auf der Erde jedenfalls hat die Arbeit der Maos und ihrer Kollegen der Forschung an Klathraten neuen Auftrieb gegeben. Wir dürfen also gespannt sein, was für Überraschungen unser gutes altes Eis sonst noch parat hält.

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  • Quellen
Science 297 (5590): 2247–2249 (2002)

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