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Kommentare - - Seite 1076

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Eine Massenhypochondrie wird erzeugt

    07.05.2007, Dr. med Wolfgang Wittwer, Ålesund (Norwegen)
    Abgesehen von dem unwillkürlichen Unbehagen wegen des heruntergespielten immensen Missbrauchspotenzials derartiger Technologie, das einen beim Lesen des Artikels aus dem Hause Kleinstweich befällt, müsste es doch zu denken geben, dass in den meisten Kulturen das Vergessen als dem Erinnern zumindest gleich wichtig erachtet wird. Auch in den Religionen spielt das Vergessen eine wichtige Rolle, ist sogar das erlösende Ziel. Das Christentum hat hierzu ebenso Ideen entwickelt („Meer des Vergessens“) wie der Buddhismus mit seinem Nirwana.

    Auch in meinem Beruf als Psychiater und Psychotherapeut kann ich dieser laienhaft-positivistischen Einschätzung des absoluten Gedächtnisses nicht folgen. Ich sehe immer wieder das krankmachende und lebenszerstörende Nicht-Vergessen-Können, zwanghafte Wieder-Erinnern und die Hyperreflexion in der Posttraumatischen Belastungsreaktion: Viele andere Psychopathologien gehen mit der Unfähigkeit zu sortieren, zu werten und zu vergessen einher.

    Systeme wie das vorgestellte mögen zwar in der humanwissenschaftlichen Forschung durchaus nützlich sein, haben aber im täglichen Leben nichts zu suchen. Aufgrund der Massierung von Daten stellt sich grundsätzlich die Frage nach der individuellen Nutzbarkeit. Anfangs wird Datenmüll produziert, der aufgrund seiner Komplexität und/oder Menge für den Probanden zumeist nicht nutzbar ist und erst nach eingetretenem Schadensfall Erkenntnisse bringt. Was die Medizin betrifft: In der Folge wird eine Massenhypochondrie erzeugt, die von keinem Gesundheitssystem der Welt bewältigt werden kann.

    Der Artikel zeigt deutlich den kulturellen Wandel. Nicht kritische Reflexion, nicht Kontemplation, nicht bewusstes „Loslassen-Können“, sondern die Zwänge des Machens, des Konsums, der Wiederholung und der Kontrolle sind bestimmend geworden. Einen Sinn dahinter – außer den eines verzweifelten Bewältigungsversuchs einer verdrängten, aber abgrundtiefen Lebensangst – findet man nicht.


  • Weizsäcker, einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrh.

    05.05.2007, Dr. Wolfgang Schulz
    Carl Friedrich von Weizsäcker halte ich für einen der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts. Mir ist niemand bekannt, der so umfassend über fast alle Gebiete der Forschung Bescheid wusste und eine Synthese versucht hat.

    Ich mag noch dazu beisteuern, dass ich (als Ossi) Weizsäcker in Ostberlin bei einer Tagung der evangelischen Akademie in Berlin-Weissensee über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie gehört habe und sehr begeistert war. Leider konnte ich seine Bücher erst nach der Wende kaufen und lesen. Er hat sich zeit seines Lebens sehr für die Menschen in der DDR interessiert, sehr sympatisch. Ich habe ihn auch einmal vor der Wende im berühmten Physikhörsaal der Uni Leipzig, in dem Heisenberg seine Vorlesungen gehalten hatte, über die Interpretation der Quantentheorie gehört. Eindrucksvoll wie er ellenlange komplizierte Sätze ohne Manuskript richtig und klar zu Ende bringen konnte.

    Ich hätte gerne noch etwas über die Aufzeichnungen von Bohr über das berühmte Gespräch mit Heisenberg gewusst.

  • Neues durch Zufall

    04.05.2007, Prof. Dr. Fritz Müller, Weitenhagen
    Fortschritt ist schon deshalb unvermeidlich, weil die Zeit
    fortschreitet. Man darf nur Fortschritt nicht mit
    Verbesserung verwechseln.
    Aus der Sicht der Informationstheorie kann etwas Neues nur
    durch Zufall entstehen. Alles, was aus bekannten Sätzen
    durch Deduktion oder andere logische Operationen gefolgert
    werden kann, steckt in den Sätzen schon drin; es muss nur
    ausgegraben werden. Das ist keine Diskriminierung, denn
    manche Vermutung, z. B. Fermats Vermutung, musste 300 Jahre warten, bis sie bewiesen werden konnte. Entdeckungen, die durch Zufall gemacht werden, verlangen zwar Beschäftigung
    mit dem Gegenstand, erfordern aber keine besondere Begabung.
    Der Angler fängt einen Fisch nur durch Zufall, vorausgesetzt,
    er hält eine Angel in ein Wasser, in dem er Fische vermutet.
  • Was nützt diese totale Speicherung aller Daten?

