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Astronomie im Kilo-Pack

550 Seiten Astronomie, säurefreies Edel-Papier und 1,4 Kilogramm schwer. Die siebte Auflage des seit 1967 herausgegebenen Buches "Der neue Kosmos" macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Der zweite Blick ins Inhaltsverzeichnis macht dann klar, warum das Werk als das beste wissenschaftliche Astronomiebuch in deutscher Sprache gilt. Je nach Vorbildung wird dem Leser ein ungläubiges "Was, das soll ich einmal alles wissen?" oder ein "Schön, da ist ja alles drin!" in den Sinn kommen.

Die Heidelberger Autoren stellen die Astronomie umfassend dar. Astronomische Koordinaten, das Sonnensystem oder die Theorie zum Sternaufbau sind unter den klassischen Themen. Doch auch Röntgen-Astronomie, Kosmologie oder die Entstehung von Planetensystemen finden ihren Platz.

Die Autoren scheuen sich insbesondere nicht, den gesamten Zoo an astronomischen Objekten zu besprechen. Etwas verwirrend mag deshalb die Ordnung der einzelnen Unterkapitel erscheinen. Pulsare treten beispielsweise zuerst als Mitglieder in Doppelsternsystemen auf, dann bei den veränderlichen Sternen und schließlich als Endstadium der Sternentwicklung. Ebenso ist es nicht unmittelbar klar, wo das Kapitel zu stellaren Akkretionsscheiben zu finden ist.

Natürlich merkt man dem Werk an, dass es von Astronomen geschrieben wurde, die im visuellen Bereich des elektromagnetischen Spektrums zu Hause sind. So wird auf 14 Seiten vergleichsweise detailliert auf die Physik der Sternatmosphären eingegangen, während die gesamte Radioastronomie auf nur 5 Seiten besprochen wird. Hier scheint "Der neue Kosmos" etwas Nachholbedarf zu haben. Zukünftige Auflagen werden berücksichtigen müssen, dass sich die Astronomie in allen Wellenlängenbereichen in den letzten Jahren rasant entwickelt hat.

Ebenfalls etwas antiquiert wirken manche der Fotos im Buch. Galaxienfotos aus den 60er Jahren, die an konventionellen Teleskopen der 3-Meter-Klasse gewonnen wurden, sind angesichts der Bilderflut des Hubble-Weltraumteleskops nicht mehr besonders eindrucksvoll. Oder die Röntgen-Aufnahmen der Sonne, die die Skylab-Astronauten Ende der 70er Jahre gemacht haben, könnten zugunsten einer weiteren Aufnahme der SOHO-Sonde weggelassen werden.

Astronomie-Studenten finden in dem Buch den idealen Begleiter zur Prüfungsvorbereitung. Zwar mag es zu jedem Einzelthema bessere oder detailliertere Bücher geben. Doch kein anderes Buch kann einem die gleiche Gewissheit geben, einen kompletten Abriss der Astronomie vorliegen zu haben. Wer aus dem Buch der Astronomie-Professoren Unsöld und Baschek lernt, verzettelt sich nicht und verpasst auch kein wichtiges Thema. Etwas verloren wirken lediglich die Übungsaufgaben am Ende. Es fehlen die Lösungen oder zumindest ein paar Hinweise, wie man die Probleme knacken kann.

Doch auch nach bestandener Prüfung ist "Der neue Kosmos" wegen seiner thematischen Breite und Vollständigkeit eigentlich ein Muss für alle, die beruflich mit Astronomie oder Astrophysik zu tun haben. Zu fast jeder Frage, deren Antwort man nachschlagen möchte, findet man eine Erklärung in diesem Buch. Die Textmenge, die man dann lesen muss, ist stets überschaubar. Sie reicht meistens genau aus, um zu entscheiden, ob man sich weiter informieren möchte – oder ob einem einfach die wenigen gelesen Sätzen genügen.

Deshalb ist das beste Kompliment, das man dem Buch machen kann: "Der neue Kosmos" schafft den Spagat Lehrbuch und Nachschlagewerk in einem zu sein.

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