Direkt zum Inhalt

News: Die Erde tiefgefroren

Eine Reihe globaler Eiszeiten hat vor rund 700 Millionen Jahren fast das Leben auf der Erde ausgerottet. Dick eingepackt in eine Eisschicht, die von Pol zu Pol reichte, überwinterte der Planet für Millionen Jahre, bis ihn die Ausgasungen seiner Vulkane aus dem Dornröschenschlaf erweckten. Das folgern Wissenschaftler aus ihren Untersuchungen zur Isotopenverteilung in Ablagerungen. Doch nicht alle ihre Kollegen sind mit der Beweiskraft der Daten zufrieden.
Die Geologen Paul Hoffman und Galen Halverson, der Geochemiker Daniel Schrag, alle von der Harvard University, sowie der Geochemiker Alan Kaufman von der University of Maryland, College Park, veröffentlichten ihre Ergebnisse in Science vom 28. August 1998. Sie sehen darin einen deutlichen Hinweis, daß die damals noch recht einfachen Organismen auf der Erde durch die Eiskappe ernsthaft bedroht waren. "Es macht einen regelrecht sprachlos, daß sowas passieren konnte", meint Hoffman.

Wenn Pflanzen oder Bakterien Photosynthese treiben, nehmen sie bevorzugt Kohlendioxid mit dem leichten Kohlenstoffisotop 12C auf. Das schwerere 13C lassen sie eher zurück. Rein chemische Reaktionen, an denen keine Lebewesen beteiligt sind, verhalten sich meist weniger wählerisch. Die Wissenschaftler untersuchten das Verhältnis der Isotope in Ablagerungen, die sie in Namibia einsammelten. Vor rund 700 Millionen Jahren war dort der Küstenbereich eines Ozeans.

In den ältesten Schichten wurde Kohlenstoff anscheinend jeweils zur Hälfte durch chemische und durch biologische Prozesse dem Ozean entzogen, berichtet Hoffman. Mit der herankommenden Eiszeit nahm der biologische Anteil ab, so als ob sich das Eis langsam über den gesamten Globus erstreckt hätte. Während die glazialen Ablagerungen selbst keine aussagekräftigen Isotopenverhältnisse liefern, sieht es nach einer darüber liegenden Carbonatschicht so aus, als sei die biologische Aktivität so gut wie völlig zurückgegangen und habe sich nur langsam wieder erholt. "Es ist schwer vorstellbar, daß ein anderer Mechanismus als eine weltweite Eiszeit die [biologische] Produktivität so weit runterfahren könnte", sagt Hoffman.

Er nimmt an, daß es zumindest einige freie Flecken im Eis gegeben hat, in denen Mikroorganismen und vielzellige Algen überleben konnten. Seiner Ansicht nach sind aus ihnen später alle heutigen Lebensformen hervorgegangen. Das war aber erst möglich, als über Millionen Jahre vulkanisches Kohlendioxid dem Erdinnern entwich und einen Treibhauseffekt verursachte, durch den der Eispanzer zurückgedrängt wurde.

Allerdings sind nicht alle Wissenschaftler überzeugt, daß die Vereisung solche Ausmaße gehabt hat. Louis Derry von der Cornell University hält die Daten für sehr interessant, "aber es ist ziemlich spekulativ". Bleibt also abzuwarten, ob die Schneeballtheorie eine hitzige wissenschaftliche Diskussion überstehen kann.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.