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Teilchenphysik: Das Higgs und die zweite Generation

Neue Messungen am CERN zeigen: Das berühmte Boson scheint nicht nur mit den Schwergewichten im Teilchenzoo zu sprechen, sondern auch mit leichteren Partikeln.
CMS-Detektor am Large Hadron Collider (LHC)

Acht Jahre nach Entdeckung des Higgs-Teilchens sind Physiker noch immer damit beschäftigt, die Eigenschaften des Neulings zu ergründen. So konnten sie in den vergangenen Jahren nachweisen, dass das »Higgs« unter anderem mit den zwei massereichsten der sechs Quarks interagiert sowie mit sehr beleibten Geschwistern des Elektrons, den so genannten Tau-Leptonen. All diese Partikel gehören zur dritten und schwersten »Generation« im Standardmodell der Elementarteilchen, dem umfassenden Schema, mit dem Experten den Mikrokosmos katalogisieren.

Nun könnten Forscher am 27 Kilometer langen Large Hadron Collider bei Genf erstmals auch einen Kontakt zwischen dem Higgs und einem Mitglied der zweiten Generation nachgewiesen haben: Das berühmte Boson zerfalle auch in Myonen, berichten die Teams der Detektoren ATLAS und CMS in zwei noch nicht von Gutachtern geprüften Vorabveröffentlichungen.

Zerfall des Higgs in Myonen im ATLAS- und im CMS-Detektor | Im Genfer Teilchenbeschleuniger LHC rasen Protonen fast mit Lichtgeschwindigkeit ineinander. Bei der Kollision werden zahlreiche andere Partikel ins Leben gerufen, darunter in seltenen Fällen auch Myonen. Ihre Spur in den Detektoren ATLAS und CMS ist in dieser Illustration durch rote Linien dargestellt.

Myonen gehören zur selben Familie wie Tau und Elektron, sie sind gewissermaßen das Sandwichkind. Sie haben lediglich sechs Prozent der Masse eines Taus, was es schwierig macht, die Interaktion mit dem Higgs-Teilchen nachzuweisen. Dieses ist nur eine Anregung im allgegenwärtigen Higgs-Feld, das Elementarteilchen ihre Masse verleiht und daher mit schweren Partikeln stärker interagiert als mit Leichtgewichten. Entsprechend zerfällt das Higgs-Teilchen auch deutlich lieber in massereiche Partikel der dritten Generation.

Umwandlungen in Myonen sind dagegen deutlich seltener: Nur jedes 5000. der am LHC erzeugten Higgs-Bosonen zerfällt in die mittelschweren Teilchen, teilt das CERN mit. Entsprechend mühsam ist es, genügend der Ereignisse zu sammeln, um den subatomaren Prozess einwandfrei nachweisen zu können. Bisher haben weder ATLAS noch CMS die Schwelle von »fünf Sigma« überschritten, ab der eine trügerische statistische Schwankung so gut wie ausgeschlossen ist. CMS liegt immerhin bei gut drei Sigma, was noch einer Fehlerwahrscheinlichkeit von etwa 1 zu 700 entspricht.

Sollte sich das Ergebnis verdichten, würde es den Trend der allermeisten anderen Messungen am LHC bestätigen: Das Higgs-Teilchen verhält sich bisher genau so, wie es das Standardmodell der Teilchenphysik vorhersagt. Sollte es im Detail kleine Abweichungen geben, wird vermutlich erst ein noch größerer Teilchenbeschleuniger in der Lage sein, diese aufzuspüren.

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