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Detektion von Explosivstoffen


Um Bombenanschlägen und Flugzeugentführungen vorzubeugen, aber auch, um die aktuelle Belastung von Böden mit den oft giftigen Substanzen zu beurteilen, bedarf es empfindlicher Nachweisverfahren für Sprengstoffe.

Dazu zählen insbesondere die auf Flughäfen eingesetzten sogenannten Schnüffelmethoden. Wie von Flüssigkeiten dampfen auch von jeder festen Substanz schon bei Raumtemperatur einige Moleküle ab, die sich bei ausreichender Konzentration einfangen und identifizieren lassen. Während diese Gasphase über den Flüssigsprengstoffen Ethylenglycoldinitrat und Nitroglycerin an die 100000000 beziehungsweise 580000 flüchtige Moleküle pro Trillion Luftmoleküle (parts per trillion, ppt) enthält, sind es bei dem in 2,4,6-Trinitritoluol (TNT) mitunter enthaltenen Sprengstoff Dinitrotoluol 55700 und bei TNT selbst immerhin noch 9400. Dagegen bedarf es bei Nitropenta mit 18 ppt und Hexogen mit nur 6 ppt sehr empfindlicher Detektoren. Die Detonationswirkung beider Substanzen ist sehr viel größer als die von TNT, und sie sind häufig Bestandteil von Plastiksprengstoffen.

Bei der Schnüffelmethode saugt man zunächst Explosivstoffpartikel mit einem Gassammler von einem Gepäckstück, Händen oder Kleidern der Fluggäste ab. Eine spezielle Analyseeinheit – gewöhnlich Chemolumineszenz-Geräte, Gaschromatographen oder Massenspektrometer – nimmt die Identifizierung vor. Für den Nachweis genügt oft schon ein winziges Partikelchen mit einem Mikrogramm (millionstel Gramm) Masse. Bei Explosivstoffgemischen lassen sich auch einzelne Komponenten und ihre jeweiligen Konzentrationen bestimmen.


Strahlungsnachweis

Schon seit Jahrzehnten wird Fluggepäck mit Röntgenstrahlen durchleuchtet, um metallische Gegenstände wie Waffen zu erkennen. Plastiksprengstoffe ohne metallene Umhüllung bleiben dabei unentdeckt. Ihr Nachweis gelingt mit kerntechnischen Methoden (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1989, Seite 56).

Dazu zählt die thermische Neutronen-Aktivierungsanalyse (TNA). Dabei bestrahlt man die Explosivstoffe mit thermischen Neutronen. Diese wechselwirken mit den Atomkernen der Materialien, wobei radiaktive Isotope entstehen; sie emittieren für das jeweilige Element charakteristische Gammstrahlung. So absorbiert der in Sprengstoffen in hoher Konzentration vorhandene Stickstoff (zum Beispiel beträgt der Stickstoff-Anteil an TNT 18,5, an Hexogen 37,8 und an Nitropenta 17,7 Prozent) ein Neutron, und es entsteht das angeregte Isotop 15N, dessen Strahlung sich leicht nachweisen läßt. Als Neutronenquelle dient das Radioisotop Californium 252Cf oder ein elektronischer Neutronengenerator.

Damit lassen sich Sprengstoffe in Gepäck mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 bis 96 Prozent nachweisen, wobei in 3 bis 8 Prozent der Fälle falscher Alarm gegeben wird. Bei Transportcontainern ist die Nachweiswahrscheinlichkeit 90 bis 95 Prozent, und die Fehlerhäufigkeit beträgt 1 bis 4 Prozent.

Das erste derartige Gerät wurde 1989 im John-F.-Kennedy-Flughafen New York für Routine-Untersuchungen in Betrieb genommen. Fünf weitere sind seit Januar 1990 auf verschiedenen internationalen Flughäfen in den USA und Europa installiert. Jedes davon kostet etwa eine Million Dollar.


Elektrochemischer Nachweis

TNT ist in hohem Maße giftig, krebserregend und mutagen, verändert also die Erbsubstanz. Gelände ehemaliger Truppenübungsplätze und Sprengstoffbetriebe, die nun brachliegen, sind oft so stark damit kontaminiert, daß sie landwirtschaftlich nicht mehr zu nutzen sind. Um diese Flächen zu erkunden und das Gefährdungspotential abzuschätzen beziehungsweise gegebenenfalls eine Sanierung zu überwachen, entnimmt man derzeit Proben, die in chemischen Labors analysiert werden. Die dabei anfallenden Kosten können die Aufwendungen für die Sanierung selbst weit übersteigen; außerdem gehen durch diese örtliche Trennung von Beprobung und Analyse möglicherweise Informationen verloren.

Eine schnelle, einfach zu handhabende und preiswerte TNT-Analytik, die sich direkt am Ort der Probennahmen durchführen läßt, erfordert ein geeignetes Sensorsystem. Eine Möglichkeit dafür wäre die oft eingesetzte amperometrische Sonde. Diese Elektrode wird in eine mit Säure aufgeschlämmte Bodenprobe getaucht und der bei einer festen Spannung durch Oxidations- und Reduktionsreaktionen entstehende Strom gemessen. Dessen Größe ist proportional der Konzentration an geladenen Teilchen, und durch die Vorgabe des Potentials stellt man das System auf die jeweils nachzuweisende Substanz ein. Allerdings ist eine aufgeschlämmte Bodenprobe ein sehr komplexes und variables Gemisch, so daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß auch andere Stoffe reagieren und zum Meßsignal beitragen.

Deshalb verwenden wir eine in der Sensorik selten genutzte elektrochemische Methode, die zyklische Voltametrie. Dabei variiert man über einen weiten Bereich das Potential der Elektrode in einem Meßzyklus. Der elektrochemische Strom erreicht bei charakteristischen Potentiallagen Spitzenwerte; die Höhe eines Strompeaks gibt Aufschluß über die Konzentration der Substanz. Während eines Meßzyklus läßt sich gleichzeitig die Qualität der Elektrode bestimmen und auf die Anwesenheit von störenden Stoffen schließen – das Sensorsystem überprüft sich jeweils selbst. Bei Aufschlämmung in Wasser setzt allerdings dessen Zersetzung in Wasserstoff- und Sauerstoff die Potentialgrenzen und engt damit den Bereich nachweisbarer Substanzen ein.

Unser TNT-Sensor wird derzeit im Rahmen von Applikationstests auf verschiedenen Liegenschaften eingesetzt. Die Analyse von Bodenproben erfolgt dabei mit einem transportablen Handgerät direkt vor Ort (Bild). Erste Resultate zeigen, daß sich damit innerhalb weniger Sekunden der TNT-Gehalt einer aufgeschlämmten Probe bestimmen läßt. Zudem kann man mit einer Weiterentwicklung auch Gasproben untersuchen, um damit Landminen zu detektieren (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, Juli 1996, Seite 64).


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1996, Seite 101
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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