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Acht Geschichten über Zahlen

Was sagt Ihnen 4 294 967 297? 4,3 Milliarden, denkt der Finanzpolitiker, ganz nett, aber nicht genug für große Politik. Irre viel Geld für einen Privatmann, heute. Vor 90 Jahren, zur Zeit der Inflation, war es zu wenig für eine Scheibe Brot. Für den Mathematiker spielt viel oder wenig kaum eine Rolle, er hat da andere Kriterien. Die 7 am Ende sagt ihm zum Beispiel, dass es eine ungerade Zahl ist. Und natürlich erfährt man später auch, was es mathematisch mit dem Wert auf sich hat.

Mit solchen Betrachtungen entführt Rudolf Taschner seine Leser in die Welt der Zahlen. Und das gelingt ihm ganz vortrefflich. Sein neues Buch ist faszinierend und kurzweilig. Es hat die Mathematik zum Thema, ist aber kein Lehrbuch im üblichen Sinn. Taschner erzählt darin Geschichten, acht insgesamt, und das kann er. Einmal deshalb, weil er vom Fach ist, nämlich Mathematikprofessor an der Technischen Universität Wien. Und so berichtet er sehr kenntnisreich über Zahlen in der Natur, Berechnungen zum Kalender oder Primzahlen. Immer wieder geht es ihm dabei um große oder lange Zahlen und schließlich um die Unendlichkeit.

Aber Taschner hat auch eine ungewöhnliche Sicht auf die Mathematik. Er betrachtet sie als Teil unserer Kultur – und mathematische Errungenschaften als kulturelle Leistungen, ebenbürtig denen in der Literatur, Malerei oder Musik. Zudem stellt er seine Fähigkeiten als erfahrener Geschichtenerzähler unter Beweis, denn seit nunmehr zehn Jahren unterhält er ein breites Publikum im Kulturprojekt "math.space", das im Wiener MuseumsQuartier angesiedelt ist (suchen Sie auf Youtube nach "mathspacewien", um ein authentisches Bild von dem Projekt zu bekommen). Dementsprechend ist auch das vorliegende, in die Mathematik einführende Buch nicht das erste des Autors. Seit 2005 veröffentlicht er in jedem ungeraden Jahr ein neues.

Seine Geschichten schmückt Taschner zum Teil mit erfundenen Akteuren und Umständen aus, um sie begreifbarer zu machen. Zudem führt er historische Personen an, von denen er sehr kundig und umfassend zu berichten weiß. Natürlich kommen in seinem Buch die "Alten" vor: Euklid von Alexandria (3. Jahrhundert v.Chr.), Blaise Pascal (1623-1662), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) oder Pierre de Fermat (1607-1665). Doch Taschner geht auch auf wichtige Mathematiker des 20. Jahrhunderts ein, etwa Claude Elwood Shannon (1916-2001), David Hilbert (1862-1943) oder Kurt Gödel (1906-1978). Er bindet sie ganz selbstverständlich und gekonnt in seine Erzählungen ein.

Da fragt man sich natürlich, wo bei all diesen unterhaltsamen Geschichten die "harte" Mathematik bleibt. Sie kommt nicht zu kurz, ist aber hauptsächlich in die Fußnoten und den Anhang verbannt – und jeder, der es genauer wissen will, muss nach hinten blättern. Die 38 Anmerkungen füllen immerhin gut 30 Seiten. Zu den großen Zahlen beispielsweise gibt es eine sechsseitige Anmerkung, in der es mathematisch zur Sache geht.

Auch der Haupttext geht mitunter ins Detail, verpackt dies aber in Verbalformulierungen, was die Sache nicht immer leichter macht: "Dann kann man eine Zahl dadurch kodieren, dass man ihre Potenz mit dem Exponenten als Hochzahl bildet und deren Rest nach Division durch den Modul als chiffrierte Zahl seinem Partner mitteilt." Zugegeben, im Umfeld der wirklich guten Erklärungen verliert der Satz seinen Schrecken. Aber es kommt immer mal wieder vor, dass Taschner einen langen Satz scheibt, wo eine kurze Formel deutlich bessere Dienste geleistet hätte.

Wer als wissenschaftsinteressierter Leser der Mathematik nicht gänzlich abgeneigt ist, bringt alle Voraussetzungen mit, um in diesem empfehlenswerten Buch an den Geschichten über Zahlen seine Freude zu haben. Und lassen Sie sich nicht vom Umschlagbild abschrecken. Die Mathematik im Buch ist bei weitem nicht so verstaubt wie das Zeichengerät, das Herr Taschner auf der Vorderseite präsentiert.

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