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News: Aus für die Nadel

Die tägliche Spritze Insulin für Diabetiker gehört wohl bald der Vergangenheit an. Bereits heute sind Geräte ohne Nadeln auf dem Markt, doch natürlich wäre es noch besser für den Patienten, wenn er einen Apparat hätte, der ohne weiteres Eingreifen den Blutzuckerspiegel kontinuierlich überwacht und die benötigte Menge Insulin exakt in den Blutkreislauf abgibt. Japanische Wissenschaftler haben jetzt eine Substanz entwickelt, die als Detektor für Zucker wirkt und Insulin freisetzen kann.
Unter insulinabhängigem Diabetes versteht man die Unfähigkeit der Bauchspeicheldrüse, als Reaktion auf eine erhöhte Zuckerkonzentrationen im Blutstrom Insulin zu produzieren. Dieses Hormon spielt eine Schlüsselrolle beim Abbau von Glucose zu Kohlendioxid und Wasser unter Freisetzung chemischer Energie. Die ideale Apparatur zur Diabetesbehandlung wäre ein Miniaturgerät, das unter die Haut implantiert werden kann und immer dann Insulin verabreicht, wenn dies notwendig ist – ohne daß es der Patient auch nur bemerkt. Und genau das kann ein "intelligentes" Polymer-Gel, das von Kazunori Kataoka und seinen Kollegen von der University of Tokyo synthetisiert wurde (Journal of the American Chemical Society vom 9. Dezember 1998).

Das Gel ist ein Netzwerk aus Polymersträngen, die durch chemische Verbindungen miteinander verknüpft sind und so eine Art unregelmäßiges, dreidimensionales Spinnennetz bilden. Die Stränge bestehen aus dem nicht-toxischen Polymer Poly(N-Isopropylacrylamid). An einigen von ihnen befestigten die Forscher chemische Gruppen, die vorbeischwimmende Glucosemoleküle erkennen und binden. Dabei werden die Gruppen negativ geladen. Wenn viel Glucose vorhanden ist, sammeln sich also auch viele Ladungen an, die sich gegenseitig abstoßen. Als Folge dehnt sich das Netz aus: Das Gel wandelt sich von einer dichten Kugel aus Polymerketten zu einer eher offenen, siebähnlichen Struktur. Stoffe, die wie dieses Gel ihre Eigenschaften als Reaktion auf einen Reiz aus der Umgebung verändern, werden häufig als "intelligent" bezeichnet.

Die Forscher machten sich dieses Anschwellen zunutze und brachten das Gel dazu, als Reaktion auf die Anwesenheit von Glucose Insulin abzugeben. In seiner geschrumpften Form kann das Netzwerk mit Insulinmolekülen aufgeladen werden, die es im Stranggewirr gefangenhält. Wenn sich das Gel später als Reaktion auf einen erhöhten Blutzuckergehalt ausdehnt, kommt das Insulin durch die Lücken im Netz ins Freie. Auf diese Weise wird es nur dann freigegeben, wenn der Zuckerkranke es braucht.

Die Wissenschaftler sind indes nicht die ersten, die intelligente Gels dazu benutzen, Insulin und andere Arzneien kontrolliert zu verabreichen. So hatten zum Beispiel die Forscher der University of Washington in Seattle bereits ein Gel entwickelt, das Insulin und das Enzym Glucoseoxidase enthält. Das Enzym "verbrennt" Glucose zu einer Säure, die mit dem Polymergel reagiert. Dadurch werden positive Ladungen auf den Strängen plaziert, das Gel schwillt an und gibt seinen Inhalt frei. Doch die Verwendung biologischer Moleküle wie Enzyme als Bestandteile einer "Verabreichungsmaschine" kann zu einem Problem führen: körpereigene Abwehrmechanismen könnten die Enzyme aufspalten, wodurch unter Umständen toxische Nebenprodukte entstehen. Überdies können diese "fremden" biologischen Komponenten durch eine Reaktion des Immunsystems im Körper des Patienten unangenehme Nebenwirkungen hervorrufen. Das Poly(N-Isopropylacrylamid)-Gel enthält dagegen keine derartigen Bestandteile, so daß derartige Probleme nicht auftreten sollten.

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