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Insektenanatomie: Zikaden-Weitsprung klappt nur mit Spikes

Die Wiesenschaumzikade gehört zu den besten Hüpfern im Tierreich. Wie macht sie das nur? Einen Trick können britische Insektenkundler nun immerhin aufdecken.
Zikadenbein

Die in unseren Wiesen lustig herumhüpfenden Zikaden sind uns – wenn wir sie überhaupt einmal bemerken – oft keinen zweiten Blick wert. Zu Unrecht, finden Zoologen jetzt im Fachmagazin »PNAS« : Zumindest die Designer von auch in schwierigem Gelände hochmobilen Robotern könnten sich durchaus einen faszinierenden Trick der kleinen Insekten abschauen: ihre spikebesetzten Fußsohlen.

Die Bedeutung der winzigen, dornenähnlichen Zacken von Zikadenfüßen war unbekannt, bis nun Hanns Hagen Goetzke von der Univsersity of Cambridge und seine Kollegen springende Wiesenschaumzikaden (Philaenus spumarius) im Labor auf unterschiedlichen Materialien herumhüpfen ließen. Dabei bewährten sich die Tiere fast immer wie in der Natur: Sie springen rekordverdächtig kraftvoll und weit in einem Winkel von rund 45 Grad ab, wenn sie testweise von Efeublättern oder Epoxidharzflächen starten durften. Gar nicht klappt das aber von einer Glasoberfläche: Von dieser rutschen die Zikaden stets unelegant ab, statt abzuheben.

Eine hüpfende Zikade in Zeitlupe

Eine Wiesenschaumzikade springt von einem Efeublatt.

Die Ursache wurde Goetzke und Kollegen beim Filmen des Vorgangs mit einer Zeitlupenkamera deutlich. Die Wiesenschaumzikaden bohren immer winzige Dornen ihrer Sprungextremitäten in den Boden und verschaffen sich so genug Halt und Reibung, um die Kraft aus den Sprungmuskeln auf ihr Startplateau zu übertragen und in kinetische Energie verwandeln zu können. Die Spikes – dornenartige, sinnvoll platzierte und extrahart mit Zinkeinlagerungen sklerotisierte Auswüchse an den unteren Schenkel- und Fußabschnitten – sind offenbar zu diesem Zweck besonders verstärkt, wie Untersuchungen unter dem Mikroskop zeigen. Tatsächlich hinterlassen die Insekten auch immer winzige Löcher in den Oberflächen, von denen sie abheben. Glas ist dafür allerdings zu hart und fest, und da die Spikes der Zikade hier nicht einhaken können, scheitert ein Sprungversuch recht kläglich.

Das professionellen Leichtathleten geläufige Prinzip der artspezifischen Spikes an der Schuhsohle ist tatsächlich im Tierreich so noch nicht beschrieben worden: Andere hüpfende, springende, schnell beschleunigende oder kletternde Organismen setzen entweder darauf, sich durch den gezielt gerichteten Druck einzelner Glieder auf Unebenheiten zu bewegen und festzuklammern, oder erzielen Reibung mit Lamellen oder lappenartigen Oberflächen, die – wie etwa bei den in dieser Hinsicht extrem gut untersuchten Geckos – sich mit irgendeiner Art von Klebehaftung kurz beim Abspringen oder dauerhaft beim Verharren am Untergrund fixieren. Zumindest beim Design von zukünftigen Kletterrobotern sollte aber besser auch die Art der Wiesenschaumzikade in Betracht gezogen werden, finden Goetzke und Co.

Insgesamt scheinen die Spikes aber eine womöglich artspezifische Spezialausrüstung zu sein: Verwandte Zikaden wie die Wiesenerdzikade verfügen über weniger starre und nicht besonders gehärtete Dornen und springen demzufolge auch weniger kraftvoll. Die subtil unterschiedlichen ökologischen Nischen der beiden Zikadenarten scheinen demnach auch überraschend unterschiedliche Anforderungen an das Sprungvermögen der Zikadenbewohner zu stellen – was ihre Anatomie dann auf spezifische Art geformt hat.

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