    04.05.2007, Vogt, Nürnberg
    Was nützt die Speicherung dieser Daten für einen persönlich? Wer wertet sie aus?

    Was nutzt es, ständig nachzuschauen, wie man früher gehandelt hat? Das hätte nur einen Sinn, wenn jemand anderes daraus Rückschlüsse zieht. Doch wollen wir das wirklich, dass jemand anders immer und ständig weiß, was wir gesagt, gehört oder getan haben?

    Wer hat im Zorn schon mal rassistische Bemerkungen gemacht, auch wenn er kein Rassist ist, oder darüber gesprochen, wie man auch nicht ganz legal reich werden könnte?

    Wer hat noch nie beleidigt, beschimpft und strafbare Handlungen – z.B. im Straßenverkehr – durchgeführt?

    Wollen wir wirklich, dass all dies dokumentiert wird, um später dann bei geeigneter Gelegenheit gegen uns verwendet werden zu können?

    Das größte Problem sehe ich aber darin, dass viele versuchen werden zu schauen, wie sie früher gehandelt haben, und dadurch vollkommen abhängig von der Technik des ALL-Aufzeichnens werden und nicht mehr in der Lage sein werden, allein auf sich gestellt Entscheidungen zu treffen.

    Wie wollen diese Menschen z.B. nach einer Katastrophe überleben, wenn sie nicht auf ihren externen "Erfahrungsspeicher" zugreifen können, der interne Speicher aber diesen externen Speicher als Teil seiner selbst sieht? Diese Menschen werden an so einfachen Dingen wie der Nahrungsbeschaffung im Wald schon scheitern.
  • Ein Gehirn, das nicht vergessen kann, ist krank

    04.05.2007, Dr. Wolfgang Boese, Feldkirch (Österreich)
    Vergessen ist nicht mangelnde Fähigkeit des Gehirns, Erinnerungen zu speichern, sondern eine aktive Leistung des Gehirns, unter anderem um vergangene Erlebnisse richtig zu bewerten, Wichtiges von Irrelevantem zu trennen und in die aktuelle Gegenwart richtig einzuordnen, sowie um frei zu sein für neue Eindrücke und das Hier und Jetzt unter angemessener Berücksichtigung der Erfahrungen zu bewältigen.

    Ein Gehirn, das nicht vergessen kann, ist krank! Ein schönes, aber auch etwas exotisches Beispiel ist die Fallgeschichte von Lurija ("Kleine Geschichte eines großen Gedächtnisses") über einen Mann, der nichts vergessen konnte, auf der Bühne glänzte, da er fast unendlich Zahlenreien, Gedichte etc. memorieren konnte, im Alltag aber durch seine Erinnerungen beeinträchtigt war.

    Viel häufiger ist allerdings das Problem der Fixierung auf vergangene Erlebnisse bei Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Neurosen etc., die es unmöglich macht, den gegenwärtigen Alltag befriedigend zu bewältigen. Muss man eine an sich gesunde Leistung des Gehirns technisch unbedingt konterkarieren?

    Das Speichern aller Alltagserlebnisse ist problematisch, wichtiger als alles zu speichern ist zuerst die Frage, was es wert ist zu speichern (viel bleibt bei genauer Betrachtung nicht übrig; vielleicht medizinische Daten, Termine, persönlich relevantes Faktenwissen), und was es wert ist gelöscht zu werden. Sonst geht die Erkenntnis dessen, was wesentlich ist, endgültig im Datenmüll verloren.
  • Bitte weiterhin Preisrätsel !

    04.05.2007, Christof Weiss, Wien
    Aus der Anzahl der Einsendungen zu den Preisrätseln auf die Anzahl der Leser bzw. Löser zu schließen halte ich nicht für gerechtfertigt.
    Die meisten Leute mit Spektrum-der-Wissenschaft-Abo, die ich kenne, beschäftigen sich (ebenso wie ich) ausgesprochen gerne mit dem Rätsel und versuchen es zu lösen, nur dass sie eben (ebenso wie ich) im Allgemeinen keine Lösung einschicken, weil dazu dann die Zeit oder die Lust fehlen.
    Während man nämlich zum Lösen (oder Versuch dazu) selbst keinen besonderen Aufwand hat (das geht in der Strassenbahn ebenso wie in einem Lokal oder im Bett), muss man zum Einsenden der Lösung doch etwas Aufwand betreiben und kann das eben nicht so nebenbei, wenn man gerade den Artikel liest.

