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Vor 12 000 Jahren: Antarktis-Gletscher schrumpften täglich um 50 Meter

Am Ende der letzten Eiszeit schmolzen die antarktischen Eismassen in verblüffend hohem Tempo. Die Studie zeigt, wie schnell der Eisverlust vonstattengehen kann.
Gletscher in der Antarktis

Im Schnitt 40 bis 50 Meter am Tag verloren die antarktischen Eisschilde mancherorts am Ende der letzten Eiszeit. Das geht aus einer Studie hervor, für die Wissenschaftler im Sediment des Weddell-Meers nach verräterischen Spuren des Gletscherrückgangs gesucht haben. Wie sie in der Fachzeitschrift »Science« schreiben, zeigt das Ergebnis, dass die Eismassen der Antarktis viel schneller abschmelzen können, als man es heute beobachtet oder in Prognosen einfließen lässt.

Das Team um Julian Dowdeswell von der University of Cambridge hat dazu den Meeresboden vor der Küste des Larsen-Kontinentalschelfs vermessen. In 60 Meter Wassertiefe fanden sich ein Meter tief im Sediment verborgen regelmäßige Rillen, die von der Kante des ins Meer fließenden Gletschers erzeugt wurden – und zwar genau an der Stelle, an der das Eis aufschwimmt. Bei Ebbe drückt die Kante eine Rille in den weichen Sand, bei Flut hebt sie sich wieder vom Boden auf. Da die Rillen scharfkantig und nicht durch wiederholtes Heben und Senken zerstört waren, gehen die Forscher davon aus, dass bei jedem Tidendurchlauf nur eine einzige Rille entstand und die nächste landeinwärts gelegene Rille demnach auf die nächste Ebbe zwölf Stunden später zurückgehen muss. Dadurch erhielt das Team um Dowdeswell eine taggenaue Aufzeichnung der Lage der Gletscherkante.

Aus dem Abstand der Rillen zueinander kalkulierte das Team, dass die Eiskante sich mit der Geschwindigkeit von fast 50 Meter pro Tag zurückzog. Das entspricht rein rechnerisch 18 Kilometer Eisverlust pro Jahr. Da er jedoch nicht zu allen Jahreszeiten gleich stark abgelaufen sein dürfte, schätzen die Forscher den tatsächlichen Rückgang auf rund zehn Kilometer pro Jahr.

Dieser Vorgang fand am Ende der letzten Eiszeit etwa 12 000 Jahre vor heute statt. Er übertrifft in seiner Geschwindigkeit das Schrumpfen des heutigen Antarktiseises um eine Größenordnung: Den schnellsten Eisverlust beobachten die Wissenschaftler derzeit an der Pine Island Bay, dort zieht sich die Gletscherzunge mit 1,6 Kilometern pro Jahr zurück.

Ihre Studie zeige, dass die Gletscher sehr viel schneller schrumpfen können, als man es bisher kalkuliert. Sollte die Eisschmelze durch den Klimawandel eine vergleichbare Geschwindigkeit aufnehmen, wäre der Massenverlust rund drei- bis fünfmal größer, als man es bisher an manchen Stellen beobachtet.

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