Direkt zum Inhalt

Meteoriteneinschläge: Tödliche Treffer in Serie

Eine kosmische Bombe hat höchstwahrscheinlich vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht. Auch andere, frühere Massensterben dürften auf das Konto verheerender Einschläge kilometergroßer Meteoriten gehen.


Kaum jemand ist sich dessen bewusst – aber unser Planet steht unter einem ständigen Beschuss aus dem Kosmos. In unserer galaktischen Nachbarschaft wimmelt es von Kometen, Asteroiden und anderen Überbleibseln aus der Frühzeit des Sonnensystems. Der größte Teil dieses Weltraumschutts besteht aus interplanetarem Staub; doch unter den kosmischen Projektilen, die in der Vergangenheit auf den Globus geprasselt sind, gab es auch einige gewaltige Brocken mit Durchmessern von fünf oder mehr Kilometern.

Anhand der Zahl der Mondkrater konnten Astronomen abschätzen, dass während der letzten 600 Millionen Jahre etwa sechzig solcher großkalibrigen Geschosse die Erde getroffen haben müssen. Selbst die kleinsten unter ihnen sollten eine fast hundert Kilometer breite Narbe hinterlassen und beim Aufprall eine kinetische Energie freigesetzt haben, die der Detonation von zehn Teratonnen Trinitrotoluol (TNT) entspricht; eine ähnlich unvorstellbare Sprengkraft hätten knapp eine Milliarde Hiroshima- oder eine Million Wasserstoffbomben.

Derart verheerende Einschläge haben die Bedingungen für das irdische Leben binnen kürzester Frist dramatisch verändert. Tatsächlich zeigt die fossile Überlieferung während der letzten 600 Millionen Jahre fünf große biologische Krisen, bei denen jeweils mehr als die Hälfte aller vorhandenen Arten zu Grunde ging. Nach über einem Jahrzehnt heftiger Kontroversen gilt inzwischen als gesichert, dass ein Asteroideneinschlag eine dieser Katastrophen verursachte: das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Dagegen gab es bei den anderen Massenextinktionen bis vor kurzem keine klaren Belege dafür, dass sie mit dem Aufprall eines kosmischen Objekts zusammenhängen.

In den letzten zwei Jahren ist es Wissenschaftlern jedoch gelungen, Orte und Zeitpunkte großer Einschläge genauer einzugrenzen. Insbesondere entdeckten sie in gewissen geologischen Schichten neue chemische Indikatoren (Tracer) für Asteroideneinschläge – so in Gesteinen vom Ende der Epoche des Perms vor 250 Millionen Jahren. Damals gingen bei einer der schlimmsten bekannten Massenextinktionen, dem so genannten Großen Sterben, neunzig Prozent der Lebewesen in den Weltmeeren zu Grunde.

Woran erkennt man den Einschlag einer steinernen Bombe aus dem All? Die besten direkten Hinweise sind Krater und durch den Aufprall zertrümmerte oder komprimierte Gesteine. In der Tat finden sich derlei Zeugnisse vereinzelt in erdgeschichtlichen Perioden, in denen eine Massenextinktion stattgefunden hat. Allerdings sind sie oft unter dicken Se-dimentschichten verborgen oder durch Erosion unkenntlich gemacht.

Inzwischen wurden weitere direkte wie indirekte Spuren identifiziert, welche die größten Einschläge in der Abfolge der Gesteinsformationen hinterlassen haben. Zu den direkten Zeugnissen gehören winzige mineralische Kristalle, die beim Aufprall zersplittert oder sogar geschmolzen sind. Wichtige Anhaltspunkte liefern auch Konzentrationen chemischer Elemente, von denen man weiß, dass sie im All häufig, auf der Erde aber nur selten vorkommen. Einen ausgesprochen exotischen neuen Tracer fanden meine Kollegen und ich in diversen Sedimenten und Kratern, die vermutlich von einem Asteroiden herrühren: Fullerene, also kugelförmige Kohlenstoffmoleküle, in denen Edelgase extraterrestrischen Ursprungs eingeschlossen waren.

