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Verhaltensforschung: Menschen, die auf Möwen starren

Möwen haben den notorisch schlechten Ruf, sich unerlaubt an menschlichem Fastfood zu bedienen. Direkter Blickkontakt schützt vor den geflügelten Räubern.
Möwe wird gefüttert

Eigentlich ist dieses Problem hausgemacht: Möwen profitieren an vielen Orten von uns und unseren Hinterlassenschaften. Wir lassen Lebensmittelreste am Strand liegen, füttern die Vögel gezielt mit Brot und bieten ihnen mit offenen Müllkippen ein reichhaltiges Büfett. Und da sie extrem anpassungsfähig sind, nutzen sie diese Gelegenheiten – und werden bisweilen übergriffig. Die Zahl der Berichte über von Möwen »geklaute« Eiskugeln, Pommestüten oder Sandwiches geht wohl in die Tausende. In Großbritannien sollen sie im Juli 2019 sogar einen Hund verschleppt und wahrscheinlich verspeist haben, wie britische Medien berichteten. Manche der Attacken könnten dabei ganz einfach vermieden werden, wie Neeltje Boogert von der University of Exeter und ihr Team in den »Biology Letters« schreiben.

Laut den Wissenschaftlern genüge es, Blickkontakt mit Möwen zu halten, die sich in eindeutiger Absicht nähern, um ihre Beutezüge zumindest zu verzögern. Die Biologen legten Chipstüten auf einer englischen Küstenpromenade aus und beobachteten die Reaktion der Vögel in zwei Szenarien: Im einen Fall starrten sie die Möwen an, im anderen blickten sie von Tier und Tüte weg. Insgesamt wollten Boogert und Co 74 Möwen prüfen, doch flogen 47 einfach davon. Immerhin 27 näherten sich dem potenziellen Futter, doch nur 19 absolvierten beide Tests. Die Studie konzentrierte sich dann auf diese Tiere. Aber selbst die Flucht der anderen war ein interessantes Ergebnis, so die an der Studie beteiligte Madeleine Goumas vom Penryn Campus in Cornwall: »Möwen gelten oft als aggressiv und gewillt, Futter von Menschen zu nehmen. Es war also spannend zu sehen, dass die meisten nicht einmal in die Nähe unseres Versuchs kommen wollten.«

© University of Exeter
Möwe und Mensch

Die 19 tatsächlich involvierten Vögel brauchten durchschnittlich 21 Sekunden länger, bis sie sich dem potenziellen Futter näherten, wenn sie beobachtet wurden: Die Menschen ließen die Tiere und die Tüte nicht aus dem Blick. »Einige berührten die Tüte dann überhaupt nicht«, so Goumas. Sie zogen sich zurück. Manche der zögerlichen Möwen nutzten aber irgendwann doch die Gelegenheit und eine Unachtsamkeit, um mit den Chips davonzufliegen. »Wir haben nicht untersucht, warum die einzelnen Möwen so verschieden agieren. Womöglich haben sie unterschiedliche Persönlichkeiten. Oder manche haben positive Erfahrungen mit Menschen gemacht, die sie gefüttert haben«, sagt die Forscherin: »Es scheint jedenfalls so, dass einige besonders vorwitzige Möwen den Ruf aller ruinieren.«

Wie so oft sorgt also menschliches Fehlverhalten offenbar erst dafür, dass anpassungsfähige Tiere als Plage empfunden werden. Um das zu ändern und des Problems Herr zu werden, genügen vielleicht schon wenige Maßnahmen – etwa keine Lebensmittelreste am Strand liegen lassen.

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