Direkt zum Inhalt

Einschusslöcher aus dem Nichts: Wie gefährlich ist Dunkle Materie?

Zum Glück sind die Teilchen der Dunklen Materie ziemlich sicher recht leicht - sonst hätten sie sehr unangenehme Auswirkungen.
Ziele mit Einschusslöchern

Für die einen ist es die Menschheit, für die anderen der größte Dunkle-Materie-Detektor der Welt. Zumindest für Jagjit Singh Sidhu von der Case Western Reserve University in Cleveland, der zusammen mit zwei Kollegen berechnete, dass die Teilchen der Dunklen Materie weniger als 50 Kilogramm wiegen müssen und einen geringeren Durchmesser als etwa einen Mikrometer haben. Sonst nämlich müsste, so ihre jetzt auf arXiv veröffentlichte Argumentation, jedes Jahr eine erhebliche Zahl Menschen mit unerklärlichen Löchern im Körper umkippen: Größere Dunkle Materie würde bei ihren sporadischen Wechselwirkungen einen Tunnel aus Plasma durch das Fleisch schießen. Davon hätte man inzwischen etwas mitbekommen, schreiben die Autoren. Hintergrund der absurd erscheinenden Überlegungen ist, dass man über die hypothetische Dunkle Materie trotz eifriger Suche nahezu überhaupt nichts weiß. Entsprechend groß ist die Bandbreite der möglichen Eigenschaften.

Als trotz praktisch nicht existenter Belege immer noch aussichtsreichste Kandidaten gelten die WIMPs: relativ normale Teilchen, die aber jenseits der Gravitation nur äußerst schwach mit konventioneller Materie wechselwirken. Die Untersuchung von Sidhu und seinen Kollegen befasst sich mit den oberen Regionen der möglichen WIMP-Masseskala. Diese »Macros« haben Massen im Kilogrammbereich oder höher, weit jenseits der Größenordnungen normaler Elementarteilchen, bei denen die meisten Fachleute WIMPs verorten. Die bisherigen Messergebnisse schließen Teilchen derart hoher Massen immerhin nicht aus.

Aber auch Dunkle Materie aus »klassischen« Elementarteilchen, über die Detektorexperimente wie XENON in den italienischen Gran-Sasso-Laboratorien gewisse Aussagen erlauben, wechselwirken mit dem menschlichen Körper. Bereits 2018 hatten Katherine Freese von der University of Michigan und Christopher Savage von der Universität Stockholm die möglichen Wechselwirkungen zwischen Dunkler Materie mit realistischen Eigenschaften und den Atomkernen im menschlichen Körper berechnet. Solche Teilchen mit einer Masse im Bereich von 60 Gigaelektronenvolt würden, so berichten sie, etwa zehnmal im Jahr mit Atomkernen des menschlichen Körpers zusammenprallen, hauptsächlich mit Sauerstoff und Wasserstoff. Eine solche Strahlenbelastung wäre vernachlässigbar.

Dagegen würden leichtere WIMPs im Bereich von 10 bis 20 GeV, für deren Existenz sich in einigen Versuchen umstrittene Indizien zeigten, sogar im Minutentakt auf Moleküle in unserem Körper treffen. Auch das allerdings, schließen die Forscher, sei viel zu wenig, um eine bedeutende Strahlenbelastung zu erzeugen: Die effektive Dosis solcher Teilchen – so sie denn existieren – liegt demnach im Bereich eines Hundertmilliardstel Millisievert im Jahr. Sowohl Freese und Savage als auch Sidhu und sein Team geben deswegen Entwarnung. Was immer die Dunkle Materie sonst so tut, umbringen wird sie uns wohl nicht. Zumindest nicht durch Strahlenschäden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.