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Paläontologie: Die kleine Ägypterin

Aegyptopithecus zeuxis heißt ein vor etwa 30 Millionen Jahren ausgestorbenes Tier, das zu den frühen Verwandten der heutigen Menschenaffen zählte. Bislang beschränkten sich seine bekannten Überreste auf wenige Knochen. Doch ein neu aufgetauchter Schädel passt so gar nicht in das bisherige Bild.
Aegyptopithecus zeuxis
Al-Fayum vor 30 Millionen Jahren: Eine ausgedehnte Sumpflandschaft mit dichten Mangrovenwälder bietet Platz für reichhaltiges Leben. Kleine Rüsseltiere und merkwürdige nashornartige Wesen mit zwei Hörnern suhlen sich im Wasser; in den Bäumen toben mehr als zwei Dutzend Affenarten herum.

Heute ist von dieser Üppigkeit nur noch eine Oase inmitten des heißen Wüstensands der Sahara übrig geblieben. Doch im Oligozän gehörte Al-Fayum zum Nildelta – und zählte zu den wichtigsten Keimzellen der Primaten. Hier erlebte diese Säugetierordnung, in die sich auch der Mensch einreiht, eine erste Blüte.

Einer dieser frühen Primaten heißt Aegyptopithecus zeuxis, ein kleiner, geschwänzter Affe, der sich in den Bäumen des Nildeltas wohl fühlte. Ein 1966 gefundener Schädel stellte ihn an die Basis der Schmalnasen- oder Altweltaffen, aus denen sich auch die Hominiden entwickeln sollten. Vor allem das Gebiss des Ägypters ähnelt schon sehr stark dem unsrigen, sodass er wohl zu unseren näheren Verwandten, aber vermutlich nicht zu unseren unmittelbaren Vorfahren zählt.

Aegyptopithecus zeuxis | Der 29 Millionen Jahre alte Schädel CGM 85785 gehörte zu einem Weibchen von Aegyptopithecus zeuxis. Das Bild zeigt Fotografien (farbig) und 3-D-Rekonstruktionen (grau) des Fossils in verschiedenen Ansichten.
Außer diesem Schädel mit der Registrierungsnummer CGM 40237 und ein paar Zähnen kannten die Wissenschaftler bis dato lediglich eine Elle nebst einigen Zehenknochen und Schwanzwirbeln von Aegyptopithecus zeuxis. Ein im Jahr 2004 im Fayum-Becken entdeckter Schädel schien von einer anderen Art zu sein – war er doch nur halb so groß wie CGM 40237.

Doch die Analyse des Fossils belehrte die Forscher um Elwyn Simons von der Duke-Universität in Durham eines Besseren: CGM 85785 – so die Bezeichnung des Neufunds – gehörte wie CGM 40237 zu Aegyptopithecus zeuxis.

Simons und Aegyptopithecus | Elwyn Simons mit den beiden Aegyptopithecus-zeuxis-Fossilien von Al-Fayum: Der weibliche Schädel (rechts) ist deutlich kleiner als der männliche. Damit zeigte der Affe aus dem Oligozän bereits einen ausgeprägten Sexualdimorphismus.
Der 29 Millionen Jahre alte Schädel war so gut erhalten, dass die Wissenschaftler per Computertomografie sein Inneres vermessen konnten. Demnach musste sich das Tier mit einem Hirnvolumen von lediglich 15 Kubikzentimetern begnügen. Frühere Schätzungen gingen davon aus, dass Aegyptopithecus mindestens 30 Kubizentimeter Hirn zur Verfügung hatte. Die Forscher vermuten zwar, dass diese Werte zu hoch lagen und korrigierten das Volumen des 1966er Schädels auf 21 Kubikzentimeter – der große Unterschied bleibt jedoch bestehen.

Einzige Erklärung: CGM 40237 war ein Männchen und CGM 85785 das zugehörige Weibchen. Demnach scheint hier ein besonders extremer Fall von Sexualdimorphismus vorzuliegen, bei dem sich die beiden Geschlechter deutlich voneinander unterscheiden. Auch die früher gefundenen Eckzähne hatten schon auf geschlechtliche Größenunterschiede bei Aegyptopithecus hingewiesen.

Einen ähnlich stark ausgeprägten Sexualdimorphismus, bei dem das Männchen ein anderthalbmal so großes Gehirn wie das Weibchen besitzt, kennen die Forscher auch vom heutigen Gorilla.
"Aegyptopithecus hatte genug Verstand, um Gruppenmitglieder von Nichtmitgliedern zu unterscheiden"
(Elwyn Simons)
Dies lässt auf eine Sozialstruktur schließen, bei der sich wenige Männchen um zahlreiche Weibchen streiten mussten. "Wenn wir annehmen, dass Aegyptopithecus in großen sozialen Gruppen lebte, dann heißt das, er hatte genug Verstand, um Gruppenmitglieder von Nichtmitgliedern zu unterscheiden", meint Simons.

Der Schädel der kleinen Ägypterin konnte den Forschern sogar noch mehr verraten: Er zeigte Anzeichen eines gut entwickelten visuellen Kortex. Die Tiere könnten demnach – im Gegensatz zu ihren nachtaktiven Vorfahren – bei Tageslicht durch die Wälder Al-Fayums gestreift sein.

Damit erweist sich Aegyptopithecus zeuxis schon als recht modern. Sein winziger Kopf wirkt dagegen eher altertümlich, wie Simons betont: "Das bedeutet, dass die Affen ihre großen Gehirne erst später entwickelt haben." Die Affen von Fayum hatten also noch einen langen Weg vor sich.

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