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Kohlendioxid einfangen: Briketts aus Treibhausgas

Kohlendioxid zurück in Kohle verwandeln - und in alten Bergwerken speichern. Das klingt bizarr, könnte aber ein zentrales Problem des Klimaschutzes lösen: Wie erzeugt man negative Treibhausgasemissionen? Ein Interview mit dem Chemiker Torben Däneke, der genau daran forscht.
Kohle

Alle wünschenswerten Szenarien für die Zukunft des Klimas sehen »negative Emissionen« vor – also technisch eingefangenes Treibhausgas, das langfristig irgendwie gespeichert wird. Leider gibt es dafür bisher kein im nötigen Maßstab einsetzbares Verfahren. Eine internationale Arbeitsgruppe hat einen Weg gefunden, das Gas mit vergleichsweise wenig Energieaufwand in festen Kohlenstoff umzuwandeln: mit Hilfe von Nanoteilchen in einem flüssigen Metall. »Spektrum.de« sprach mit Torben Däneke vom Royal Melbourne Institute of Technology, einem der Autoren der Studie, über die neue Technik und ihr Potenzial, die erhofften negativen Emissionen im globalen Maßstab umzusetzen.

Spektrum.de: Herr Däneke, welche CCS-Methoden gibt es derzeit – und wo liegen die jeweiligen Vor- und Nachteile?

Torben Däneke: Bei der momentan gängigsten Methode wird Kohlendioxid aus der Luft extrahiert, isoliert und unter Hochdruck als superkritische Flüssigkeit tief unter die Erde gepumpt. Dann drücken wir die Daumen und hoffen, dass es dort bleibt. Inzwischen mehren sich jedoch die Zweifel, ob diese Art der Lagerung in ausreichend großem Maßstab möglich und auch langfristig sicher ist. Das war einer der Gründe, warum wir einen neuen Prozess entwickelt haben.

Mit diesen Zweifeln meinen Sie mögliche Gefahren und Unwägbarkeiten, wenn beispielsweise Risse in den unterirdischen Lagerstätten entstehen und das CO2 wieder ungehindert an die Oberfläche treten kann?

Genau. Diese unterirdischen Techniken und ihre Folgen sind verhältnismäßig neu, und noch verstehen wir nicht alle Details, die damit verbunden sind. Wir reden hier ja auch von Konsequenzen in hunderten oder tausenden Jahren.

Gibt es darüber hinaus weitere CCS-Technologien?

Auf Island wurde 2016 ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem in Wasser gelöstes CO2 zur Speicherung in poröses Basaltgestein gepumpt wurde. Das Kohlendioxid verwandelte sich in knapp zwei Jahren in Gestein.

Torben Däneke | (Jahrgang 1985) ist Materialchemiker am australischen Royal Melbourne Institute of Technology. Er promovierte 2012 an der Monash University in Melbourne, entwickelt heute unter anderem Materialien für Katalysevorgänge und war maßgeblich an der Entwicklung der hier diskutierten neuen CCS-Methode beteiligt.

Normalerweise dauert diese natürliche Mineralisierung von Kohlendioxid zu Karbonaten mindestens mehrere hundert Jahre. Wie lässt sich dieser Prozess beschleunigen?

Ich bin kein Geologe, aber das hängt sicher von den Gegebenheiten ab, vor allem dem vorhandenen vulkanischen Basaltgestein. Karbonate sind jedoch chemisch anders als das, was wir in unserem Experiment hergestellt haben. Unser Produkt ähnelt eher Braunkohle.

Auch Deutschland hat große Basaltvorkommen. Wäre das als Speichermethode hier zu Lande denkbar?

Die Lagerung in Basaltgesteinen kann wahrscheinlich zur endgültigen Lösung beitragen. Wir sollten uns jedoch die Größe des Problems bewusst machen: Schätzungen zufolge hat die Menschheit bislang etwa 2000 Gigatonnen CO2 produziert; jedes Jahr kommen knapp 40 Gigatonnen hinzu. Zum Vergleich: Die Weltgemeinschaft erzeugt jährlich etwa fünf Gigatonnen Stahl. Diese wahnsinnigen CO2-Mengen dauerhaft unterirdisch lagern zu können, ist fragwürdig.

Grundvoraussetzung für die Abscheidung von CO2 ist es, das Gas zunächst aus der Atmosphäre herauszubekommen. Wie funktioniert das momentan?