Die indirekten Spuren stammen meist aus dem biologischen Bereich – etwa ein schnelles Absterben der Vegetation oder ein abrupter Produktivitätsabfall der Meeresorganismen. Beides trat, wie Paläontologen festgestellt haben, zeitgleich mit mindestens drei der fünf großen Massenextinktionen auf. Derart schwere plötzliche Störungen des Ökosystems der Erde sind ungewöhnlich, und für manche Wissenschaftler kommt als Ursache nur ein Asteroideneinschlag in Frage.

Saurier-Killer

Den ersten Hinweis darauf, dass ein großes Artensterben auf ein Geschoss aus dem All zurückgehen könnte, lieferte eine extrem hohe Konzentration an Iridium in einer dünnen Gesteinsschicht. Dieses Edelmetall findet sich in Gesteinen an der Erdoberfläche nur in äußerst geringer Konzentration, während es in Meteoriten häufig ist. 1980 entdeckte ein Forscherteam von der Universität von Kalifornien in Berkeley unter Führung des Physik-Nobelpreisträgers Luis Alvarez und seines Sohnes, des Geologen Walter Alvarez, das seltene Element in großen Mengen in einer zentimeterdicken Tonschicht, die in der Nähe von Gubbio in Italien zu Tage lag. Eine Überschlagsrechnung ergab schnell, dass die gemessene hohe Konzentration nicht durch das Iridium zu erklären war, das mit dem kosmischen Staub tagtäglich auf die Erde niederregnet. Aus seiner Menge schlossen die Wissenschaftler, es müsse sich um den Fallout einer Explosion handeln, hervorgerufen durch den Einschlag eines Asteroiden mit zehn bis vierzehn Kilometer Durchmesser.

Noch faszinierender war das Alter der Tonschicht: 65 Millionen Jahre. Exakt damals, am Ende der Kreidezeit, verschwanden die Dinosaurier von unserem Planeten. Daraus schlossen die Forscher aus Berkeley, dass der Einschlag eines großen Asteroiden die einstigen Beherrscher der Welt ausgelöscht habe – und dass ähnliche Ereignisse möglicherweise auch für die anderen massenhaften Ausrottungen von Lebewesen während der letzten 600 Millionen Jahre verantwortlich wären.

Vor zwanzig Jahren sorgte diese kühne, ja ketzerische These für Aufsehen; denn die meisten Paläontologen machten erhöhte Vulkanaktivität für den Untergang der Dinosaurier verantwortlich. Zudem glaubten sie nicht an ein plötzliches Aussterben der "schrecklichen Echsen", sondern an einen allmählichen Niedergang. Vater und Sohn Alvarez lösten mit ihrer neuen Sicht intensive Debatten aus und sorgten dafür, dass Gesteine aus der Kreidezeit auf der ganzen Welt genauer unter die Lupe genommen wurden.

Diese gründliche Untersuchung brachte drei weitere Indizien für einen Asteroideneinschlag ans Licht, die von dramatischen Vorgängen am Erdboden und im Pflanzenreich kündeten: winzige Glaskügelchen, mit Rissen und Brüchen durchsetzte ("geschockte") Quarzkristalle und hohe Konzentrationen an Ruß. 1981 entdeckte Jan Smit von der Freien Universität Amsterdam mikroskopisch kleine Tröpfchen aus glasartig erstarrter Gesteinsschmelze. Seiner Meinung nach waren sie entstanden, als beim Aufschlag eines Asteroiden schmelzendes Gestein in die Luft geschleudert wurde, wo es zersprühte, rasch abkühlte und in Form feiner Tröpfchen wieder erstarrte. Drei Jahre später erklärten Bruce Bohor und seine Kollegen vom US Geological Survey auch die Brüche in den Quarzkristallen als Folge des gewaltsamen Aufpralls eines Asteroiden. Auf der Erde treten nur sehr selten Kräfte auf, die imstande sind, dieses äußerst stabile Mineral zu verformen, das selbst die hohen Temperaturen und Drücke tief im Innern der Erdkruste heil übersteht.

Als die winzigen Glastropfen und zerrütteten Quarzkristalle als Einschlagspuren gedeutet wurden, machte die Mehrheit der Wissenschaftler noch extremen Vulkanismus für beide Phänomene verantwortlich. Doch können gewaltige Eruptionen zwar Quarzkörner zerbrechen, aber nur in einer Richtung und nicht in mehreren wie bei Bohors Proben. Außerdem enthielten die erstarrten Gesteinströpfchen Spurenelemente, die sich deutlich von denen bei Vulkanausbrüchen unterschieden. Seit den 1980er Jahren fanden Wissenschaftler in Schichten vom Ende der Kreidezeit weltweit an mehr als dreißig Stellen geschockten Quarz und an mehr als hundert Orten erhöhte Iridium-Werte.

