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News: Die Rechnung geht nicht auf

Firmen, die Riesensummen für TV-Werbespots in Actionfilmen auf den Tisch legen, verschwenden vielleicht ihr Geld. In Experimenten wurde jetzt nachgewiesen, daß gewalttätige Filme das Erinnerungsvermögen derart beeinträchtigen, daß sich die Testpersonen kaum an die Produkte der zwischengeschalteten Werbespots erinnern konnten - im Gegensatz zu gewaltfreien Filmen.
Brad J. Bushman von der Iowa State University, der die Psychologie von Gewalt und Aggression studiert, berichtet im Journal of Experimental Psychology: Applied vom Dezember 1998 (Abstract) darüber, daß Gewalt auf dem Bildschirm das Werbe-Gedächtnis der Zuschauer beeinträchtigt. Er sagt: "Ich wollte den vorherrschenden Glauben auf die Probe stellen, demzufolge sich Gewalt gut verkauft." Dazu machte er drei Experimente.

In seinem ersten Test zeigte er 200 zufällig ausgewählten Studentinnen und Studenten zwei Werbespots – einen für Klebstoff und einen für Waschmittel. Danach wurde den Teilnehmern ein Filmausschnitt von 15 Minuten Dauer vorgeführt. Die Ausschnitte waren aus Gewalt enthaltenden beziehungsweise gewaltfreien üblichen Kinokassenschlagern – hier speziell aus Karate Kid III, Stirb langsam, Chariots of Fire und Gorillas im Nebel. Diese Filme hatten, wie bei Vortests mit 2800 Studenten herausgefunden wurde, auf Herzfrequenz und Blutdruck den gleichen Effekt, und sie wurden als gleichermaßen anregend, interessant und spannend befunden. Bushman befragte seine Versuchsteilnehmer nach jedem Filmausschnitt über die Markennamen und sonstige Details aus den zuvor gesehenen Werbespots. Heraus kam, daß sich diejenigen, die nach der Werbung Gewaltszenen gesehen hatten, weit weniger gut an die Werbeaussagen erinnern konnten als die anderen Probanden.

Als nächstes wurde ein Experiment mit 200 weiteren Studenten gemacht, bei dem die Testpersonen zusätzliche Fragen beantworten mußten. Sie sollten sich neben den im Spot dargestellten Produkten noch an andere Klebstoffe und Waschmittel erinnern. Wieder schnitten diejenigen, die Gewalt gesehen hatten, schlechter ab.

Schließlich ließ Bushman 320 Studenten, nachdem sie die Filmausschnitte gesehen hatten und bevor sie die Fragen beantworten sollten, auf Fragebogen ihre Stimmung beschreiben, damit ihr Maß an Ärger, Aufmerksamkeit, Entschlossenheit und Enthusiasmus eingeschätzt werden konnten. Alle, die Gewalt-Filmausschnitte gesehen hatten, sagten aus, daß sie mehr Wut verspürten. "Die Gewaltrate der Filme erhöhte also ihren Ärger und eben deswegen war ihre Erinnerung an die Werbespots vermindert", so Bushman.

"Nun versuchen wir durch Experimente mit der umgekehrten Reihenfolge – erst Filmausschnitt, dann Pause und dann die Werbespots – herauszufinden, ob dieses Phänomen auf einen Effekt bei der Speicherung der Erinnerung oder bei dem Versuch, diese wieder ins Bewußtsein zu rufen, oder vielleicht auf ungeschickte Wiedergabe des Gesehenen zurückzuführen ist", erklärt Bushman.

Bereits vorhandene Studien über einen gefühlsbedingten Zeitverzögerungseffekt auf das Gedächtnis deuten darauf hin, daß auch die Veränderung der Zeitspanne zwischen Filmbetrachtung und Befragung das Ergebnis beeinflussen kann. Wie Gedächtnisexperte Alan Baddeley erläutert, "gibt es bestimmte Hinweise darauf, daß sich die Auswirkungen dessen was man gesehen hat, je nach der gegebenen Verzögerung verändern. Emotionale Stimuli können die Erinnerung an Dinge aus dem Kurzzeitgedächtnis verschlechtern, aber gleichzeitig können sie das Abrufen der Informationen zu einem späteren Zeitpunkt verbessern."

Bushman ist überzeugt, daß seine Erkenntnisse zum Nachdenken anregen werden. "Viele Kinder erledigen ihre Hausaufgaben vor dem Fernseher, und in den USA enthält 60 Prozent von dem, was sie da sehen, Gewalt. Meine Erkenntnisse legen nahe, daß das Sponsoring der Werbung in Gewaltfilmen kein profitables Geschäft für die Werbewirtschaft ist" – von dem Ergebnis der Hausaufgaben mal ganz abgesehen.

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