Weltweit gibt es eine Hand voll Pilotprojekte, bei denen Kohlendioxid in großem Stil aus der Atmosphäre isoliert wird. In speziellen Anlagen, die aussehen wie eine riesige Batterie an Ventilatoren, wird es aus der Luft gesaugt, herausgefiltert und von einigen Firmen sogar weiterverkauft, beispielsweise an die Mineralwasserindustrie oder Betreiber von Gewächshäusern. Solche Anlagen stehen derzeit in der Schweiz, Italien und Kanada. Eine weitere Möglichkeit ist die Isolierung von CO2 direkt im Kohlekraftwerk.

Man könnte den Kohlenstoff beispielsweise in stillgelegten Kohlebergwerken unterbringen

Sie haben mit einem internationalen Forscherteam eine neue CCS-Methode entwickelt, bei der atmosphärisches Kohlendioxid mineralisiert wird. Wie unterscheidet sich diese von bisherigen Techniken?

Unser Ansatz ist komplett neu, sowohl in der Elektrochemie als auch in Bezug auf die CO2-Frage: Anstatt das Kohlendioxid flüssig unter Hochdruck in die Erde zu pumpen, wandeln wir es über Elektrokatalyse in feste Materie – fast reinen Kohlenstoff – um. Diese lässt sich einfacher, günstiger und theoretisch überall lagern oder sogar als Produkt weiterverwenden.

Wo würde man dieses Material lagern?

Zu Briketts gepresst, könnte man den Kohlenstoff beispielsweise in stillgelegten Kohlebergwerken unterbringen. Diese Lagerung wäre vermutlich auch sehr sicher, müsste aber dennoch untersucht und überwacht werden. Denn bei Kohlefeinstaub ist die Sache schon nicht mehr ganz so unbedenklich. Ich gehe allerdings davon aus, dass auch das unter Umweltaspekten kein Problem darstellt.

Wie funktioniert das neue Verfahren konkret?

Im Grunde ähnelt es dem klassischen Chemieexperiment, das wir aus der Schule kennen: Wir nehmen ein Glas Wasser, stecken zwei Platindrähte hinein, legen Spannung an und isolieren so Wasser- und Sauerstoff. Wir arbeiten nun mit einer sehr CO2-haltigen Flüssigkeit und haben einen der Drähte mit unserer speziellen Flüssiglegierung ausgetauscht. Sobald wir Spannung an die beiden Drähte legen, steigen an einem Draht Luftbläschen nach oben – die Abscheidung von Sauerstoff –; an der Flüssiglegierung bilden sich dünne, schwarze Kohlenstoffflocken – die Abscheidung von Kohlenstoff.

Was ist das Besondere daran?

Flüssiglegierungen werden in Katalyseprozessen erst seit knapp drei Jahren verwendet. Der Vorteil ist, dass man feste Produkte herstellen kann, ohne dass diese am Katalysator haften bleiben, ihn somit »vergiften« und der Katalyseprozess nach drei bis vier Minuten stoppt. Das ist wie mit einem Kaugummi, den ich problemlos an eine Wand oder auf einen Tisch, aber eben nicht auf eine Flüssigkeit kleben kann.

Wie viel von dieser Legierung ist für Ihr Verfahren notwendig, und was bedeutet das für die Kosten?

Ein Kilo Gallium kostet derzeit etwa 300 Euro. Doch man braucht bloß einen hauchdünnen Film, um den Prozess in Gang zu setzen. Durch diese nur wenige Nanometer dicken Schichten würden die Kosten natürlich sinken.

Was geschieht mit den Kohlenstoffflocken?

Sie sinken ab und werden aus der Flüssigkeit gefiltert. Am sinnvollsten wäre es allerdings, das finale Produkt nicht nur irgendwo zu lagern, sondern ebenfalls zu nutzen. Der von uns produzierte Kohlenstoff eignet sich zum Beispiel als Elektrodenmaterial bei Superkondensatoren. Gerade für Hersteller von Batterien für Elektroautos könnte das interessant sein.

Bisherige CCS-Methoden wurden vor allem dafür kritisiert, dass sie wegen ihres enorm hohen Energieaufwands unwirtschaftlich seien. Dagegen gelingt Ihr Verfahren bereits unter »normalen« Voraussetzungen – bei Zimmertemperatur und normalen Druckverhältnissen. Ist die Problematik der Energieeffizienz somit gelöst?

Das ist jetzt die große Frage. Auch bei uns wäre der Energieaufwand für industrielle Maßstäbe vermutlich noch immer enorm. Wir wandeln Elektrizität in chemische Energie um. Rein thermodynamisch ist es so, dass wir die Energie, die wir beim Verbrennen der Kohle freigesetzt haben, auch in etwa wieder reinstecken müssen, um es in feste Materie umzuwandeln. Uns ist damit sicher nicht die ultimative Lösung für einen Stopp der Klimaerwärmung gelungen, aber womöglich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Prinzip der Kohlendioxidumwandlung | Bei milden Bedingungen und Raumtemperatur spaltet der in dem flüssigen Metall verteilte Katalysator Kohlendioxid in seine Grundstoffe. Es entstehen elementarer Sauerstoff und ein rußiges Material, das zu etwa 85 Prozent aus Kohlenstoff besteht.

