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News: Eingewickelt

Das bekannte Radnetz der Kreuzspinne ist nur eines unter den vielfältigen Varianten von Spinnennetzen. Und die raffinierten Achtbeiner fangen damit nicht nur ihre Beute, die Fadengebilde schützen sie womöglich auch vor gefräßigen Räubern - zumindest in 3-D-Bauweise.
Das regelmäßig gesponnene Netz einer Kreuzspinne ist ein faszinierendes Kunstwerk, das jeden Tag aufs Neue entsteht: eine akkurat angelegte Falle, um den eigenen Bauch zu füllen. Allerdings besteht für die Besitzerin auch ständig die Gefahr, selbst zur Mahlzeit zu werden, denn im Zentrum des Netzes sitzend, präsentiert sie sich hungrigen Fressfeinden wie auf dem Serviertablett.

Doch das zweidimensionale Bauwerk ist nur ein Beispiel einer vielfältigen Palette von Netzgestalten. Während andere Spinnen beispielsweise nur eine Art Spinnenseil-Lasso nach ihrer Beute schleudern, haben andere ein Fangnetz zwischen den Beinen, das sie über ihr nächstes Mittagessen stülpen. Und Baldachinspinnen (Linyphiidae) oder Kugelspinnen (Theridiidae) haben sich sogar eine noch kompliziertere Architektur ausgesucht: Sie legen ihre Netze in 3-D-Form an, indem sie das flächige Gespinst mit zahlreichen Stolper- und Haltefäden nach oben und unten abspannen.

Doch wollen sie damit nur ihre Jagdstrategie verbessern? Todd Blackledge von der Cornell University und seine Kollegen vermuteten noch einen weiteren Auslöser für die Entwicklung dreidimensionaler Netze: Schutz vor räuberischen Grabwespen (Sphenicidae), für deren Nachwuchs die kleinen Achtbeiner den täglichen Schmaus darstellen.

Die Wissenschaftler werteten beinahe 100 Studien zur Verfügbarkeit verschiedener Spinnenarten in den Lebensräumen derartiger Wespen und die tatsächliche Zusammensetzung des Larvenfutters aus. Dabei stellten sie fest, dass die Erbauer von 3-D-Netzen deutlich seltener die Mägen des Wespennachwuchses füllen, obwohl sie im Vergleich sehr viel häufiger vorkommen als 2-D-Konstrukteure. Denn der Speisezettel des Wespennachwuchses bestand zwar zu drei Vierteln aus ehemaligen Netzbewohnern, doch gerade einmal 17 Prozent davon lebten vorher in einem dreidimensionalen Gebilde, die restlichen 83 Prozent nannten ehemals ein zweidimensionales Gespinst ihr Zuhause.

Die Forscher vermuten, dass die 3-D-Netze ihre Bewohner auf zweierlei Weise schützen. Zum einen wird es für eine Wespe ungleich schwieriger, eine zwischen zahlreichen Fäden versteckte Spinne einzusammeln, als sie einfach von der Rückseite eines flachen Netzes abzupflücken. Zum anderen dienen die zahlreichen Fangfäden erfolgreich als Frühwarnsystem, das die Spinne sehr schnell vor einem sich nähernden hungrigen Räuber warnt.

Ein weiterer Hinweis, dass die komplizierten Netze als Reaktion auf den Räuberdruck durch Grabwespen entstanden, liegt in der Evolution der Tiere. Während die ersten Radnetzspinnen sich im Jura, vor etwa 145 Millionen Jahren, entwickelten, erscheinen die ersten Spinnen aus der Gruppe der 3-D-Weber erst in der Unteren Kreide, vor etwa 130 Millionen Jahren – in etwa zeitgleich mit den ersten parasitären Wespen.

Blackledge und seine Kollegen wollen damit aber nicht ausschließen, dass andere Faktoren ebenfalls zu der Neuerung beigetragen haben. Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass die 3-D-Architekten mit wenigen Millimetern Körperlänge eher klein ausfallen und außerdem dichter bewachsene Gebiete vorziehen, während die Wespen eher in offenem Gelände jagen. Doch gibt es hungrige Mäuler für Spinnen jeder Größe und Jagdausflüge in jedes Gelände – daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Schutzaspekt auf jeden Fall eine treibende Kraft für die Netzumgestaltung darstellte.

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