Am wenigsten umstritten war das dritte neu entdeckte Einschlagmerkmal: Ruß und Asche als Folge der beim Aufschlag ausgelösten Brände. Die Konzentration dieser Teilchen erreichte mehr als das Zehntausendfache normaler Werte.

Der überzeugendste letzte Puzzle-Stein im Asteroiden-Szenario am Ende der Kreidezeit war jedoch die Entdeckung des Einschlagtrichters selbst. Er liegt im Bereich der mexikanischen Halbinsel Yucatán und ist heute unter dem Namen Chicxulub-Krater bekannt. Schon kurz nachdem Vater und Sohn Alvarez 1980 ihre These verkündet hatten, berichteten der Geophysiker Tony Camargo von der Nationalen Mexikanischen Ölgesellschaft Pemex und Glen Penfield von der Firma Carson Services in Pennsylvania von einem riesigen kreisförmigen Gebilde, auf das sie bei der Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen im Golf von Mexiko gestoßen waren. Andere Wissenschaftler bestätigten 1991 die Existenz dieses Kessels und schätzten seinen Durchmesser auf fast 200 Kilometer.

Das Auffinden eines überzeugenden Kandidaten für den gesuchten Einschlagkrater bedeutete einen Wendepunkt. Immer mehr Wissenschaftler, die nach den Gründen für extreme Klimaschwankungen und Massenextinktionen in der Erdgeschichte suchten, wandten ihren Blick nun weg von irdischen Ursachen wie Vulkanausbrüchen und hin zu katastrophalen Treffern aus dem All. Zwar werden in beiden Fällen riesige Mengen von Schadstoffen wie Asche, Schwefel- und Kohlendioxid in die Atmosphäre geschleudert, was Klima und Umwelt massiv beeinträchtigt. Der große Unterschied besteht jedoch im zeitlichen Ablauf. Das urplötzliche Freisetzen schädlicher Substanzen beim Aufprall eines Asteroiden dürfte zu einem biologischen Kahlschlag binnen weniger Jahrtausende führen. Bei intensivem Vulkanismus entweichen die Giftgase dagegen über Millionen von Jahren hinweg, was den Organismen und ihren Lebensräumen eine wesentlich längere Galgenfrist verschafft.

Aus diesem Grund favorisierten Paläontologen zunächst die Vulkanismustheorie; denn in der fossilen Überlieferung scheinen Arten nicht von heute auf morgen zu verschwinden. Doch schon 1983 deuteten Philip Signor von der Universität von Kalifornien in Davis und Jere Lipps von Berkeley diesen Eindruck eines allmählichen Aussterbens als Folge einer verzerrten Wahrnehmung. Sie entstehe, weil Paläontologen bei der Ermittlung des letzten Auftretens einer bestimmten Spezies die Unvollständigkeit der fossilen Überlieferung und die Besonderheiten des Fossiliensammelns außer Acht ließen. Dadurch würde das Todesdatum von Spezies oft zu früh angesetzt.

Viele Forscher führten daraufhin zeitlich hochaufgelöste Untersuchungen an mehreren Arten durch, um statistisch verlässlichere Abschätzungen zu erhalten. Diese zeigten, dass die tatsächlichen Spannen für das Artensterben am Ende der Kreidezeit wie auch des Perms nur Jahrtausende statt Jahrmillionen betrugen, was nach geologischen Maßstäben extrem kurz ist. Zwar gab es intensiven Vulkanismus, und die von ihm bewirkte Klimaänderung trug zum Untergang einiger Arten bei. Aber das Leben begann sich bereits wieder zu erholen, bevor die Eruptionsphase abgeklungen war – ein klares Argument für die Einschlaghypothese.

