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Biotechnologie: Algen als künftige Brennstoff-Erzeuger?

Einige Blau- und Grünalgen nutzen die Sonnenstrahlung außer zur Photosynthese auch zur Bildung von Wasserstoffgas, dem saubersten Brennstoff überhaupt. Zwar ist die Ausbeute gering, doch ließ sie sich per Gentechnik bereits deutlich steigern.


Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Auto betanken, indem Sie einfach einen Schlauch in Ihren Gartenteich eintauchen! Das ist ungefähr der Traum, den Wissenschaftler seit dem Ölembargo im Jahre 1973 zu verwirklichen suchen. Schon damals war bekannt, dass einige Cyanobakterien (früher als Blaualgen bezeichnet) und einzellige Grünalgen die Energie der Sonnenstrahlung dazu nutzen können, Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen. Wasserstoffgas aber ist der umweltfreundlichste Brennstoff überhaupt, weil es ohne Rückstände zu Wasser verbrennt. Damit angetriebene Kraftfahrzeuge würden keine Luftverschmutzung hervorrufen. "Ich bin überzeugt: Der BMW-Konzern wird in zehn Jahren bereits einige tausend wasserstoffbetriebene Fahrzeuge pro Jahr verkaufen", erklärte Joachim Milberg, Vorstandsvorsitzender dieses Unternehmens, im Vorfeld des diesjährigen Genfer Automobilsalons. Wasserstoffgas ist überdies ein erneuerbarer Energieträger, denn die Energie stammt ja direkt oder indirekt aus dem Sonnenlicht. Dadurch wird das Gas zu einer attraktiven Alternative zu den fossilen Brennstoffen Öl, Erdgas und Kohle, die umweltschädliche Abgase verursachen und deren Vorräte demnächst ohnehin zur Neige gehen.

Von Natur aus produzieren Grünalgen und Cyanobakterien aber nur wenig Wasserstoff – und oft auch nur dann, wenn sie unter ungünstigen Bedingungen leben müssen. In jüngster Zeit wurden nun einige Verfahren entwickelt, mit denen die Mikroben so "umprogrammiert" werden können, dass sie mehr von dem wertvollen Gas erzeugen.

Eigentlich müssten Grünalgen große Mengen Wasserstoff liefern. Sie können Wasser nämlich direkt in Wasserstoff und Sauerstoff spalten – durch einen Vorgang, der das biologische Äquivalent der Elektrolyse ist. Aber es gibt einen Haken dabei: Wenn diese Einzeller Wasserstoff produzieren, erzeugen sie gleichzeitig Sauerstoff durch die Photosynthese. Dieser aber schaltet die Hydrogenase, das Wasserstoff bildende Enzym, sofort ab. Das Ergebnis: die Algen produzieren nur Spuren des gewünschten Brennstoffs.

Nährstoffentzug steigert die Wasserstoffproduktion


Tasios Melis von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seine Kollegen am Nationallaboratorium für Erneuerbare Energien (NREL) in Golden (Colorado) haben jetzt einen Trick gefunden, das Problem zu umgehen (Plant Physiology, Bd. 122, S. 127). Sie arbeiten mit der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii, die in Fischteichen und Aquarien sehr verbreitet ist. Wenn ihr der Mineralnährstoff Sulfat vorenthalten wird, kann sie nicht länger einen schwefelhaltigen Proteinkomplex zusammenbauen, den sie für die photosynthetische Sauerstoffproduktion braucht. Damit entfällt die Hemmung der Hydrogenase, und die Algen fangen an, Wasserstoff zu bilden. Drei Milliliter Gas pro Stunde konnten die amerikanischen Wissenschaftler durchschnittlich aus einer Literflasche mit Algenkultur auffangen (Bild auf Seite 17).

Nach vier Tagen müssen die Algen allerdings wieder auf normale Photosynthese umschalten; sonst kümmern sie und sterben ab. Dennoch besteht Grund zu Optimismus; denn zum ersten Mal wurden größere Mengen Wasserstoff mit einem Organismus gewonnen, der vielleicht der effizienteste für diesen Zweck ist.

