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Der Berg rief

Zu Tausenden stürmen Wanderer und Kletterer alljährlich die Alpen, auf der Suche nach Herausforderung und Gipfelerlebnis, ganz im Geist Francesco Petrarcas: "Und es gehen Menschen hin, zu bewundern die Höhen der Berge … und verlassen dabei sich selbst." Schwärmend beschrieb der Dichter seine legendäre Besteigung des Mont Ventoux 1336. Ein neuer Wind wehte damals durch die Gelehrtenstuben (siehe Beitrag S. 56). "Der Wunsch, einen Gipfel zu erklimmen, um die Aussicht zu erleben, war im 14. Jahrhundert wirklich außergewöhnlich, galt doch die Schaulust als Sünde", schreibt die Kunsthistorikerin Bettina Hausler in ihrer Einleitung.

Von einem Sturm auf die Alpengipfel konnte noch lange keine Rede sein. Zu gefährlich schienen die Berge. Als Bildelement taugten sie Künstlern aber allemal, wie der Bildband vorführt. Gebirgsmotive sollten die Dramatik szenischer Darstellungen steigern, weshalb Maler Steine oder Felsen als Vorlage nutzten.

Leonardo da Vinci gab sich damit nicht zufrieden und bestieg 1511 den Monte Rosa, ein Gebirgsmassiv zwischen der Schweiz und Italien. Bei seinen Naturstudien erkannte er etwa, dass Schattenpartien ferner Berge ein tiefes Blau zeigen, Gipfel oft dunkler erscheinen als die Basis. Mit diesem Wissen erzeugte er Räumlichkeit im Bild – auch Mona Lisa lächelt vor einer fiktiven Gebirgslandschaft.

Wie sich das Bild vom Berg allmählich wandelte, von der bloßen Staffage zum Hauptthema wurde, führt die Autorin an zahlreichen Beispielen vor. Niederländische Landschaftsmaler demonstrierten, wie winzig Mensch und Tier doch angesichts der Natur wirken – und erzeugten damit gruslige Schauer. Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) und andere Kritiker der Aufklärung sahen hingegen im Berg ein Abbild der Unendlichkeit. Derart verklärt gerieten die Alpen auf die Liste der Sehenswürdigkeiten der Grand Tour, einer Bildungsreise durch Europa.

Hausler vermittelt die Faszination der Steinriesen in Wort und Bild. Dem – selbst bergbegeisterten – Rezensenten bleibt nur eine Kritik: Eine Gliederung nach Kunststilen statt nach Malschulen hätte dem Laien die Orientierung erleichtert.

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  • Quellen
epoc 6/2008

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