Außerirdische Trittbrettfahrer

Die Erkenntnis, dass auch das Große Sterben in einem sehr kurzen Zeitraum stattfand, brachte einige Wissenschaftler dazu, nach dazu passenden Einschlag-spuren und Kratern zu suchen. Tatsächlich gab es in den frühen 1990er Jahren wissenschaftliche Berichte über Funde von Iridium und geschocktem Quarz in Gesteinen vom Ende des Perms; allerdings betrugen die Konzentrationen nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der Werte in den Tonschichten vom Ende der Kreidezeit. Daraufhin erklärten einige Paläontologen, der Asteroideneinschlag, der das Zeitalter der Saurier beendete, sei genauso einzigartig gewesen wie die Tiere selbst.

Andere Wissenschaftler urteilten dagegen nicht so vorschnell und gaben zu bedenken, dass die Gesteine am Ende des Perms vielleicht nicht dieselben Indikatoren in den gleichen Mengen bewahrt hätten wie die Proben am Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär. Ein Grund dafür könnte sein, dass die irdischen Landmassen damals in einem Superkontinent namens Pangäa vereinigt waren, dem der Superozean Panthalassa gegenüberstand. Ein Asteroid oder Komet, der auf den tiefen Ozean träfe, sollte keinen geschockten Quarz erzeugen; denn zum einen würde der Aufprall durch das Wasser gemildert, und zum anderen ist Quarz in ozeanischer Kruste selten. Desgleichen dürfte der Asteroid beim Aufprall im Wasser nicht komplett schmelzen oder verdampfen und sein Material in die Atmosphäre schleudern. Mithin gäbe es auch keinen weltweiten Iridium-Regen. Bei einem Einschlag im Meer müsste man folglich nach anderen Indikatoren suchen.

Einer davon, der schließlich in Meteoriten und zwei Einschlagkratern auftauchen sollte, ergab sich aus der zufälligen Entdeckung einer neuen Form von Kohlenstoff. Im zweiten Jahr meiner Doktorarbeit an der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla in Kalifornien zeigte mir mein Doktorvater, der Geochemiker Jeffrey Bada, einen gerade im Scientific American erschienenen Artikel (Spektrum der Wissenschaft 12/91, S. 88). Er berichtete über die Entdeckung einer neuen Form von Kohlenstoff.

Dabei handelte es sich um geschlossene Käfige aus Kohlenstoffatomen, die nach Richard Buckminster Fuller, dem Erfinder der geodätischen Kuppelbauten, Fullerene getauft wurden. Eine Gruppe von Astrophysikern und Physikochemikern hatte sie 1985 unabsichtlich in winzigen Mengen erzeugt, als sie die Bildung von kohlenstoffhaltigem "Sternenstaub" experimentell nachahmen wollte – und erhielt dafür 1995 den Chemienobelpreis. Weitere Experimente zeigten, dass Fullerene im Unterschied zu Grafit und Diamant, den beiden anderen Modifikationen von Kohlenstoff, in einigen organischen Lösungsmitteln löslich sind – eine Eigenschaft, mit deren Hilfe man sie schließlich in reiner Form gewinnen und ihre Existenz beweisen konnte.

Wie das Iridium gelangt der kohlenstoffhaltige Sternenstaub durch Asteroiden, Kometen und einen ständigen Regen kosmischer Teilchen auf die Erde. Deshalb beschlossen wir, in irdischen Sedimenten nach den exotischen Kohlenstoffkäfigen zu suchen. Wir wählten eine bekannte Einschlagstelle, den 1,85 Milliarden Jahre alten Sudbury-Krater in der kanadischen Provinz Ontario. Er ist mit einer einzigartigen kohlenstoffreichen "Brekzie" ausgekleidet: einer Mixtur aus zerschmettertem Ursprungsgestein und Material aus dem Fallout der Explosion. Ähnlich wie beim Chicxulub-Krater ließ sich auch hier die Mehrheit der Wissenschaftler erst davon überzeugen, dass es sich um einen Einschlagtrichter und nicht um eine vulkanische Erscheinung handelt, als geschockte Quarzkristalle und so genannte Schmetterkegel (Shattercones) entdeckt wurden. Das sind kegelförmige Strukturen, die man als im Gestein gefangene Stoßwellen bezeichnen könnte.