Auf der diesjährigen Tagung der American Association for the Advancement of Science, der weltweit größ-
ten naturwissenschaftlichen Fachgesellschaft, berichtete der Biophysiker Elias Greenbaum vom Oak Ridge Nationallaboratorium in Tennessee über ein weiteres Verfahren, die Wasserstoffbildung von Grünalgen zu steigern. Es ist so einfach wie genial: Man bläst Stickstoffgas durch die Kulturen und treibt so den Sauerstoff aus, bevor er Gelegenheit hat, die Wasserstoffproduktion zum Erliegen zu bringen. Damit konnte Greenbaum denselben Gasausstoß wie die Melis-Gruppe über 58 Tage hinweg aufrecht erhalten. Bis jetzt ist das Weltrekord.

Trotzdem produzieren die Grünalgen auch unter diesen Bedingungen nur einen Bruchteil der theoretisch möglichen Wasserstoffmenge. Um die Ausbeute weiter zu steigern, muss man vermutlich die Eigenschaften des Wasserstoff bildenden Enzyms künstlich verbessern. Einer von uns (Happe) schuf kürzlich die Voraussetzung dafür: Er konnte das Gen für eine neu entdeckte eisenhaltige Hydrogenase entziffern. Zur Zeit untersuchen wir, wie es aktiviert und die Biosynthese der Hydrogenase gesteuert wird. Später wollen wir das Enzym mit Hilfe von Computermodellen gentechnisch so verändern, dass es auch in Anwesenheit von Sauerstoff aktiv bleibt.

Cyanobakterien erzeugen gleichfalls Wasserstoff. Wenn sie wie Anabaena variabilis Zellfäden bilden, findet die Gasproduktion nur in besonderen Zellen statt, den so genannten Heterozysten (Bild). Der Wasserstoff ist dabei allerdings lediglich ein Nebenprodukt des Enzyms Nitrogenase, das primär einem anderen Zweck dient: der Umwandlung von Luftstickstoff in Ammoniak, der für die Synthese von Aminosäuren benötigt wird.

Auch bei den Cyanobakterien ist die Ausbeute an Wasserstoff gering. Dies hat allerdings einen anderen Grund als bei den Grünalgen. Die Cyanobakterien haben nämlich eine so genannte Aufnahmehydrogenase in der Außenmembran der Zellen, die den Wasserstoff in einer Art biologischer Knallgasreaktion mit Sauerstoff zu Wasser umsetzt. Daraus ergeben sich gleich zwei Vorteile für die Organismen. Erstens gewinnen sie zusätzlich Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) für ihren Stoffwechsel. Zweitens schützen sie die Nitrogenase vor Sauerstoff, der von außen in die Heterozysten eindringt; die Nitrogenase verträgt dieses Gas nämlich ebenfalls nicht gut, auch wenn sie nicht ganz so empfindlich darauf reagiert wie die Hydrogenase der Grünalgen.

Wie man Bakterien zu Wasserstoff-lieferanten umfunktioniert


Welche Möglichkeiten gibt es nun, die Wasserstoffproduktion der Cyanobakterien zu steigern? Die nahe liegends-te wäre, die Aufnahmehydrogenase zu inaktivieren. Dies ist vor kurzem einem von uns (Happe) und seiner Mitarbeiterin Kathrin Schütz erstmals gelungen (Journal of Bacteriology Bd. 182, S. 1624). Wir machten das Anabaena-Gen für die Aufnahmehydrogenase unbrauchbar, indem wir ein kurzes Stück Fremd-DNA einfügten. Der resultierende Stamm bildete bis zu fünfmal soviel Wasserstoff wie das ursprüngliche Bakterium. Eine unliebsame Folge eines solchen gentechnischen Eingriffs könnte sein, dass der mutierte Stamm wesentlich langsamer wächst oder weniger Stickstoff fixiert als die Wildform. Wie sich zeigte, war dies jedoch nicht der Fall.

Ist die biologische Wasserstoffproduktion konkurrenzfähig gegenüber Alternativen, bei denen das Gas über Strom aus Photovoltaik- oder Windkraftwerken gewonnen wird? Sie hat sicherlich den Vorteil, dass der Brennstoff unmittelbar und nicht auf dem – die Ausbeute mindernden – Umweg über die Elektrizität entsteht. Außerdem wird für die Herstellung des Ausgangsmaterials weitaus weniger Energie benötigt als etwa bei Solarzellen. Dennoch ist es jetzt wohl noch zu früh für eine Aussage darüber, welche Technologie sich am Ende wirklich als die günstigste herausstellen wird.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2000, Seite 17
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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