    Ich hoffe also, das Preisrätsel bleibt weiterhin als regelmäßige Rubrik.
  • Diskussion erfordert Spielregeln

    03.05.2007, Johann Bahr, Wien
    Das Streitgespräch zwischen Religion und Wissenschaft wird so lange fruchtlos bleiben, als davon ausgegangen wird, dass die beiden inkompatible Alternativen wären, die um die exklusive Gunst des Laien buhlen. Das mag in früheren Zeiten auch gestimmt haben, ist aber inzwischen ein Anachronismus. Dass die beiden Institutionen in letzter Zeit ihre selbstgesteckten Abgrenzungen gründlich korrigiert haben, ist obigem Laien größtenteils entgangen, weil diese nur in den internen Fachsprachen publiziert sind. Es fehlt an einer klaren Neudefinition der Materie in einer Sprache, die auch interessierte Laien verstehen, deren Sprecherrolle ich mir hier anmaße.

    Der lawinenartige Wissenszuwachs der Neuzeit bringt mit sich, dass der Anteil dessen, was der einzelne davon weiss immer mikroskopischer wird. Wo ist die Zeit eines Faust geblieben, dessen Wissensdurst noch grösser sein konnte als das ihm zur Verfügung stehende allgemeine Wissen! Der Mensch von heute leidet darunter, dass er immer weniger von dem begreifen kann, was zu seinem Leben gehört, und was er folglich eigentlich wissen sollte. Und was liegt näher, als diese Wissenslücken nach mittelalterlicher Manier mit Glauben zu füllen: glauben heisst zwar nichts wissen, aber wenn wissen immer mühsamer und aussichtsloser wird, ist glauben allemal bequemer und vollständiger. Damit verursacht die Wissenschaft genau jene Volksverdummung, die zu beseitigen sie eigentlich angetreten ist: anstatt das glauben allmählich abzulösen, wird paradoxer weise das wissen mehr und mehr durch glauben substituiert, und die Esoterik wird ein immer gefragterer Markt.

    Indem unsere Bildung immer mehr darauf angewiesen ist, vernünftig nachvollziehendes Verstehen durch blind vertrauendes Glauben zu substituieren, steigt naturgemäss die Gefahr, dass sich dazwischen auch Unvernünftiges einschwindelt. Dazu kommt, dass mit „Glauben“ auch ein Religionsbekenntnis bezeichnet wird, was zu peinlichen Missverständnissen führen muss. So verwechseln viele Menschen das komplexe Wissensgebäude der universitären Wissenschaft mit den Weisheiten einer Religion und meinen, damit einen vollwertigen Ersatz für ihr natürliches Religionsbedürfnis gefunden zu haben. Dass universitäre Wissenschaft dazu keineswegs geeignet bzw. gedacht ist, sollte diesen Menschen endlich klar gemacht werden, selbst wenn sie dies oft gar nicht wahrhaben wollen.

    Das religiöse Glaubensbekenntnis wird von manchen „Gläubigen“ (zumindest vielen „liberalen“ Katholiken) als eine Art Selbstbedienungsladen interpretiert, aus dem man sich die Rosinen zusammenklaubt, an die man intuitiv glauben möchte. Und da es hier nun einmal mehrere widersprüchliche Traditionen gibt, und diese zum Teil auch offensichtlichen wörtlichen Unsinn mitschleppen, muss man ohnehin selektieren und uminterpretieren, und nirgendwo ist konkret definiert, was davon nun noch absolut wahr zu bleiben hat; also muss und darf man sein Wunschdenken austoben. Und indem die Wissenschaft zugibt, nur unwidersprochene Hypothesen anzubieten, wird dort die Wahlfreiheit des Glaubens oder Ignorierens gerne analog gehandhabt: schliesslich wäre sie ja auch nichts anderes als ein modernes Substitut der Religion. Dass dort seriösere Regeln gelten und eben keine kryptisch umdeutbaren Argumentationen erlaubt sind wie in den archaischen Religionen, muss diesen Menschen erst einmal vermittelt werden.

    An obiger Gleichsetzung ist aber primär die Wissenschaft selbst schuld, indem sie dem ungebildeten Menschen ihre Abgrenzung gegen Religion und Metaphysik nicht gebührend verständlich macht. Die komplexe Eigendefinition der Wissenschaft erweckt beim Laien den Eindruck, man müsse erst selber ein Wissenschaftler sein und dessen Sprache sprechen, um zu verstehen, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Es wäre höchst an der Zeit, wenigstens die Renovierung der Wissenschaftsdefinition der letzten Jahrzehnte derart publik zu machen, dass ihre internen Regeln auch von skeptischen Laien und Wissenschafts-Verweigerern unmissverständlich nachvollziehbar werden.

