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News: Ein guter 'Riecher' für die Beute

Der Löffelstör ist der Pinocchio unter den Fischen. Der lange Fortsatz, der seine Körperlänge fast verdoppelt, wächst aber nicht wegen irgendwelcher Lügengeschichten, sondern hilft dem Tier in den schlammigen Wassern des Missouri beim Aufspüren seiner Leibspeise - den Wasserflöhen (Daphnien). Dieser 'Rostrum' genannte Fortsatz ist mit Rezeptoren bedeckt, die schwache elektrische Signale empfangen, wie sie zum Beispiel beim Schwimmen der kleinen Zooplankter entstehen. Dabei benutzt der Fisch eine sehr ausgeklügelte Methode, um die Signale zu verstärken.
Im ersten Moment hört sich der Trick des Fisches eigentlich eher widersinnig an. Wie David Russell und seine Kollegen von der University of Missouri in St. Louis herausfanden, nutzt der Löffelstör nämlich das Hintergrundrauschen, um die schwachen Signale zu verstärken. Wer schon einmal versucht hat, einen schwachen Sender im Radio einzustellen, wird wohl den Kopf schütteln über den Vorschlag, das störende Rauschen zur Verstärkung einzusetzen. Unter Physikern ist diese sogenannte "stochastische Resonanz" jedoch schon lange bekannt: Ein Signal, das gerade unterhalb der Schwelle eines Detektors liegt, kann durch zufälliges, schwaches Hintergrundrauschen so verstärkt werden, daß es zeitweise nachweisbar ist. Zuviel Rauschen übertönt das Signal allerdings. Es existiert daher ein optimaler Rauschpegel, bei dem das Signal am deutlichsten empfangen wird.

Russell und seine Mitarbeiter entdeckten den Effekt, als sie an die beiden Enden eines Aquariums, das mit einem Löffelstör und Plankton besetzt war, zwei Elektroden anschlossen. Der Fisch war im Aufspüren seiner Beute aus größeren Entfernungen deutlich erfolgreicher, wenn die Elektroden schwache elektrische Signale aussendeten, als wenn keinerlei Rauschen auftrat oder es zu stark war (Nature vom 18. November 1999). "Wenn wir bei Tagungen einen Film davon zeigen, sind die Leute sehr verblüfft", erzählt Russell. "Ihre Reaktion lautet: Wow, das kann man ja sehen!"

Dies widerlegt die Zweifel mancher Wissenschaftler, daß Organismen stochastische Resonanz nutzen können, meint James Collins von der Boston University. Er hofft, daß stochastische Resonanz so vielleicht auch bei der Behandlung von Menschen eingesetzt werden kann, die durch einen Schlaganfall, Diabetes oder Gelenkamputationen das Gefühl in ihren Gliedmaßen verloren haben. Wenn die Glieder mit einem Vibrator gereizt werden, könnte vielleicht genug elektrisches "Hintergrundrauschen" entstehen, um die schwachen Signale der beschädigten Nerven zu verstärken.

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