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Technik: Spieglein, Spieglein … neu gedacht

Die Fähigkeit, Spiegel herzustellen, hat die Menschheit verändert. Der Künstler Daniel Rozin hat seinen eigenen Zugang zum Thema Selbstbetrachtung.
Technik: Spieglein, Spieglein … neu gedacht

Veröffentlicht am: 18.06.2019

Laufzeit: 0:08:12

Sprache: englisch

Heute schon in den Spiegel geschaut? Vermutlich ja. Und wenn schon nicht direkt in den Badezimmerspiegel oder den an der Garderobe, dann haben Sie Ihre Reflexion doch zumindest nebenbei auf einer der unzähligen reflektierenden Flächen wahrgenommen, die unseren Alltag spicken: Schaufenster, Glastüren oder geschliffene Metalloberflächen. Spiegel sind in unserer Welt allgegenwärtig, und kaum jemand macht sich bewusst, dass Menschen jahrtausendelang nicht in der Lage waren, glatte Oberflächen herzustellen, in denen man sich selbst erkennen konnte. Wer in der Steinzeit das Bedürfnis hatte, sein eigenes Gesicht zu sehen, war auf ruhende Wasseroberflächen angewiesen, die sicher nicht überall zur Verfügung standen.

In dem Youtube-Video von WIRED stellt der Künstler Daniel Rozin seinen speziellen Zugang zum Thema Spiegel vor: »Im Spiegel siehst du dich genau so, wie andere dich sehen«, erklärt Rozin, der auch an der Tisch School of the Arts an der Universität von New York lehrt. »Das ist ein emotional sehr aufgeladener Moment.« Dabei handelt es sich bei seinen »mechanischen Spiegeln«, wie der Name schon sagt, nicht um eigentliche Spiegel im Sinne reflektierender Oberflächen. Vielmehr kombiniert der Künstler verschiedene Formen elektronischer Bilderfassung mit selbst gebauten Displays – so ähnlich, als würde man ein Smartphone benutzen, um sich darin im Spiegel zu sehen. Optische Spiegel basieren darauf, dass eine Oberfläche glatt genug ist, um parallel auftreffende Lichtstrahlen auch wieder parallel zu reflektieren. Um ein solches Kriterium zu erfüllen, muss die Rauheit deutlich geringer sein als die Wellenlänge des Lichts. Ist dieses Kriterium nicht erfüllt, kann die Oberfläche, sofern sie hell genug ist, das Licht zwar ebenfalls zurückwerfen. Auf Grund der zufälligen Struktur tut sie das jedoch ungeordnet und in alle Richtungen gleichermaßen, wodurch das Originalbild verloren geht.

Die ersten von Menschen erschaffen Spiegel bestanden aus poliertem, vulkanischem Glas und dürften bereits vor 8 000 Jahren verwendet worden sein. Später ermöglichte unsere Fähigkeit, Metalle zu gewinnen und zu verarbeiten, die Herstellung von Spiegeln aus Kupfer, Bronze oder Silber. Mit Metall beschichtete Glasspiegel, die im Grunde den herkömmlichen Haushaltsspiegeln von heute schon sehr ähnlich waren, kamen vor etwa 200 Jahren auf. Rozin hingegen benutzt bewusst nichtreflektierende Materialien, wie Holz, für seine Kunstwerke. Er stellt daraus kleine Plättchen her, die er wie die einzelnen Pixel eines Bildschirms anordnet. Mit Hilfe von Motoren können sie gezielt gekippt werden, um so gemeinsam ein großes Bild darzustellen. Für die elektronische Erfassung des Bildes (meist die Person, die vor dem »Spiegel« steht) setzt er verschiedene Techniken ein, die er im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert hat. Bei seinem ersten Projekt vor rund 20 Jahren, dem »Wooden Mirror«, war es eine einfache Kamera, deren Bilder er mit Hilfe von 835 kleinen Holzplättchen wiedergab. Seither experimentierte der Künstler auch mit Lasern, Infrarot-Bewegungssensoren oder einer 3-D-Sensorleiste Kinect, die etwa bei der Steuerung von Microsofts Videopielkonsole Xbox 360 zum Einsatz kommt, um die Positionen und Bewegungen der Spieler zu erfassen.

Letztendlich ersetzt Rozin also einen einfachen Spiegel durch das Zusammenspiel einer Vielzahl technischer Komponenten und gibt dem Betrachter dadurch einen neuen Eindruck seines Spiegelbildes – und damit gewissermaßen auch von sich selbst. Ob ein technischer Defekt eines solchen »Spiegels« ebenfalls sieben Jahre Pech bedeutet, bleibt offen.

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