Da Fullerene reine Kohlenstoffmoleküle sind, hielten wir die kohlenstoffreiche Brekzie von Sudbury für ein viel versprechendes Ausgangsmaterial zur Suche danach. Und so machten wir uns 1993 daran, in dem Krater Proben zu sammeln. Aus diesen konnte ich, indem ich die besonderen Löslichkeitseigenschaften der Fullerene ausnutzte, im Labor tatsächlich die stabilsten Vertreter der Käfigmoleküle isolieren: diejenigen mit 60 oder 70 Kohlenstoffatomen. Hatten sie als blinde Passagiere mit dem Himmelskörper die Erde erreicht und den katastrophalen Aufprall überlebt oder waren sie erst in der Hitze und unter dem enormen Druck beim Aufprall gebildet worden? Diese Frage galt es als Nächstes zu klären.

Eine Möglichkeit dazu hatten kurz zuvor der organische Chemiker Martin Saunders und seine Kollegen an der Yale-Universität in New Haven (Connecticut) sowie der Geochemiker Robert Poreda von der Universität Rochester im US-Bundesstaat New York entdeckt. Der Test beruht auf der ungewöhnlichen Fähigkeit der Kohlenstoffkäfige, Edelgase wie Helium, Neon und Argon in ihrem Inneren einzuschließen. Als Bada und ich 1994 von dieser Entdeckung hörten, baten wir Poreda, unsere Fullerene von Sudbury zu untersuchen. Aus Messungen an Meteoriten und kosmischem Staub war bekannt, dass die Edelgase im All in einem anderen Isotopengemisch vorkommen als auf der Erde. Um festzustellen, woher unser exotischer Kohlenstoff stammte, brauchten wir also nur das Mengenverhältnis zwischen den Atomsorten unterschiedlicher Masse bei den eingefangenen Gasen zu untersuchen.

Himmlische Käfigmoleküle

Was wir fanden, erstaunt uns noch heute: Die Sudbury-Fullerene enthielten Helium mit derselben Isotopenverteilung, wie sie in einigen Meteoriten und in kosmischem Staub vorkommt. Offenbar hatten die Moleküle den katastrophalen Aufprall überlebt, aber wie? Geologen sind sich einig, dass der Asteroid von Sudbury einen Durchmesser von mindestens acht Kilometern gehabt haben muss. Computersimulationen zufolge sollten alle organischen Verbindungen in einem Objekt dieser Größe beim Aufprall verdampfen. Ein weiterer heikler Punkt war, dass es zunächst keine überzeugenden Hinweise darauf gab, dass Meteoriten überhaupt Fullerene enthalten.

Den möglichen Grund dafür glaubten wir allerdings zu kennen: Es war nicht nach allen bekannten Typen von Kohlenstoffkäfigen gesucht worden. Bei dem astrophysikalischen Experiment zur Simulation der Entstehung von Sternenstaub hatte sich zusätzlich zu den Molekülen mit 60 und 70 Atomen eine Familie von größeren Fullerenen gebildet. Als ich spaßeshalber solche größeren Exemplare in einigen kohlenstoffreichen Meteoriten zu isolieren versuchte, fand ich ein ganzes Sortiment davon mit bis zu 400 Kohlenstoffatomen. Und wie ihre kleineren Gegenstücke aus dem Sudbury-Krater enthielten sie extraterrestrisches Helium, Neon und Argon!

Nach diesem ermutigenden Test beschlossen Poreda und ich, unsere neue Methode an Sedimenten zu prüfen, die mit Massensterben in Verbindung stehen. Zuerst nahmen wir uns Fullerenproben, die in Ablagerungen vom Ende der Kreidezeit entdeckt worden waren, noch einmal vor. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Dieter Heymann von der Rice-Universität in Houston (Texas) hatte den exotischen Kohlenstoff als Teil des Rußes interpretiert, der sich im Gefolge der massiven Brände nach dem Aufprall ansammelte. Die Hitze eines solchen Feuers mag ja intensiv genug gewesen sein, um den pflanzlichen Kohlenstoff in Fullerene umzuwandeln. Allerdings konnte sie das außerirdische Helium nicht erklären, das wir in den Käfigen fanden.

Durch diesen neuerlichen Erfolg ermutigt, trauten wir uns schließlich an geologische Schichten heran, die mit dem Großen Sterben verknüpft sind und bei denen es bisher keinen Beweis dafür gab, dass sie von einem Asteroideneinschlag herrühren. Und wieder wurden wir fündig. Im Februar 2001 konnten wir über extraterrestrisches Helium und Argon in Fullerenen aus Gesteinsproben des späten Perms in China und Japan berichten. In den letzten Monaten haben wir damit begonnen, analoge Formationen in der Antarktis näher zu betrachten. Vorläufige Tests mit Proben von der dortigen Fossilfundstätte Graphite Peak waren positiv. Die gefundenen Fullerene mit außerirdischem Helium und Argon sind an diesem Ort vergesellschaftet mit geschockten Quarzkristallen, einem weiteren direkten Indikator eines Asteroideneinschlags.

