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Sicher helfen: Wie hilft man bei einem Krampfanfall?

Ein epileptischer Anfall sieht beängstigend aus, ist aber nur selten ein Notfall. Wie man Verletzungen vorbeugt und wann der Notruf gewählt werden muss – ein Überblick.
Bewusstlose Frau liegt im Büro neben Bürostuhl
Eine Frau liegt auf dem Boden ihres Büros, nachdem sie während eines epileptischen Anfalls vom Stuhl gekippt ist (Symbolbild). Falls die Krämpfe rasch wieder aufhören, ist es in der Regel nicht notwendig, den Notruf zu alarmieren.

Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter und der Arbeiter-Samariter-Bund.

Sie sitzen im Büro und arbeiten konzentriert. Plötzlich tut es einen Schlag. Am Schreibtisch nebenan ist Ihre junge Kollegin vom Stuhl gekippt und liegt auf dem Boden. Zunächst versteift sich ihr ganzer Körper, dann zucken Arme und Beine gleichmäßig. Nach kurzer Zeit lassen die Bewegungen nach. Die Frau liegt nun ruhig da und scheint zu schlafen.

Was war das?

Die Frau hatte mit großer Wahrscheinlichkeit einen epileptischen Anfall. Dabei entladen sich die Nervenzellen im Gehirn plötzlich gleichzeitig. Bis zu zehn Prozent aller Menschen erleiden in ihrem Leben mindestens einen solchen Krampfanfall, nicht alle sind an einer Epilepsie erkrankt. Nur bei 20 bis 30 Prozent der betroffenen Menschen stellen Ärzte die neurologische Erkrankung anschließend fest.

Verschiedene Auslöser können epileptische Anfälle provozieren: Drogen, Medikamente, Schlafmangel oder ein niedriger Blutzuckerspiegel genauso wie Gehirnentzündungen und gerade bei Kindern Fieber. Extreme körperliche Anstrengung, starker Stress oder Stroboskoplicht begünstigen das Auftreten ebenfalls. Zudem erhöhen Vorerkrankungen wie Tumorleiden oder ein Schlaganfall, die das Gehirn schädigen, das Anfallsrisiko. Manchmal können Ärztinnen und Ärzte aber keine Ursache ausfindig machen.

Wie äußert sich ein epileptischer Anfall?

Mediziner unterscheiden zwischen fokalen Anfällen, bei denen die neurologische Störung auf eine Hirnregion beschränkt ist, und generalisierten Anfällen, die das gesamte Gehirn betreffen. Am bekanntesten ist der generalisierte tonisch-klonische Anfall, früher auch »Grand mal« genannt. Er läuft nach einem bestimmten Muster ab: Zunächst versteift sich die Muskulatur der Betroffenen und sie verlieren das Bewusstsein. Dabei beißen sie sich manchmal auf die Zunge oder geben einen Initialschrei ab – einen kehligen Laut, der dadurch entsteht, dass die stark angespannten Atem- und Kehlkopfmuskeln die Luft aus der Lunge durch die geschlossene Stimmritze pressen. Nach einigen Sekunden zucken die Extremitäten erst rhythmisch, dann unregelmäßig, bis sie schließlich erschlaffen. Diese Phase dauert meist nicht länger als zwei Minuten. Danach schlafen die Betroffenen. Bis sie wieder zu Bewusstsein kommen, können mehrere Stunden vergehen. An den Anfall können sie sich in der Regel nicht erinnern.

Ein fokaler Anfall hingegen macht je nach Ort der Störung unterschiedliche Beschwerden: Sehstörungen und optische Halluzinationen, wenn die Sehrinde betroffen ist; Bewegungsstörungen bei einem fokalen Anfall im Frontallappen. Im Gegensatz zum generalisierten Anfall können Betroffene bei Bewusstsein bleiben. Breitet sich die Störung der Nervenzellen in der gesamten Hirnrinde aus, wird aus einem fokalen ein generalisierter Anfall.

