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News: El Niños der Eiszeit

Das Phänomen El Niño und seine verheerenden Auswirkungen haben in den letzten Jahren für einige Schlagzeilen gesorgt. Die meisten Menschen denken dabei an tropische Wirbelstürme und Springfluten vor der Westküste Südamerikas. Geologische Untersuchungen förderten nun aber Erstaunliches zutage: El Niño-ähnliche Klimazyklen kamen in Neuengland vermutlich schon in der letzten Eiszeit, also vor rund 17 500 Jahren, vor, als weite Teile der nördlichen Hemisphäre von Gletschern bedeckt war. Somit ist El Niño offenbar nicht nur auf warme Regionen beschränkt.
Wissenschaftler definieren El Niño als eine Unterbrechung des Ozean-Atmosphären-Systems des tropischen Pazifiks, das entscheidende Konsequenzen für das globale Wetter mit sich bringt. Ein Abflauen der Passatwinde führt zu einem ungewöhnlichen warmen Wasserstrom, der vom westlichen Pazifik in östlicher Richtung zur Westküste Südamerikas fließt. Diese ausgesprochen große Masse warmen Oberflächenwassers tritt zyklisch in etwa alle drei bis fünf Jahre auf und verursacht starke Veränderungen der Wettermuster weltweit.

Eher zufällig stießen Forscher von der University of Massachusetts bei ihren geologischen Untersuchungen des Lake Hitchcock nun auf überraschende Fakten über das Klimaphänomen. Tammy Rittenour und ihre Kollegen versuchten aufzuklären, wie der Gletschersee am Ende der letzten Eiszeit weitgehend ausgetrocknet ist. Lake Hitchcock, der durch das langsame Abschmelzen des Laurentischen Eisschildes entstand, bedeckte einst das gesamte Tal des Connecticut-River vom südlichen Teil des Staates bis Vermont.

Die Wissenschaftler untersuchten zwei Bohrkerne – einen von etwa 30 Meter und einen von 7,6 Meter Länge. Da dem längeren Bohrkern der oberste Bereich der geologischen Aufzeichnung fehlte, entnahm man den kürzeren und brachte die beiden in Deckung, so dass ein Bohrkern von etwa 32 Meter Länge entstand. Die Sedimentations-Schichten bieten Geologen eine detaillierte Aufzeichnung der klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahrtausende. "Die Dicke der jährlichen Ablagerungsschichten, oder Warven, lässt auf die Menge des hereinkommenden Gletscherwassers rückschließen", erklärt die Leiterin der Studie, Julie Brigham-Grette.

Ihre Analyse der beiden Bohrkerne ergab, dass die Warvendicke alle drei bis fünf Jahre ein Maximum erreichte (Science vom 12. Mai 2000). Diese Entdeckung weist stark auf eine El Niño-Aktivität in der späten Phase der letzten Eiszeit hin. "Die Wärme der El Niño-ähnlichen Ereignisse ließ die Gletscherfront schneller schmelzen und führte eventuell auch zu einer Änderung der Niederschlagsmenge, wodurch die Ablagerungsschicht erhöht wurde", sagt Brigham-Grette.

"Bisher hatte man angenommen, dass El Niño ein Warm-Wetter-Phänomen ist, das vor nur 5000 Jahren begann", sagt Rittenour. "Unsere Ergebnisse weisen auf eine El Niño- Aktivität vor schon rund 17 500 Jahren hin. Das ist besonders bemerkenswert, da zu dieser Zeit Kanada und weite Teile der Vereinigten Staaten von Gletschern bedeckt waren."

Die Daten der Wissenschaftler untermauern die Ergebnisse, die von einem schwedischen Geologen vor fast einem Jahrhundert gemacht wurden. Ernest Antevs erstellte 1922 eine 4000 Jahre umfassende Aufzeichnung des Klimas in Neuengland, die auf den geschichteten Sedimenten basiert. Brigham-Grette und ihre Kollegen konnten ihre Ergebnisse mit denen Antevs in Korrelation bringen und sogar einige Lücken in seiner Warven-Chronologie schließen.

Die Wissenschaftler hoffen nun, durch die neu gewonnen Erkenntnisse einen tieferen Einblick in die Ursachen des El Niño-Phänomens zu gewinnen. Der an der Untersuchung beteiligte Forscher Michael Mann erklärt: "Die Hinweise auf seine Aktivität in der Eiszeit lassen vermuten, dass El Niño robuster ist, als wir bisher angenommen hatten. Daraus ergibt sich eine neue Ansicht der Veränderungen dieses Klimaphänomens, die in den letzten Jahrzehnten wahrgenommen wurden, und ihrer möglichen Auswirkungen auf das Wetter." Und Brigham-Grette fügt hinzu: "El Niño-ähnliches Klima kann auch auftreten, wenn die gesamte nördliche Hemisphäre von einer Eisschicht bedeckt ist. Es ist also kein Warm-Wetter-Phänomen. Dieses Wissen könnte helfen, die auslösenden Faktoren für El Niños zu ermitteln."

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