    Nachfolgend erlaube ich mir ein Beispiel zu skizzieren, wie eine simple Darstellung der modernen universitären Wissenschaft mittels einer Auswahl von markanten Geboten bzw. Verboten aussehen könnte. Diese Regeln reduzieren sich hier einfach auf eine Liste von disqualifizierenden Argumentationen. Die Ähnlichkeit mit den zehn Geboten der Bibel ist unbeabsichtigt, aber unbestritten: da es wie gesagt primär um die äussere Abgrenzung gegen Verwechslungen geht, genügt es nur den äusseren Umriss bzw. die Eckpunkte abzustecken, wie Wissenschaft nicht argumentiert. Eine Unvollständigkeit bedeutet hier keine Schlampigkeit, sondern Abstraktion auf ein Exzerpt der allerwichtigsten Regeln, sowie die Überschaubarkeit und Merkbarkeit auch für uneingeweihte Laien.

    Arroganz, Diktat
    -1) Besitz der ultimativen Wahrheit, Perfektion, Axiom-Postulat, Überprüfungs-Unmöglichkeit ; Dogma, Zweifelerhabenheit, Veränderungsverbot, Hinterfragungsverbot ehrwürdiger Traditionen
    -2) Autorität oder Tradition als alleinige Legitimation, Machtwort, Majestätsbeleidigung ; institutioneller Anspruch auf übergeordnete autoritäre Kontrolle bzw. Genehmigung
    -3) Elitäre Bevormundung, Bewiesenheits-Suggestion ; Lehrpflicht, willkürliche Bereichs-Sonderregeln

    Magie, Quacksalberei
    -4) Guter/böser Geist, Metaphysik, Wunder ; ignorierte logische bzw. mathematische Unmöglichkeit, Zauberei
    -5) Unnachvollziehbare oder vielfach widerlegte Hypothese als Erklärung, unabgeleitete bzw. unbestätigte Behauptung ; unbeobachtete bzw. unerklärte Annahme, Argument „gesunder Hausverstand“
    -6) Mystik, Jenseits-Geheimnis ; natürliche ultimative Unerklärlichkeit

    Missbrauch, Egoismus
    -7) Moraldiktat, Sakrileg, Tabu, Anstandsbewahrungs-Schweigegebot ; Religions-Substitution
    -8) Forschungsverbot, Erkenntnisunterdrückung ; diktatorische oder suggestive Sprachregelung
    -9) Schein-Statistik, Zitatverfälschung, Betrugsverschleierung, erzwungene Überprüfungsvereitelung ; Nutzungsmonopol-Geheimnis, Regel-Uminterpretation, Traditionslegitimation, eigennützige Manipulation

    Dieses Beispiel ist noch lange kein Postulat, sondern möge eine herzliche Einladung an alle Wissenschaftler und interessierte Laien darstellen, ihre persönlichen Varianten von Minimal-Regeln in diesem Forum zu deponieren, sei es als Ergänzung, Reduktion, Korrektur, Alternative oder Totalablehnung. Ziel dieser Cyber-Diskussion sollte die kollektive Erarbeitung einer allgemein anerkannten Kurzfassung der bislang „ungeschriebenen Gesetze“ der Wissenschaft sein, die auch gänzlich anders orientierte Diskussionspartner nachvollziehen können. Damit sollte sich die meist frustrierende Diskussion mit Religion, Kreationisten, Pseudowissenschaften etc. beleben und entemotionalisieren lassen. Und wer sonst als diese Zeitschrift wäre dazu prädestiniert, solche Regeln zu redigieren und an die Uni-Türen zu nageln!
  • Hilfe für die Alten?

    03.05.2007, Hartmut Förtsch, Schwelm
    Als älterer Mensch wünsche ich mir manchmal, ein besseres Gedächtnis zu haben. Aber wünsche ich mir deshalb eine generelle Aufzeichnung meines Lebens?