So sehr uns diese Ergebnisse begeisterten, wäre es noch verfrüht, darin den eindeutigen Beweis dafür zu sehen, dass ein Asteroideneinschlag das Große Sterben auslöste. Viele Wissenschaftler halten Vulkanismus immer noch für die wahrscheinlichere Ursache. Sie stören sich einfach daran, dass in Gesteinen, die zeitlich zum Großen Sterben gehören, geschockte Quarzkristalle und Iridium relativ selten sind, und sie werden skeptisch bleiben, solange kein Einschlagkrater gefunden wird.

Einen guten Kandidaten dafür gibt es allerdings schon. Er könnte unter einer dicken Sedimentschicht vor der Nordwestküste Australiens verborgen sein. Aus einem seismischen Profil des dortigen Meeresbodens hat der Geologe John Gorter von der Firma Agip Petroleum in Perth (Australien) eine kreisförmige Struktur mit einem Durchmesser von 200 Kilometern herausgelesen, die den Namen Bed-out erhielt. Es bleibt abzuwarten, ob die Entdeckung von geschocktem Quarz und anderen Einschlagspuren die Vermutung erhärtet, dass es sich hier um Ground Zero einer kosmischen Bombe mit verheerenden Folgen für das irdische Leben handelt. Wenn ja, würde die geografische Lage auch erklären, warum Fullerene in China, Japan und der Antarktis gefunden wurden, nicht aber an entfernteren Stellen wie in Ungarn oder Israel.

Ermutigend sind auch kürzlich entdeckte weitere Tracer, die als direkte Produkte eines Einschlags gelten können. Im September 2001 berichteten Kunio Kaiho und seine Kollegen von der Tohoku-Universität in Sendai (Japan) über Eisen-Siliziumdioxid-Nickel-Kristallkörner mit Spuren eines heftigen Einschlags in Gesteinen aus der Meishan-Formation in China, die vom Ende des Perms stammen. In ihnen waren schon vorher extraterrestrische Fullerene sowie Anzeichen für ein plötzliches Artensterben entdeckt worden. Ähnliche Kristallkörner hatten Forscher auch bei Einschlagstellen vom Ende der Kreidezeit rund um die Welt gefunden.

Jäher Wandel der Umwelt

Aber selbst wenn die Suche nach Kratern oder anderen direkten Beweisstücken vergeblich bleibt, besteht immer noch die Möglichkeit, einen Asteroideneinschlag aus Folgewirkungen wie einem jähen Wandel der Umweltbedingungen oder der Flora und Fauna abzuleiten. So berichteten Peter Ward und seine Kollegen an der Universität von Washington in Seattle letzten Sommer von einem abrupten Aussterben eingewurzelter Pflanzen in Gesteinen des südafrikanischen Karoo-Beckens, die vom Ende des Perms stammen.

Ein halbes Dutzend Forschergruppen hat auch einen scharfen Abfall in der Produktivität des Meeresplanktons beschrieben, der zeitlich mit dem Großen Sterben zusammenfällt – ebenso mit der dritten der fünf großen Massenextinktionen in etwa 200 Millionen Jahre alten Gesteinen vom Ende der Trias. Diese Produktivitätseinbrüche lassen sich an einer Veränderung im Mengenverhältnis der Kohlenstoffisotope erkennen. Sie finden sich ähnlich auch am Ende der Kreidezeit, von dem nur noch wenige Wissenschaftler bezweifeln, dass damals ein verheerender Asteroideneinschlag stattfand.

Letztlich können nur weitere sorgfältige Untersuchungen zeigen, ob die neuen Einschlags-Tracer – seien es direkte Produkte einer Kollision oder indirekte Hinweise auf abrupte ökologische Veränderungen – wirklich verlässlich sind. Bisher haben sich bei drei der fünf großen biologischen Krisen auf unserem Planeten verschiedenartige Indizien für den Aufprall eines Himmelskörpers in Gesteinen aus der jeweiligen Epoche gefunden.

