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Genial und erfolglos

1896 kommt dem vierzehnjährigen Christian Hülsmeyer aus Bremen eine Idee. Er hat von den Arbeiten des deutschen Physikers Heinrich Hertz (1857-1894) und des italienischen Radiopioniers Guglielmo Marconi (1874-1937) gelesen, in denen es um elektromagnetische Wellen und ihre Reflexion an metallischen Gegenständen geht. Hülsmeyers Gedanke: Hieraus könnte man ein Verfahren entwickeln, um etwa Schiffe auf dem Meer bei Dunkelheit und Nebel zu orten. Acht Jahre später meldet er das Patent für ein "Telemobiloskop" an, mit dem sich bald auch Entfernungen messen lassen. Er findet einen begeisterten Sponsor und präsentiert seine Apparate, die nichts anderes sind als eine Vorform des Radars, vor einem sichtlich angetanen Publikum. Eigentlich hat er alles richtig gemacht, um den Grundstein einer grandiosen Karriere zu legen.

Doch nichts geschieht, weder bei den Reedereien noch bei der kaiserlichen Kriegsflotte. Desinteresse, Arroganz und Ignoranz schlagen dem Erfinder entgegen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, Interesse für sein Projekt zu wecken, gibt er verbittert auf. Das Startkapital ist verbrannt, Hülsmeyers Firma wird aufgelöst.

In seinem neuen Werk beschreibt der renommierte Buchautor Armin Strohmeyr die Biografien von 22 verkannten Pionieren, Abenteurern, Erfindern und Visionären. Es sind bekannte Namen darunter, etwa Ignaz Semmelweis (1818-1865, er erkannte die Bedeutung der medizinischen Hygiene), Gregor Mendel (1822-1884, er entdeckte die Regeln der biologischen Vererbung), oder Konrad Zuse (1910-1995, Entwickler des ersten funktionsfähigen Computers der Welt). Ihnen blieb die gebührende Anerkennung zu Lebzeiten verwehrt, obgleich sie nachträglich zu Weltruhm gelangten. Selbst Nicola Tesla (1856-1943, Erfinder des Wechselstroms) wird erwähnt. Er kam zwar früh zu Bekanntheit, sank aber rasch in die Bedeutungslosigkeit ab, als er sich nach 1900 kaum mehr um die wirtschaftlichen Verwertungen seiner Erfindungen kümmerte und in den letzten 40 Jahren seines Lebens immer zurückgezogener lebte. Der Autor führt auch weniger bekannte Pioniere auf, etwa Richard Trevithick (1771-1833, er entwickelte die ersten funktionierenden Dampflokomotiven), Johann Kravogl (1823-1889, Elektromotor-Konstrukteur) oder Wilhelm Bauer (1822-1875, U-Boot-Erfinder).

Es ist ein Buch über das Scheitern – von Projekten, häufig aber auch von Menschen. Allzu oft rutschten die Visionäre in die Armut ab; im besten Fall landeten ihre genialen Erfindungen im Museum. Noch nie, so das Fazit, haben Intelligenz, grandiose Ideen und starker Wille allein genügt, um Erfolg zu haben. Viele Pioniere blieben zeitlebens Eigenbrötler. Die denkbar ungünstigsten Voraussetzungen hatten sie, wenn sie – Frauen waren. Dünkel, Neid, persönliche Animositäten oder wirtschaftliche Interessen standen ihrem Erfolg entgegen. Ausbeutung, Verleumdung, Plagiate und fehlende finanzielle Mittel machten ihnen das Leben schwer – vor allem aber die Dummheit von Entscheidern.

Strohmeyrs Buch ist eingängig und sehr empfehlenswert. Der Autor schreibt interessant und sprachlich versiert. Mitunter fallen seine Schilderungen aber ein wenig zu knapp aus. Lebensläufe wie der von Peter Mitterhofer (1822-1893, Erfinder der Schreibmaschine) enthalten zahllose bewegende und tragische Momente, die nur angerissen werden. Hier wünscht man sich mehr Ausführlichkeit.

Zu den kleineren Mängeln gehört die gewöhnungsbedürftige und teils redundante Kapitelaufteilung sowie die fehlende Rubrizierung. Auch scheint die chronologische Abfolge der einzelnen Lebensläufe etwas durcheinander geraten. Allgemein mangelt es dem Werk an Abbildungen. Diese Schwächen schaden dem Gesamteindruck jedoch kaum.

Ja, es ist ein wenig beklemmend, über diese Schicksale zu lesen. Doch nicht immer endeten sie schlecht. Christian Hülsmeyer beispielsweise, dessen Radarentwicklung ignoriert wurde, blieb ein findiger Kopf, meldete 180 weitere Patente an und entwickelte sich zu einem erfolgreichen Unternehmer.

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