    Ich kann mir sehr gut Situationen vorstellen, in denen ich die Speicherung von Fotos/Videos für sinnvoll erachte. In anderen Situationen wird das von mir viellecht nicht gewünscht. Wenn aber die Maschine alles speichert, gebe ich meine Entscheidungsfreiheit auf. Auch der Einsatz von Filtern ist keine echte Lösung, da Filterprogramme Regeln benötigen, die wiederum zuvor festgelegt sein müssen und somit u.U. der Situation nicht adäquat sind. Deshalb muss es möglich sein, unmittelbar vorher bzw. in der Situation entscheiden zu können, ob ich die Datenermittlung wünsche. Schließlich möchte ich mir die Freiheit lassen, mich auch unvernünftig zu verhalten. Auch nach einer erfassten Situation muss jederzeit die Möglichkeit bestehen, die Datenaufzeichnung zu löschen. Bei einer derartigen Wahlfreiheit macht aber z.B. ein Gesundheitsprotokoll wiederum keinen Sinn. In anderen Situationen ist aber vielleicht eine Protokollierung erwünscht, etwa zur Beweissicherung. Aber ist mein Gegenüber damit einverstanden? Schließlich muss auch er das Recht haben, über seine Daten und damit über die Aufzeichnung der gemeinsam erlebten Situation zu verfügen.


    Der Autor des Artikels hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass wir um das Problem der Erfassung und der Speicherung unseres Lebens nicht herum kommen. Die technischen Möglichkeiten sind – zumindest prinzipiell – vorhanden. Um so notwendiger ist es, sich bereits jetzt Gedanken darüber zu machen, wie und nach welchen Regeln wir unser Leben 'protokollieren' können, sollen oder dürfen. Eine Umfrage nach obigem Muster ist zwar interessant, wird aber der Problematik nicht gerecht.
  • Wagnis zur Metaphysik

    03.05.2007, Helmut Hansen, Hamburg
    Ich kann mich erinnern, mich mit einer Studie über Metaphysik als Wissenschaft an ihn gewandt zu haben. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, einen Brief von diesem großen Physiker zu erhalten. Metaphysik ist für einen Physiker in etwa das, was für den Teufel das Weihwasser. Man meidet es, wo man kann...
    Doch erhielt ich einen Brief - und mehr noch: Er hat mich sogar ermuntert, mich an zwei ihm bekannte "jüngere" Professoren zu wenden - mit dem Hinweis, dass er das empfohlen habe.
    Bezeichnenderweise sollte ich dann von diesen jüngeren Professoren nicht das Geringste hören - trotz seiner Empfehlung.
    Heute weiss ich, dass er - ebenso wie Einstein, der in einem Gespräch mit dem Physiker Arnold Sommerfeld behauptet hatte, alle Physik sei letztendlich Metaphysik - einer letzten Metaphysiker unserer Zeit war. Und wer seine Schriften kennt, kennt auch die sensiblen Stellen, in denen er dies ausdrücklich erklärt.

    Ich war tief berührt, dass die Medien, selbst so gehobene Sendungen wie die 3sat-Sendung 'Kulturzeit' mit einem lauwarmen Beitragüber diesen Universalgelehrten hinweg gegangen sind. Diesen Beitrag hätten sich die Macher dieser Sendung auch ebenso gut schenken können.





  • Missbrauchsrisiko

    03.05.2007, Rüdiger Haake, Münster
    Das Forschungsprojekt klingt natürlich verlockend. Doch man möge nur einmal an Orwells Werk '1984' denken – und verliert das Interesse an einem alles aufzeichnenden System. Das Risiko eines Missbrauchs durch den Staat oder andere Institutionen, von welchen wir abhängig sind, ist einfach zu groß. Ein Beispiel ist die Krankenversicherung, der wir vielleicht mehr zahlen müssten, wenn unsere gesundheitlichen Werte nicht der Norm entsprechen.
  • Vergessen ist lebenswichtig

    03.05.2007, Dr. Eugen Knöpfle, Günzburg
    Das Vergessen bis zum Verdrängen von Dingen ist ganz wesentlich im Leben – für die weitere Zukunft, für Planung und Gestaltung und den emotionalen Ausgleich eines Individuums. Wenn man die ganze Vergangenheit speichern will, ist kein Platz mehr vorhanden für Neues.
  • Wissenschaft erfasst nicht alles

    03.05.2007, Agnes Berger Bertschinger
    Wissenschaft ist wichtig, erfasst aber meiner Meinung nach nur einen Bruchteil der Welt und Wirklichkeit. Ich habe das Gefühl, dass sehr bedeutende Erlebnisse und die Kanäle, die hierfür benützt werden, nie in ihrer Ganzheit elektronisch festgehalten werden können und dass die Fülle der gemessenen Daten uns ablenken würde von wirklich Wesentlichem, das nicht wissenschaftlich erfasst werden kann! Ich würde auch einen Missbrauch der Daten befürchten und ein Beschneiden des freien Willens. Plötzlich wird mir aus Kostengründen vorgeschrieben, wieviel und wann ich etwas essen oder trinken darf, mich bewegen soll ... Andere mir wichtigere Einflüsse auf Gesundheit und Wohlbefinden hingegen werden im Vergleich zu wenig gewertet, wie zum Beispiel die innere Ruhe und Gelassenheit, der Humor ... Zudem gibt es Dinge, die ich bewusst möchte vergessen können ...
  • Überwachung total

