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News: Betroffenheit blockiert Wahrnehmung

Angst und Betroffenheit blockieren Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Wie aus einer neuen Studie hervorgeht, gilt diese Aussage in besonderem Maße auch für die Aufnahme von Nachrichten über fremdenfeindliche Übergriffe. Insbesondere Menschen mit einem geringen Selbstbewußtsein können oft nur schlecht mit diesen Gefühlen umgehen. Um Fremdenfeindlichkeit abzubauen, reicht es nach Aussage des Autors daher nicht, Informationskampagnen zu starten, sondern Kinder müssten bereits früh zur Selbstverantwortung erzogen werden.
Wissenschaftler des Ludwig Boltzmann-Instituts für empirische Medienforschung (Lifem) führten Schülern von zwei Wiener Gymnasien einen kurzen Bericht vor, in dem Gewalt gegenüber Fremden im Mittelpunkt steht. Neben einer Rekonstruktion der Tat sind Ausschnitte aus der Gerichtsverhandlung enthalten und ein Interview mit einem Opfer, das beim Anschlag sehr schwer verletzt wurde.

Während die Probanden den Bericht vorgeführt bekamen, sollte eine Gruppe "laut denken", also spontan Empfindungen zum Gesehenen und Gehörten äußern. Bei anderen Schülern wurden dagegen sogenannte psychophysiologische Daten – wie Atem- und Herzfrequenz sowie der Hautwiderstand – erhoben. Durch diese Methode würden sowohl Qualität als auch Quantität der emotionalen Reaktionen ermittelt. Außerdem könnten so diese zeitlich punktgenau dem jeweiligen Filmabschnitt zugeordnet werden.

Wie sich zeigte, reagierten die Jugendlichen aus den beiden Schulen, die sich in Bezirken mit unterschiedlich hoher Ausländerquote befinden, durchaus unterschiedlich. Generell zeigten die Schüler des Gymnasiums in einem Bezirk mit niedrigem Ausländeranteil (BG -A) bei der Sequenz über das Opfer der Übergriffe weniger Erregung auf psychophysiologischer Ebene, dafür aber mehr verbale Reaktionen als ihre Kollegen des BG +A (hoher Ausländeranteil).

Die Gruppe des BG +A war körperlich erregter und zeigte wenig verbale Reaktionen. "Man könnte das Verhalten auch als 'betroffenes Schweigen' bezeichnen", so Vitouch. Die Wahrnehmung – als Maß dient das "laute Denken" – wird offenbar durch den körperlichen Erregungszustand behindert. Ein ähnliches Phänomen habe jeder schon einmal wahrgenommen, der vor einer schweren Prüfung stand und die einfachsten Dinge nicht mehr wiedergeben konnte.

Um der Ursache für die stärkere emotionale Erregung der Gruppe BG +A auf den Grund zu gehen, erhoben die Experten bei den Probanden auch Daten, die etwa Aussagen über ihr Selbstbewußtsein zuließen. Es zeigte sich, daß die Schüler des BG +A – wohl auch auf Grund der sozialen Herkunft – durchschnittlich weniger selbstbewußt waren und offenbar auch deshalb schlechter mit Angst und Betroffenheit umgehen konnten.

Vitouch zieht daraus Schlüsse für die Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit: "Eine Erziehung zu Selbstbewußtsein und -verantwortung läßt die Menschen später auch leichter mit ihrer eigenen Betroffenheit umgehen, der Blick wird nicht verstellt." Reine Informationskampagnen mit emotionell ansprechenden Inhalten seien auf jeden Fall zu wenig.

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