Der tonisch-klonische Anfall sieht zwar gefährlich aus, schadet dem Gehirn aber nicht dauerhaft. Stürzt die Person zu Beginn des Vorfalls allerdings ungünstig, kann sie sich dabei schwer verletzen. Selten wird der epileptische Anfall zum lebensbedrohlichen Notfall: Krampft die betroffene Person mindestens fünf Minuten oder in kurzen Abständen hintereinander, ohne dazwischen ihr Bewusstsein wiederzuerlangen, befindet sie sich in einem »Status epilepticus«. Rund 15 Prozent aller Betroffenen sterben daran, wobei die Zahlen zwischen den Studien teilweise stark schwanken.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Wie kann man helfen?

Zunächst sollten Helfende Ruhe bewahren und den Betroffenen nicht allein lassen. Während des Anfalls kann man die krampfende Person vor Verletzungen schützen, indem scharfe und spitze Gegenstände oder Möbelstücke entfernt werden. Zusätzlich ist es sinnvoll, den Kopf zu polstern, etwa mit einer Jacke oder einem Kissen. Darüber hinaus ließe sich versuchen, enge Kleidung am Hals zu lockern, um das Atmen der betroffenen Person zu erleichtern. Wichtig: Während des Anfalls dürfen Außenstehende die krampfende Person niemals festhalten. Andernfalls können sie sowohl sich selbst als auch den krampfenden Menschen verletzen. Das gilt auch, wenn sich Betroffene auf die Zunge beißen: Vom Beißkeil, den man früher in den Mund geschoben hat, wird heute wegen der hohen Verletzungsgefahr abgeraten. Nach dem Anfall sollte man die noch bewusstlose Person in eine stabile Seitenlage bringen. Dadurch wird sichergestellt, dass ihre Atemwege frei bleiben. Eine Decke schützt zusätzlich vor Unterkühlung.

Hören Betroffene nicht relativ schnell wieder auf zu krampfen, müssen Helfende unbedingt den Notruf 112 anrufen, um Rettungskräfte anzufordern. Die medizinischen Fachleute versuchen vor Ort, den Anfall mit krampflösenden Medikamenten zu durchbrechen. Wirken die Mittel nicht ausreichend, wird die betroffene Person auf einer Intensivstation mit Narkosemedikamenten behandelt.

Nicht epileptische Krampfanfälle

In stressigen Situationen entwickeln Menschen manchmal einen Krampfanfall, der dem epileptischen Anfall zunächst ähnlich ist: den dissoziativen Krampfanfall, bisweilen auch psychogen oder funktionell genannt. Er beginnt langsam und nicht abrupt und geht mit unregelmäßigen Bewegungen der Arme und Beine einher. Während des Anfalls verletzt sich die betroffene Person eher selten. Ursächlich sind psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Posttraumatische Belastungsstörungen. Aber auch eine bestehende Epilepsie, Migräne oder Schlafstörungen erhöhen das Risiko für dissoziative Anfälle. Haben Fachleute einen epileptischen Anfall ausgeschlossen, hilft eine Psychotherapie den Betroffenen, mit den Anfällen umzugehen und sie weitgehend zu vermeiden. Die Hälfte von ihnen bleibt nach einer erfolgreichen Therapie anfallsfrei.

Wie geht es weiter?

Ist ein epileptischer Anfall zum ersten Mal aufgetreten, sollten sich Betroffene zeitnah ärztlich untersuchen lassen. Als Erstes messen die Mediziner die elektrischen Hirnströmungen mittels Elektroenzephalografie, kurz EEG. Hat eine Epilepsie den Anfall ausgelöst, zeigen sich typische Veränderungen der Hirnwellen. Dann verschreiben die Ärzte Medikamente, die weiteren Anfällen vorbeugen sollen. Zusätzlich erstellen die Fachleute ein Bild des Gehirns mittels Magnetresonanztomografie, kurz MRT, um etwa einen Tumor auszuschließen.

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