    03.05.2007, Dieter Kohl, Ludwigsburg
    Der Titel des Artikels ist irreführend. Erinnerung findet im Gehirn einzelner Personen statt. Ob das Betrachten einer externen Datenaufzeichnung zu einer Erinnerung führt oder nicht, hängt davon ab, ob die betrachtende Person zum Zeitpunkt der Betrachtung in der Lage ist, einen Bezug zwischen externen Daten und im Gehirn bewusst zugänglichen Informationen herzustellen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Garantie – und für die meisten im beschriebenen System automatisch gesammelten Daten wird eine Erinnerung generell unmöglich sein, da diese Daten von der Person entweder nie selbst bewusst wahrgenommen worden sind oder längst vergessen worden sind.

    Der angemessene Titel wäre gewesen "Überwachung total", da ein System beschrieben wird, mit dem alle technisch sammelbaren Informationen zu einem Menschen und seiner Umgebung automatisch gesammelt werden.

    Die Autoren geben vor, dass das System zum Wohle des Einzelnen sei. Tatsächlich verletzt die Anwendung etliche Rechte sowohl von Einzelnen wie von Institutionen. Sollte ein derartiges System je verkauft werden, müsste es aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten werden.

    Als erstes fällt auf, dass Gordon Bell die Persönlichkeitsrechte jedes Menschen verletzt, dem er mit seiner SenseCam begegnet – er macht eine automatische Aufnahme, ohne zu fragen. Selbst wenn er fragen würde, er würde es sehr schwer haben diese Daten zu löschen, da in dem beschriebenen System das Löschen selbst schon wieder eine Datenspur nach sich ziehen würde (falls das nicht so wäre, wäre das System inhärent fälschbar).

    Diese automatische Aufnahme wird üblicherweise auch die Rechte von Institutionen, wie zum Beispiel Museen, verletzen, sofern dort Fotografieren untersagt ist.

    Das komplette Digitalisieren von urheberrechtlich geschützten Werken (Bücher und Zeitschriften zählen üblicherweise dazu) ist vielleicht für den Eigenbedarf noch zulässig (könnte jedoch bereits juristisch bedenklich sein, da Verlage Inhalte auch selbst in digitalisierter Form vermarkten wollen). In dem Moment, wo diese Daten jedoch auf einmal von anderer Seite zugänglich werden und damit unkontrolliert weiterverbreitet werden können, wird sich Gordon Bell strafbar machen.

    Im Kontext von Besuchen beim Arzt, im Krankenhaus oder einem Anwalt unterläuft er bis zu einem gewissen Grad die Schweigepflicht des Arztes oder Anwalts, wenn seine automatischen Aufnahmegeräte zufälligerweise Teile von Gesprächen zwischen Arzt/Anwalt und Patienten/Klienten aufzeichnen.

    Mit anderen Worten, Gordon Bell bewegt sich selbst derzeit mindestens in einer juristischen Grauzone.

    Sofern diese automatischen Aufnahmetechniken von einer hinreichend großen Zahl von Menschen (oder auch deren Haustieren) eingesetzt würden, würde dies für die übrigen Menschen in deren Umgebung bedeuten, dass von jedem Einzelnen ein detailliertes Bewegungsprofil aus diesen automatisch erfassten Daten erstellt werden kann.

    Das Problem ist nicht nur, dass die Personen, die die automatischen Aufzeichnungstechniken einsetzen, sich selbst einer permanenten Überwachung aussetzen, diese Personen setzen auch alle anderen Menschen einer permanenten Überwachung aus.

    Im realen Leben gilt es übrigens als Krankheit, wenn jemand unfähig ist, irgendetwas wegzuwerfen. Sich einen Datenberg anzuhäufen, weil man selbst oder irgendjemand anders vielleicht irgendetwas irgendwann einmal davon gebrauchen könnte, ist im Prinzip nur eine andere Ausdrucksform dieser Krankheit - allerdings weniger direkt sichtbar, da die Datenberge ja nur auf der eigenen Festplatte und auf irgendwelchen Backup-Servern im Internet verteilt sind (für jeden zugänglich, der genügend kriminelle oder staatlich autorisierte Möglichkeiten hat, auf diese Daten zuzugreifen, sie auszuwerten und nach Belieben zu manipulieren).