Auch im Falle der beiden anderen Massenextinktionen – eine vor ungefähr 440 und die andere vor 365 Millionen Jahren – liegen Berichte einzelner Forscher über geschockten Quarz, glasartige Mikrokügelchen, potenzielle Krater und einen Produktivitätseinbruch vor; aber der Kausalzusammenhang zwischen einem Asteroideneinschlag und dem Artensterben ist hier noch nicht zwingend. Allerdings sollte man sich im Klaren darüber sein, dass Einschlags-Tracer, die am Ende der Kreidezeit ins Auge springen, in Gesteinsformationen, die zu älteren Massensterben gehören, allein wegen des größeren zeitlichen Abstandes wahrscheinlich viel weniger gut erhalten sind.

Dass Kollisionen mit Kometen oder Kleinplaneten mehrfach in der Erdgeschichte große Teile des Lebens ausgelöscht haben könnten, ist und bleibt eine aufregende Idee. Sie wird noch faszinierender durch die wachsenden Hinweise darauf, dass solche verheerenden Ereignisse offenbar für den Fortgang der Evolution nötig waren. Die meisten Paläontologen glauben zum Beispiel, dass das Große Sterben den Dinosauriern zu ihrer großen Verbreitung verhalf, indem es ihnen ökologische Nischen zugänglich machte, die andere Lebewesen zuvor eingenommen hatten. Genauso ermöglichte der Untergang der Riesenechsen den Aufstieg der Säugetiere.

Was immer diese Massenextinktionen ausgelöst haben mag, hat also letztlich auch den Grundstein unserer eigenen Existenz gelegt. Indem Forscher immer mehr Einschlags-Tracer auf der ganzen Welt aufspüren, hoffen sie, endlich die Schuldigen für die größten und geheimnisvollsten Mordfälle der Geschichte des Lebens auf der Erde zu überführen.

Literaturhinweise


Impact Event at the Permian-Triassic Boun-dary: Evidence from Extraterrestrial Noble Gases in Fullerenes. Von Luann Becker et al. in: Science, Bd. 291, S. 1530, 23.2.2001.

Accretion of Extraterrestrial Matter through-out Earth’s History. Von Bernhard Peucker-Ehrenbrink und Birger Schmitz (Hg.). Kluwer Academic/Plenum Publishers, 2001.


In Kürze


- In den letzten 600 Millionen Jahren sind mehr als sechzig Meteoriten mit Durchmessern über fünf Kilometer auf die Erde gestürzt. Selbst die kleinsten erzeugten noch hundert Kilometer breite Krater.

- Die meisten Wissenschaftler sind heute davon überzeugt, dass ein solcher Einschlag die Dinosaurier auslöschte. Bisher gab es jedoch keine klaren Belege dafür, dass auch andere Massenextinktionen mit dem Aufprall eines Asteroiden oder Kometen zusammenfielen.

- Inzwischen stoßen Forscher auf immer mehr Spuren solcher Einschläge – wie geschockte Quarzkristalle und Fullerene – in Gesteinsschichten aus Epochen, in denen die fünf schlimmsten Artensterben stattfanden. Bei der verheerendsten Massenextinktion gingen neunzig Prozent aller existierenden Spezies zu Grunde.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2002, Seite 60
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – »Entschuldigung, da verstecken wir uns hinter einer billigen Ausrede«

Der bedeutende Philosoph Immanuel Kant hätte am 22. April 2024 seinen 300. Geburtstag gefeiert. Kann der kategorische Imperativ und sein philosophisches System auch noch auf die Themen des 21. Jahrhunderts angewandt werden? Außerdem: Ursachen und Umgang mit »Ghosting« in der Welt des Online-Datings.

Spektrum Kompakt – Pathogene Pilze – Eine unterschätzte Gefahr

Tödliche Erkrankungen, tierische Massensterben, vernichtete Ernten – all das, und noch mehr, können pathogene Pilze auslösen. Durch die Erderwärmung und den internationalen Waren- und Personenverkehr breiten sich die Keime weltweit aus.

Spektrum Kompakt – Insektensterben

2017 sorgte die Krefelder Studie für Aufsehen: Sie dokumentierte einen dramatischen Rückgang der Insektenbestände. Was hat sich seitdem getan?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Infos
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.