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News: Zweite Ehen am Rande des Sonnensystems

In den entfernten Regionen des Sonnensystems, noch hinter den äußeren Planeten, haben Astronomen die idealen Partnerschaften gefunden: annähernd gleichberechtigte Paare, die einander genug Freiheiten für langgestreckte Bahnen lassen. Allerdings klappt diese Verbindung offenbar erst, wenn zuvor ein dritter, untergeordneter Körper aus seiner kosmischen Ehe vertrieben wird.
Partnertausch im Kuiper-Gürtel
Auf dem Weg von der Sonne nach draußen in den weiten Kosmos wird es am Rand noch einmal körnig. Hinter dem letzten großen Planeten, dem Neptun, ziehen etwa 100 000 gefrorene Objekte ihre Bahnen. Mit Durchmessern von mehreren hundert Kilometern sind sie nicht gerade riesig, weshalb Wissenschaftler sie erst vor rund einem Jahrzehnt entdeckt haben. Seitdem haben die Brocken, zusammengefasst unter dem Namen Kuipergürtel, immer wieder Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung mitunter auch unseren Blick auf die "echten" Planeten geändert hat.

Nicht zuletzt gab es unter Astronomen eine hitzig geführte Debatte, ob es sich bei dem guten alten Pluto nicht in Wahrheit nur um ein besonders großes Kuiper-Objekt handelt, statt um einen Planeten. Für Plutos gehobenen Status sprach damals auch, dass er einen Mond hat: Charon, der 1978 entdeckt wurde, also deutlich vor dem Kuipergürtel. Diesen Punkt könnte Pluto mittlerweile nicht mehr verbuchen, denn im Jahr 2001 fanden Forscher ein weiteres Pärchen von Kuiperobjekten, und mittlerweile geht man davon aus, dass deutlich über ein Prozent der Klumpen einen Partner hat.

Allerdings unterscheiden sich die binären Körper des Kuipergürtels von den typischen Planet-Mond-Systemen oder auch nur den bekannten Asteroiden zwischen Mars und Jupiter, von denen einige ebenfalls kleine Trabanten besitzen. Üblicherweise ist hier nämlich einer der Partner relativ groß und massereich, der andere dagegen klein und zieht fast kreisförmige enge Bahnen um das Schwergewicht. Anders die Kuiper-Paare: Sie sind annähernd gleich groß und bewegen sich auf langgezogenen Wegen umeinander, die sich hundert- oder tausendmal so weit in den Raum erstrecken, wie ihr eigener Radius ist.

Diese Eigenheiten stellen die Wissenschaftler vor ein Problem. Sie verfügen über zwei Theorien zur Entstehung von Monden oder Paaren, von denen keine die Beobachtungen so richtig erklären kann. So könnten die Kuiperpärchen durch eine Kollision entstanden sein, ähnlich wie der Erdmond. Dann müsste es jedoch einen deutlichen Größenunterschied geben, die Umlaufbahn des kleineren Objektes wäre enger, das Drehmoment geringer, und schließlich hätte es gar nicht genug Zusammenstöße geben können, um die große Anzahl von Paaren zu erzeugen. Als Alternative böte sich an, dass die Kuiper-Objekte sich mit ihrer Gravitation gegenseitig eingefangen haben. Aber wiederum entstünde ein engerer Orbit, und es müsste dort draußen viel mehr los sein, damit die Brocken sich gegenseitig abbremsen können.

Einen Ausweg aus den beiden Sackgassen bietet die neue Hypothese eines Teams um den Japaner Yoko Funato von der University of Tokyo. Kombiniert man die beiden oben beschriebenen Mechanismen, ergibt sich ein neues Modell, das tatsächlich alle Beobachtungen erfüllen kann. Danach bildet sich zunächst bei einer Kollision ein klassisches Paar mit einem großen und einem kleinen Partner. Anschließend nähert sich jedoch ein großes Objekt, gerät in das Gravitationsfeld des Paares, und in einem komplizierten Tanz der Kräfte wird schließlich der kleine Ex-Mond aus dem System geschleudert, während sich die beiden schweren Objekte auf exzentrischen Bahnen umkreisen.

Eine clevere Idee, meint dazu der Astronom Joseph Burns von der Cornell University. Allerdings mahnt er zu vorsichtigem Optimismus. Auch für das japanische Modell hätte es in früheren Zeiten sehr viel mehr Objekte im Kuipergürtel geben müssen. Vor allem aber: Wir wissen noch viel zu wenig über die wahren Zustände da draußen. Die Größe eines typischen Kuiper-Objekts liegt an der Auflösungsgrenze der meisten Teleskope, daher ist es kein Wunder, wenn bislang nur große Körper und Paare mit weiten Bahnen entdeckt wurden. Für eine fundierte Theorie bräuchte man wohl noch mehr Daten.

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