    Die Behandlung der Missbrauchsmöglichkeiten in dem Artikel erfolgt eher verharmlosend. Einerseits wird im Artikel eingeräumt, dass schon jetzt erhebliche Missbrauchsgefahren für persönliche Daten auf einem Computer bestehen und dass die Quantität der automatisch erfassten Daten das Schadenspotenzial für den Einzelnen erheblich erhöht. Jedoch klingt "Und selbst wenn unsere Computer gegen vorsätzliche Angriffe so gut gesichert werden wie ein Panzerschrank ..." mehr danach, dass die Autoren annehmen, dass es irgendeine Lösung geben könnte (obwohl auch Panzerschränke nicht absolute Sicherheit garantieren können).

    Und angesichts der in dem beschriebenen System immensen Flut an automatisch gesammelten persönlichen Daten auf die angebliche "Ungeschicklichkeit des Benutzers" zu verweisen, die alle Sicherheitsvorkehrungen zunichte machen können, ist schlicht eine Frechheit - ein durchschnittlicher Benutzer ist darauf angewiesen dass das Computersystem inhärent sicher ist, sodass "ein falscher Tastendruck" erst gar nicht zur Herausgabe dieser für den Benutzer unbekannten, aber sehr persönlichen Daten führen kann. Bei dem beschriebenen System geht es schließlich um mehr als um die überschaubaren direkten Fragen nach Name, Wohnort, Zahlungsweise etc., die derzeit bei Bestellungen abgefragt werden.

    Darüber hinaus sorgen sowohl etliche Softwarehersteller als auch einige Gesetzgeber dafür, dass die Computersysteme Zugangsmöglichkeiten haben, die vom Benutzer unbemerkte Zugriffe ermöglichen sollen - was gleichzeitig eine Angriffsmöglichkeit für Schadsoftware darstellt.

    Die angeblichen Vorteile, die im Artikel aufgeführt werden, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als nicht gegeben.

    • "Wissenschaftler werden einen Einblick in die Denkprozesse ihrer Vorgänger erhaschen": Diese Annahme ist schlicht grober Unfug - Denkprozesse spielen sich per Definition im Gehirn ab. Nur ein Bruchteil von dem, was eine Person dabei bewusst bedenkt, wird auch in irgendeiner Form externalisiert, vieles oftmals in derart kryptischer Form, dass dieselbe Person nach einiger Zeit mit den Daten selbst nichts mehr anfangen könnte. Falls man all das automatisch aufzeichnet, verschwindet das Ganze noch im üblichen Wust von Korrekturen von Tippfehlern, stilistischen Korrekturen oder schlicht versehentlichem Löschen mit oder ohne anschließender Rückgängigmachung.

    • Es ist eher zweifelhaft, dass eine permanente Überwachung der Arbeit die Produktivität steigert. Daten wie die Häufigkeit von Tippfehlern, die Häufigkeit von inhaltlichen Korrekturen oder die Bewegungen der Maus über den Bildschirm nützen bestenfalls einem Arbeitgeber, wenn er einen Kündigungsgrund für den überwachten Arbeitnehmer sucht, nicht jedoch dem Arbeitnehmer selbst. Das gleiche gilt für Aufzeichnungen darüber, dass ein Arbeitnehmer vielleicht zu viel Zeit für einen als "unwichtig" eingestuften Kunden aufwendet.

    • Der Vorschlag, firmenbezogene Daten aus dem Archiv zu löschen, wenn ein Arbeitnehmer eine Firma verlässt, bedeutet, im Bereich in sich hochgradig vernetzter Datenbestände Teile des Netzes zu zerstören. Es ist sehr zweifelhaft, ob dies möglich sein kann, ohne dabei das gesamte Netz unbrauchbar zu machen. (Der im Artikel gewählte Vergleich mit einer Amputation ist sehr treffend gewählt – nur dass die Analogie zu einer Amputation von Teilen eines Gehirns eben auch die analogen Folgen sehr drastisch beschreibt).

    • Die derzeitigen Virenscanner und Anti-SpyWare-Programme brauchen schon für eine einfache Windows-Installation mehrere Minuten, um schädliche Programme zu finden. Das bezieht sich auf Datenvolumen im Gigabyte-Bereich. Ein 1000-fach höheres Datenvolumen wird im besten Fall bedeuten, dass sich die Zeit "nur" vertausendfacht. Mit anderen Worten, nach einem Neustart darf der Benutzer erstmal eine Woche warten bis der Rechner hinreichend überprüft worden ist. (Die Autoren nehmen hoffentlich nicht ernsthaft an, dass zukünftige Rechner niemals einen Neustart benötigen werden.)