Momentan experimentieren Sie mit einem kleinen Becherglas im Labor und einem winzigen Tropfen der Legierung. Ließe sich dieser Prozess auch auf die zehntausende Tonnen Kohlendioxid skalieren, die pro Tag aus einem Kraftwerk kommen?

Das bleibt unser Ziel, und theoretisch sehen wir da kein Problem. Die Grundvoraussetzung für diese Katalyse ist die Oberfläche. Aktuell experimentieren wir hier im Quadratmillimeter- oder -zentimeterbereich. Wenn wir irgendwann von Quadratmetern sprechen können – und daran arbeiten wir derzeit –, produzieren wir auch entsprechend mehr festen Kohlenstoff. Noch steckt diese gesamte Entwicklung aber in den Kinderschuhen.

Wird es später riesige Kraftwerke beziehungsweise Reaktoren für »negative Emissionen« geben – oder eher kleinere, mobile Lösungen?

Ich denke, dass es vermutlich eher zentrale, von Regierungen betriebene Anlagen werden. Schließlich ist eine gewisse Infrastruktur notwendig. Im Idealfall werden diese Anlagen natürlich mit CO2-neutraler Energie betrieben.

An der CO2-Sequestrierung wird bereits seit Mitte der 1990er Jahre geforscht. Warum ging diese Entwicklung bislang eher schleppend voran?

Das große Problem ist der Anreiz, diese Technologien zu entwickeln. Ein kommerziell sinnvolles Produkt aus CO2 herzustellen, ist noch sehr schwierig: Der nötige Energieaufwand ist derzeit immens.

Braucht es also ein größeres Engagement der Politik, um die Wettbewerbsfähigkeit neuer Technologien und Produkte dieser Art zu unterstützen?

Unbedingt. Das könnten beispielsweise Steuermodelle wie bei der Atomindustrie sein. Auch Gesetze, die festlegen, dass bestimmte Produkte mit Hilfe von atmosphärischem CO2 produziert werden müssen, wären denkbar. Allerdings sollten wir die schiere Größe des Problems berücksichtigen: Wir reden von 40 Gigatonnen Kohlendioxid, die zurzeit pro Jahr neu in die Atmosphäre gehen. Da hilft es wenig, wenn bestimmte Prozesse ein paar Tonnen hier und da verwenden. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Könnte Ihre Technologie dieser Durchbruch sein, um zum Beispiel auch die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten?

Das bleibt abzuwarten. Fakt ist jedoch, dass viele der Klimamodelle, auf die sich die Berechnungen des Pariser Abkommens beziehen, stillschweigend davon ausgehen, dass wir diese Techniken für negative Emissionen entwickeln und nutzen werden. Deswegen ist dieser Durchbruch wichtig, damit wir in 20, 30 Jahren mit diesen Technologien arbeiten können und Alternativen zu den bisherigen Strategien haben.

Warum steht der Großteil der Bevölkerung den CCS-Konzepten eher kritisch gegenüber?

Wir erleben mittlerweile immer wieder, dass es Probleme bereitet, wenn Flüssigkeiten unter Hochdruck in die Erde gepumpt werden. Fracking kann beispielsweise Erdbeben auslösen. Ein weiteres Problem ist, dass viele CCS-Konzepte über Jahre hinweg von der Kohlelobby als Teil einer theoretischen »Clean Coal«-Technologie vermarktet wurden.

Wieso engagiert sich Deutschland im Vergleich zu Ländern wie Australien, Kanada und China verhältnismäßig wenig für die Erforschung von CCS-Methoden?

Das hat politische Gründe. Kohle ist eines der wichtigsten Exportgüter Australiens. Das Land steht deutlich stärker unter Druck, Lösungen für die hausgemachten Emissionen zu präsentieren, um auch zukünftig Kohle verkaufen zu können.

Könnte oder müsste Deutschland trotzdem mehr tun?

Der Klimawandel ist ein globales Problem, er geht uns alle an. Wir sind alle gefragt, eine Lösung zu finden. Deutschland hat über Jahre hinweg eine Vorreiterstellung übernommen und gilt in vielen Ländern als Vorbild. Dementsprechend ist es wichtig, dass Deutschland weiterhin aktiv bleibt und neue Technologien zur Eindämmung des Klimawandels entwickelt, erprobt und anwendet.

Herr Däneke, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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