    • Das Problem, große Archive effizient zu durchsuchen und vor allem die relevante Information auch zu finden, besteht schon bei dem jetzigen Datenvolumen. Das Problem, wie man wichtige Information automatisch identifizieren und dann von unwichtiger trennen kann, ist gleichfalls nicht gelöst - vermutlich auch nicht lösbar, da "wichtig"/"unwichtig" in Bezug auf irgendeine Information selbst für dieselbe Person im Lauf der Zeit unterschiedlich bewertet werden wird. Mit anderen Worten, es würde versucht, ein subjektives Kriterium durch einen objektiven Klassifizierungsprozess zu erfassen.

    • Indem man das Datenvolumen in den Terabyte-Bereich für jedermann aufbläht, kommt man einer Lösung dieser Probleme sicherlich nicht näher. Lediglich der Datenmüllberg wächst.

    • Eine permanente Überwachung des aktuellen medizinischen Zustandes würde jede kleine Unpässlichkeit zu einem medizinischen Fall aufbauschen. Ein Arzt, der den medizinischen Datenmüll all seiner Patienten managen müsste, wäre eher zu bedauern. Für die Patienten würde es nur bedeuten, dass es zu massenhaften Fehlalarmen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes käme - was die Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit dann irgendwann ernsthaft krank machen würde.

    • Die permanente Überwachung der medizinischen Daten wird mit Sicherheit dazu führen, dass Versicherungen und Arbeitgeber fordern werden, diese Daten vor Vertragsabschlüssen einsehen zu können, oder dass Versicherungen fordern werden, diese Daten einzusehen, wenn sie den Verdacht haben, der Versicherungsnehmer könnte falsche Angaben gemacht haben.

    • Ständige Backups im Terabyte-Bereich für alle würde bei dem derzeitigen Stand der Weltbevölkerung von 6,6 Milliarden Menschen ein Datenaufkommen von 274 Byte (im Bereich von 1021 Byte) bedeuten. 99% davon dürften schlichtweg Datenmüll sein, der die Datenleitungen nur unnötig belastet. Und damit ist noch nicht mal berücksichtigt, dass gleichzeitig massenweise Audio- und Video-Daten über die Datenleitungen gehen werden.
  • Ach deswegen!

    02.05.2007, Dr. Roland Höller, Postfach 7, 90603 Rückersdorf
    Der Leonhard Euler-Comic zeigt, warum der Mann nicht nur Mathematiker, sondern auch Physiker geworden ist.

    Er wollte zeit seines Lebens herausfinden, was das für ein komisches Ding unter seinen Spielsachen ist - hat es aber nicht geschafft! (Meiner Meinung nach ist es eine Dampflokomotive). Leicht zu finden: Abbildung Seite 99 links, direkt vor seiner Nase!
  • Erinnerung total – fatal

    02.05.2007, Rena Rappel, München
    Das ist ja toll, dass Herrn David Digitals Zeitplanungsprogramm ihn darauf hinweist, dass er zu viel Zeit für einen unbedeutenden Kunden verschwendet. Wahrscheinlich weist es ihn kurz später darauf hin, dass er nun schon soundsoviel Stunden am Stück gearbeitet hat und nun dringend relaxen soll, und mehrmals am Tag wird er aufgefordert, jetzt was zu tun, was ihm Spaß macht, oder es wird ihm ein Witz eingespielt, auf dass er lachen möge - ganz wichtig für die Psychohygiene und hilfreich, wenn man das Optimum an Schaffenskraft erreichen und aufrechterhalten will. Mit anderen Worten: Abhängigkeit pur. Wenn wir Menschen es bisher nicht geschafft haben, eine Diktatur dauerhaft zu etablieren, vielleicht gelingt es mit diesen Computerprogrammen – statt der Diktatur des Proletariats die Diktatur der Bytes?!?

    Und wenn in dieser schönen neuen Welt Sohn Digital nicht ohne sein Lernprogramm zu befragen weiß, dass seine Noten ganz ok sind – dann hat er einen Teil seiner Hirnfunktion an den Computer abgegeben. Ob er die frei gewordenen Hirnareale dann für etwas anderes nutzt? Für was?

    In der heutigen bzw. bisherigen Welt beschäftigt sich Herr Digital mit dem Account des unbedeutenden Kunden xy vermutlich deshalb etwas länger, weil das ihm mehr SPASS macht als das langweilige des bedeutenderen
    Kunden yz. Unsere Gehirne sind AUCH darauf programmiert, uns unseren Aufenthalt auf dieser Welt möglichst angenehm zu gestalten. Nicht nur effektiv. Wobei letztendlich das eine das andere wohl mit bedingen dürfte.
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